TW-Redakteur Bert Rösch: "Wenn ich im Marktplatz-Geschäft profitabel verkaufen und nicht völlig abhängig von der Plattform sein möchte, muss ich in der Lage sein, das Fulfillment selbst in die Hände zu nehmen."
Die Corona-Krise hat dem ohnehin stark wachsenden Online-Modehandel noch einmal einen deutlichen Push gegeben. Das gilt besonders für die 25 größten E-Fashion-Player, die 2020 im Schnitt um 26% gewachsen sind. Aber auch viele kleinere und mittelständische Stationärhändler haben in der Pandemie die Not zur Tugend gemacht und Kunden mit kreativen Ideen fürs digitale Verkaufen bei der (Kleider-)Stange gehalten. Zudem konnten sie dadurch vielfach neue Kunden hinzugewinnen, die über Google, Marktplätze oder Social Media erstmals auf die Retailer aufmerksam wurden.
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Für die meisten Händler liegen die größten Chancen im
Digitalen – und das nicht erst seit Corona. Es braucht aber
Akteure aus Überzeugung, nicht aus Verzweiflung, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu werden. Schließlich sind die Ansprüche der Kunden zuletzt deutlich gestiegen. Während der Ladenschließungen haben es die meisten Kunden den E-Commerce-Neulingen noch verziehen, wenn die Lieferung mehr als zwei Tage in Anspruch genommen hat.
Inzwischen sind die User aber hohe Standards gewöhnt, vor allem diejenigen, die bei Big Playern wie
Amazon,
Otto und
Zalando eingekauft haben. Das hat etwa die Studie "Corona Consumer Check" des Instituts für Handelsforschung (IFH) im Juli einmal mehr belegt.
Next step: professionalisieren. Viele Händler sind während der Pandemie auf Plattformen gesprungen, um mal schnell digital loszulegen oder wenigstens Läger zügig abzu
bauen. Nicht wenige waren enttäuscht ob der Mini-Margen. Eine Erkenntnis: Wenn ich in einem Marktplatz-Modell profitabel verkaufen und nicht völlig abhängig von der Plattform sein möchte, muss ich in der Lage sein, das Fulfillment selbst in die Hände zu nehmen. Allerdings hat man dann schnell die gleiche Komplexität wie bei einem eigenen Online-Shop.
Dazu kommt: Da mittlerweile sehr viele Marken und Händler über Online-Marktplätze verkaufen, können die Plattform-Betreiber bei der Wahl ihrer Partner äußerst selektiv vorgehen. Vor der Corona-Krise sind meistens lediglich die Low-Performer rausgeflogen. Jetzt müssen auch passable Händler um ihre Platzierung fürchten.
Also doch einen eigenen Online-Shop aufbauen, einen zusätzlichen Kanal? Bei allen Vorbehalten? Ja, aber nur mit sichtbarer Idee und erkennbaren Vorzügen. Wie das Lifestyle-Hub Breuninger, wie der lokale Liebling Fischer, wie der Produktspezialist Hemden-Meister, der vom Modehaus-Betreiber Schödlbauer betrieben wird. Nichts geht ohne Differenzierung. Sie ist der Hebel in Gesprächen mit Markenpartnern, mit dem Gatekeeper Google und, ganz entscheidend. Sie zieht und bindet Kunden.
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