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Megaprojekt: Im Herbst 2023 soll das neue Stadtviertel Westfield Überseequartier Hamburg eröffnen.
Foto: Moka Studio / URW

Das Westfield Überseequartier Hamburg ist eine der größten Baustellen Europas. Im Herbst 2023 soll es eröffnen. Mit den Zugpferden Breuninger und Zara will URW die Vermietung antreiben. Aber der Handel ist unsicher, ob er auf das neue Quartier am Wasser setzen soll. Es herrscht eine Mischung aus Faszination vor der schieren Dimension des Projekts und Respekt vor der harten Realität des Marktes.

Hamburg, Maritimes Museum, vergangenen Donnerstagmorgen. Während in der Lobby nach und nach knapp 500 Geschäftspartner das Retail Open House des Center-Spezialisten Unibail-Rodamco-Westfield (URW) fluten, sitzen eine Etage höher die Juristen und prüfen letzte Vertragsdetails. Inhalt: Zara will 2023 in dem URW-Megaprojekt "Westfield Überseequartier" die größte deutsche Filiale eröffnen. Tatsächlich werden die beiden URW-Manager Andreas Hohlmann und Constantin Wiesmann am späten Nachmittag verkünden: Die Tinte ist trocken, Zara kommt.

Dass ausgerechnet hier und jetzt dieser neue Ankermieter bekannt gegeben wird, ist kühl kalkuliert. URW erhofft sich von dem Deal mit dem attraktiven Modemagneten aus Spanien eine Sogwirkung für die weitere Vermietung des Centers.

Das entsteht direkt neben dem Museum und hat gigantische Dimensionen. Ende des letzten Jahrtausends wurde der Weg frei gemacht für die Entwicklung des neuen Hamburger Stadtteils Hafencity. Seit einigen Jahren nun bringt URW das Projekt konkret voran. Jahre, in denen sich die Welt des Einzelhandels deutlich verändert hat. Doch jetzt wird gebaut und es gibt kein Zurück. Die Ausgangslage, ein solches Projekt und seine riesigen Flächen für stationären Handel zu vermieten und zum Leben zu bringen, ist alles andere als ideal.

Zara hat sich zum Überseequartier bekannt und wird dort die deutschlandweit größte Filiale eröffnen. Im Bild zu sehen ist ein ähnlich dimensioniertes Zara-Geschäft in der Westfield-Mall in London.
Zara hat sich zum Überseequartier bekannt und wird dort die deutschlandweit größte Filiale eröffnen. Im Bild zu sehen ist ein ähnlich dimensioniertes Zara-Geschäft in der Westfield-Mall in London.
Foto: Hansonimages /URW
Erster wichtiger Marketing-Baustein für das Projekt war die Verpflichtung von Breuninger vergangenes Jahr. Breuninger steht für erfolgreiche Department Stores und Omnichannel-Exzellenz im Premium-Bereich. Noch ist es zwar über ein Jahr bis zur Eröffnung, doch mit Henning Riecken haben die Stuttgarter bereits einen Geschäftsführer für das Haus benannt. "Wir gehen jetzt in die Flächenplanung und sprechen mit den Lieferanten", sagt Riecken, der aktuell auch noch für die Filiale in Nürnberg verantwortlich zeichnet.

Der Vorteil: Breuninger kennt die Hamburger Kunden bereits durch den Online-Shop. Man sei jetzt dabei, sich in der Stadt vernetzen und zum Beispiel Möglichkeiten des Kultursponsoring zu erörtern. Ziel sei, das Thema möglichst sophisticated anzugehen. "Wir müssen den Hamburgern nicht Hamburg erklären, und die Gäste werden an der Tür sicher auch nicht mit Kapitänsmütze begrüßt", sagt Riecken. Er schaut auf die Baustelle und ist begeistert von der neuen Location: "Die gesamte Hafencity entwickelt sich sehr positiv und dynamisch, hier leben viele Menschen, in den Büros sind internationale Kanzleien. Wenn ich mir dann vorstelle, dass die Kunden vom Center aus den Blick auf die Stadt und die Schiffe genießen, das ist schon einmalig so in Deutschland. Für uns ist das eine tolle Chance."

Breuninger Hamburg-Chef Henning Riecken hat die Arbeit bereits aufgenommen: "Wir gehen jetzt in die Flächenplanung, sprechen mit den Lieferanten und vernetzen uns in der Stadt." Er ist begeistert von dem Standort. "Für uns ist das eine tolle Chance."
Breuninger Hamburg-Chef Henning Riecken hat die Arbeit bereits aufgenommen: "Wir gehen jetzt in die Flächenplanung, sprechen mit den Lieferanten und vernetzen uns in der Stadt." Er ist begeistert von dem Standort. "Für uns ist das eine tolle Chance."
Foto: Breuninger
Und jetzt hat sich also auch noch der Inditex-Konzern zum Überseequartier bekannt. Angeführt von dem dann deutschlandweit größten Store seiner Starmarke Zara, will die Gruppe auch Flächen für ihre anderen Marken anmieten. Genaue Zahlen werden nicht kommuniziert, gewöhnlich gut unterrichtete Kreise berichten von insgesamt 10.000m².

In der Branche sorgen die beiden Deals mit Breuninger und Zara für Respekt, aber auch für Fragezeichen. "URW drückt das Projekt offenbar mit aller Macht in den Markt. Inditex ist dafür bekannt, nur geringe Mieten zu zahlen. Wie das Center betriebswirtschaftlich funktionieren soll, wenn die beiden Ankermieter hochsubventioniert werden, ist mir schleierhaft", sagt ein erfahrener Handelsimmobilienmanager, der seinen Namen nicht veröffentlichen möchte.

Was meint er mit "hochsubventioniert"? "Breuninger wurde als Mieter eingekauft, das heißt, sie kriegen einen sehr hohen Baukostenzuschuss, angeblich mehr als 20 Mio. Euro", sagt der Insider. Auch Inditex müsse mit viel Geld gelockt worden sein, dafür spreche schon allein der für die Spanier äußerst frühe Zeitpunkt der Anmietung und Kommunikation. Die Absicht dahinter sei klar: "Weitere Mieter anzulocken, weil Zara als Frequenzbringer bekannt ist."

Beim Retail Open House von URW im Maritimes Museum konnten die Gäste einen Blick auf die Baustelle direkt gegenüber werfen.
Beim Retail Open House von URW im Maritimes Museum konnten die Gäste einen Blick auf die Baustelle direkt gegenüber werfen.
Foto: URW
Die beiden URW-Manager Hohlmann und Wiesmann dementieren, dass es außergewöhnliche finanzielle Hilfen für die beiden Ankermieter gebe. Details nennen sie nicht und verweisen auf die besonderen Beziehungen zur Inditex-Gruppe. "Wir sind der größte Vermieter von Inditex weltweit", sagt Wiesmann. "Die Entwicklung im Einzelhandel zeigt eindeutig, dass die meisten Marken künftig weniger Läden führen werden und dafür auf besondere Flagship Stores setzen. Dafür bietet unser Projekt in Hamburg die besten Rahmenbedingungen", sagt Hohlmann. Jeder einzelne Store solle besonders sein. "Das ist unser Ziel, und das streben die meisten Marken auch von sich aus an."

Knapp 50% der Einzelhandelsflächen seien bislang vermietet. Neben Breuninger und Inditex sind im Textilbereich noch keine weiteren Namen offiziell. Dem Vernehmen nach soll aber zum Beispiel Hugo Boss einen Mietvertrag unterschrieben haben, auch mit der H&M Group soll URW in Verhandlungen stehen. Offiziell bekannt gegeben wurden dafür Ankermieter aus anderen Bereichen: ein 4000m² großer Rewe-Supermarkt, das größte Kino Hamburgs (Kinopolis), ein Lego Discovery-Centre inklusive Lego-Flagshipstore sowie eine 3100m² große Dependance des Digital-Art-Centers "Port des Lumières". Weitere Mietverträge seien unterschrieben. "Im Sommer werden wir die Namen aller Ankermieter bekannt geben", sagt Hohlmann.

Andreas Hohlmann, URW: "Die Entwicklung im Einzelhandel zeigt eindeutig, dass die meisten Marken künftig weniger Läden führen werden und dafür auf besondere Flagship Stores setzen. Dafür bietet unser Projekt in Hamburg die besten Rahmenbedingungen."
Andreas Hohlmann, URW: "Die Entwicklung im Einzelhandel zeigt eindeutig, dass die meisten Marken künftig weniger Läden führen werden und dafür auf besondere Flagship Stores setzen. Dafür bietet unser Projekt in Hamburg die besten Rahmenbedingungen."
Foto: URW
Bekannte Großmieter wie Primark und TK Maxx schließt er aus. Nicht besonders genug und deshalb für die Positionierung ungeeignet, lautet das Argument. Diese Positionierung habe man im Rahmen einer mehr als 100 Seiten starken Studie ausführlich definiert. Es gehe um "Innenstadtentwicklung auf höchstem Niveau", die alle Aspekte des Lebens umfassen soll: Wohnen, Arbeiten, Kultur, Shopping.

Tatsächlich soll im Überseequartier längst nicht nur eingekauft werden, ein wichtiger Bestandteil der rund 100.000m² großen Mietfläche bzw. 180 Mieteinheiten gehe auf das Konto von Kultur, Freizeit, Entertainment und Gastronomie. "Es soll ein Ort sein, an dem sich die Menschen aufhalten und ihre Zeit verbringen wollen", sagt Wiesmann. Ergänzt wird das Quartier durch drei Hotels der Ketten Ibis, Pullman und Novotel, ein Kreuzfahrt-Terminal, vier Bürohäuser, ein Ärztezentrum und drei Wohngebäude mit insgesamt 579 Wohnungen, die längst verkauft sind. Hohlmann: "Viele reden von der 15-Minuten-Stadt, wir bauen hier die 5-Minuten-Stadt."

Constantin Wiesmann, URW, ist stolz auf die guten Beziehungen zum Inditex-Konzern: "Wir sind die größten Vermieter von Inditex weltweit." Im Sommer will er die restlichen Namen der Ankermieter in Hamburg bekannt geben.
Constantin Wiesmann, URW, ist stolz auf die guten Beziehungen zum Inditex-Konzern: "Wir sind die größten Vermieter von Inditex weltweit." Im Sommer will er die restlichen Namen der Ankermieter in Hamburg bekannt geben.
Foto: URW
Und an welchen anderen Kuchen in der Hansestadt wird URW nagen? Da wollen sich Hohlmann und Wiesmann nicht festlegen. "Das wird eine Win-win-Situation. Wir werden Menschen aus einem deutlich größeren Radius von bis zu eineinhalb Stunden nach Hamburg bringen. Zum Vergleich: Im Westfield Centro in Oberhausen zum Beispiel stehen auf dem Parkplatz an manchen Tagen 50 Busse aus den Niederlanden", sagt Hohlmann.

Und was ist mit der oft bemängelten Verkehrsanbindung des Überseequartiers? "Es gibt eine große und architektonisch außergewöhnliche U-Bahn-Station, die U4 fährt mit nur einer Zwischenstation am Jungfernstieg vom Hauptbahnhof direkt durch. Es gibt 2500 Parkplätze für Autos bei uns im Quartier und weitere 1.500 in unmittelbarer Nachbarschaft. Außerdem bauen wir 3500 Stellplätze für Fahrräder und wir haben mit allen wichtigen modernen Mobilitätsanbietern Verträge abgeschlossen", zählt Hohlmann auf.

So stellen es sich die Planer und Architekten nach der Eröffnung vor: Westfield Überseequartier Hamburg
So stellen es sich die Planer und Architekten nach der Eröffnung vor: Westfield Überseequartier Hamburg
Foto: Kreaction / URW
Außerdem, so Wiesmann, sei die Shopping-Zone in der Innenstadt zu Fuß keine zehn Minuten entfernt. "Die Wegstrecke könnte natürlich schöner sein, aber ich denke, sie wird mit der Zeit attraktiver werden."

Dass die Strecke von der Innenstadt zum Überseequartier alles andere als einladend ist, findet auch Brigitte Engler, Sprecherin vom City Management Hamburg, zu dessen 830 Mitgliedern übrigens auch bereits URW bzw. das Überseequartier zählt. "Eigentlich ist die Strecke nicht viel weiter als vom Hauptbahnhof bis zum Rathaus, sie hat aber eben viel weniger Augenfutter." Tatsächlich dürfte den Playern in der Innenstadt aber wohl gar nicht so viel daran gelegen sein, die Verbindung deutlich attraktiver zu machen.

Grundsätzlich und langfristig glaubt Engler an einen positiven Impact durch das Überseequartier. "Hamburg wird nach der Eröffnung über ein Einkaufsrevier von der Binnenalster bis zur Elbe verfügen und in der Wahrnehmung von außen einen unglaublichen Auftrieb sowie eine Vergrößerung des Einzugsgebiets erfahren, weil die URW-Projekte für Qualität auf sehr hohem Niveau stehen." Trotzdem rechnet sie auch mit einer "nennenswerten Umverteilung" innerhalb der Stadt. Das Überseequartier bediene sich aus demselben Revier wie der Handel in der Innenstadt, eine bereits vor geraumer Zeit erstellte Studie sehe eine Umverteilung von 9% voraus. "Das ist nicht wenig, zumal wir ja in puncto Umsätze und Frequenzen noch nicht wieder auf dem Niveau von 2019 sind."

Aber sie findet, dass "die schöne Innenstadt mit ihren attraktiven Wasserlagen" gut dasteht und sich positiv entwickelt habe. Am Neuen Wall liefen die Geschäfte schon wieder gut, das Alsterhaus sei nach dem Umbau exzellent aufgestellt und die Projekte Stadthöfe und Alter Wall fertiggestellt. "Außerdem ist durch die vielen Business Improvement Districts in der Innenstadt viel umgebaut und investiert worden." Baustellen habe es in jüngster Zeit also genug gegeben. "Die Baustelle für den barrierefreien Zugang der U3 in der Mönckebergstraße hat die umliegenden Händler lange gequält, aber Ende Mai sind die Arbeiten beendet." Doch dann kommen neue: Gerade wurde die ehemalige Kaufhof-Immobilie in der Mönckebergstraße verkauft. Der Investor Tishman Speyer plant eine Neuentwicklung, bis zur Fertigstellung werden noch Jahre vergehen.

Brigitte Engler, Hamburg Marketing: "Hamburg wird in der Wahrnehmung von außen einen unglaublichen Auftrieb sowie eine Vergrößerung des Einzugsgebiets erfahren. Ich rechne aber auch mit einer nennenswerten Umverteilung innerhalb der Stadt."
Brigitte Engler, Hamburg Marketing: "Hamburg wird in der Wahrnehmung von außen einen unglaublichen Auftrieb sowie eine Vergrößerung des Einzugsgebiets erfahren. Ich rechne aber auch mit einer nennenswerten Umverteilung innerhalb der Stadt."
Foto: Martina van Kann
Auch das Hanseviertel wird neugestaltet. Außerdem hat am Gänsemarkt Signa die Gänsemarktpassage gekauft und will sie umbauen, derzeit steht das Gebäude weitgehend leer. Und in der Mönckebergstraße schließt C&A seine 15.000m² große Filiale wegen einer Sanierung der Immobilie noch diesen Monat. Anschließend wird das Haus umgebaut und künftig zwei Hotels beherbergen, die Handelsfläche wird dafür deutlich verkleinert. Ob C&A wieder einzieht, ist fraglich.

Insgesamt und ganz aktuell laufen die Geschäfte laut Engler wieder recht vielversprechend an. "Auch weil die Urlaubsgäste von Nord- und Ostsee wiederkommen, und der Tourismus allgemein wieder aufdreht." Sie ist überzeugt: "Das Überseequartier wird sich seine Kunden genauso erobern müssen wie die Innenstadthändler, es gibt im Zentrum von Hamburg wenig Wohnbevölkerung. Man muss die Leute motivieren, damit sie sich von außerhalb auf den Weg machen." Die Bezirkszentren hätten sich nach Corona deutlich schneller wieder erholt.

Westfield Überseequartier in Zahlen
  • 1,5 km Luftlinie entfernt von der Innenstadt (Rathaus)
  • geplante Eröffnung: Herbst 2023
  • Gesamtfläche: 419.000m²
  • Grundstück: 67.000m²
  • Handelsfläche: 80.500m²
  • Freizeit/Gastro: 21.000m² (u.a. Kinopolis, Legoland Discovery Centre, Port des Lumières)
  • 48.000m² Bürofläche, 579 Wohnungen, 3 Hotels (insg. 830 Betten)
  • eigenes Kreuzfahrt-Terminal
  • U-Bahn-Station (U4) "Überseequartier"
  • 2500 Auto-Stellplätze, 3500 Fahrradparkplätze
Hamburg ist eine Shopping-Center-Stadt (siehe Tabelle), die Innenstadt an sich steht Berechnungen zufolge gerade mal für ein knappes Fünftel der Handelsumsätze. Von den Centern könnten es laut Engler künftig einige schwerer haben. Zum Beispiel? "Die Hamburger Meile, da fahren viele Leute sicher einfach ein paar Stationen weiter zum Überseequartier."

Engler rechnet mit einer Anlaufzeit von ein bis drei Jahren für den neuen Handelsstandort in der Hafencity. "Er wird sich finden müssen. Es muss sich vor allem zeigen, ob das Überseequartier nicht nur ein Wochenendstandort sein wird. Das wird für die Mieter entscheidend sein, denn die müssen ja auch für den Rest der Woche Miete zahlen." Und ob die Kreuzfahrtschiffe tatsächlich so viel Frequenz bringen, da hat sie so ihre Zweifel.

Zwiespältig betrachtet auch Brigitte Nolte, Leiterin der Geschäftsstelle Hamburg beim Handelsverband Nord, die Lage. Lange hätte sich der Innenstadthandel gegen die große neue Verkaufsfläche im Überseequartier gewehrt. "Das Flächenwachstum in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten war ohnehin hoch und die Situation im stationären Handel ist angespannt, die Konsumstimmung gedämpft." Es gebe Leerstände, einige Flächen in der Stadt seien nicht gut bespielt. Die Händler in der City seien in großer Aufregung ob des großen neuen Mitbewerbers am Hafen. Aber: "Insgesamt ist das Überseequartier natürlich ein faszinierendes Projekt und wird langfristig sicher auf Hamburg als Retail-Destination einzahlen."

Brigitte Nolte, Handelsverband Nord: "Ein ganz wesentlicher Faktor ist die Erreichbarkeit, und die halte ich für schwierig, weil das Center wegen des Wassers von drei Seiten aus nicht erreichbar ist.“
Brigitte Nolte, Handelsverband Nord: "Ein ganz wesentlicher Faktor ist die Erreichbarkeit, und die halte ich für schwierig, weil das Center wegen des Wassers von drei Seiten aus nicht erreichbar ist.“
Foto: Handelsverband Nord
Die Innenstadt stecke in einer schwierigen Phase. Immer noch seien die Touristen nicht wirklich zurück, ihre Zahl liege weiter um die Hälfte hinter dem Vor-Corona-Niveau, so Nolte. Hinzu kommt: Die Gastronomie habe massive Personalprobleme, die zu eingeschränkten Öffnungszeiten führten und sich so auf die gesamte Frequenz auswirkten.

Die Prozesse in Hamburg sind laut Nolte sehr zäh. Schon 2021 hat die Stadt einen Innenstadt-Koordinator angekündigt, der sich um alles in der City kümmern und zwischen den vielen verschiedenen Interessensträgern, die beim Thema Einzelhandel zusammenkommen, vermitteln soll. Immer noch aber sei die Stelle nicht ausgeschrieben. Zwar habe Hamburg das Programm "Freifläche" gegründet, um Zwischenvermietungen und Umbaumaßnahmen zu finanzieren. "Doch in der Innenstadt machen viele Vermieter nicht mit, weil sie sich offenbar eine zügige langfristige Nachvermietung versprechen."

Glaubt Nolte an den Erfolg des Überseequartiers? "Ein ganz wesentlicher Faktor ist die Erreichbarkeit, und die halte ich für schwierig, weil das Center wegen des Wassers von drei Seiten aus nicht erreichbar ist." Und die Kreuzfahrer gingen sicher auch lieber in die Innenstadt als ins Center. "Außerdem darf man deren Kauflust auch nicht überschätzen. Die Ausgaben liegen pro Gast unter 100 Euro, inklusive allem, also auch Gastronomie." Aber: "Der Standort bietet natürlich auch Chancen. Toll, dass ein Unternehmen wie Breuninger den Mut hat und diese Chancen nutzen will."

Alsterhaus-Chefin Alexandra Bagehorn hat keine Angst vor dem neuen Konkurrenten Breuninger im Überseequartier: "Es besteht eine lange Verbundenheit der Hamburger zu ihrem Alsterhaus und dies wird immer so sein."
Alsterhaus-Chefin Alexandra Bagehorn hat keine Angst vor dem neuen Konkurrenten Breuninger im Überseequartier: "Es besteht eine lange Verbundenheit der Hamburger zu ihrem Alsterhaus und dies wird immer so sein."
Foto: The KaDeWe Group
Nicht ganz so toll dürfte man das bei dem bereits existierenden Hamburger Department Store Alsterhaus finden: Seit 110 Jahren thront das zur KaDeWe Group gehörende Flaggschiff am Jungfernstieg, gerade wurde es frisch überholt. Geleitet wird das Haus von General Manager Alexandra Bagehorn. Sie sagt: "Wir begrüßen die große Investition mit dem Westfield Überseequartier sehr, die vor allem den Tourismus und die Frequenzen in Hamburg einmal mehr verstärken wird."

Eine Bedrohung für das Alsterhaus scheint sie durch das Überseequartier und Breuninger aber nicht zu sehen: "Der Jungfernstieg mit seinem ganz besonderen Flair der alten und denkmalgeschützten Gebäude, der Binnenalster, der Atmosphäre rund um die Fleets sowie den besten Hotels steht dabei ganz für sich." Man habe viel in die Neuausrichtung investiert und stehe für ein exklusives Einkaufserlebnis, das alle Sinne unter einem Dach anspricht. "Es besteht eine lange Verbundenheit der Hamburger zu ihrem Alsterhaus und dies wird immer so sein."

Richtig zufrieden mit ihrem Standort am Jungfernstieg ist Bagehorn aber offenbar trotzdem nicht. Man wolle die Verweildauer am Jungfernstieg "mit guten Konzepten erhöhen." Dazu sei man in enger Abstimmung sowohl mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen als auch dem Amt für Landesplanung und Stadtentwicklung. Was die Anbindung des neuen Stadtteils betrifft, sieht die Alsterhaus-Chefin Luft nach oben: "Es ist sehr wichtig, dass das Überseequartier mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut mit der Innenstadt verbunden ist, was heute noch nicht gegeben ist."

Klaus Striebich, RaRE Advise: "Den Deal mit Inditex jetzt zu präsentieren ist sehr schlau. Das könnte die Vermarktung erleichtern und die Bremsen lockern in den Köpfen vieler Retailer und Expansionsmanager. Ob das allerdings reicht, ist fraglich."
Klaus Striebich, RaRE Advise: "Den Deal mit Inditex jetzt zu präsentieren ist sehr schlau. Das könnte die Vermarktung erleichtern und die Bremsen lockern in den Köpfen vieler Retailer und Expansionsmanager. Ob das allerdings reicht, ist fraglich."
Foto: RaRE Advise
Das glaubt auch Shopping-Center-Experte Klaus Striebich. Er war selbst viele Jahre Vermietungschef des URW-Konkurrenten ECE und arbeitet mittlerweile mit seiner eigenen Firma RaRE Advise als Berater an der Schnittstelle zwischen Retail und Immobilien. An einen Austausch zwischen der Innenstadt und Westfield Überseequartier glaubt er nicht. "Die Anbindung ist schlecht, die Anfahrt mit dem Auto schwierig. Der Standort wird stark auf Touristenströme angewiesen sein."

Dass URW aber jetzt den Deal mit Inditex präsentiert, sei "sehr schlau. Das könnte die Vermarktung erleichtern und die Bremsen lockern in den Köpfen vieler Retailer und Expansionsmanager. Ob das allerdings reicht, ist fraglich." Unter dem Kaufkraftabzug durch das Überseequartier sieht er am ehesten die Mönckebergstraße und die Spitalerstraße leiden. "Aber auch Alstertal-Einkaufszentrum, Elbe Einkaufszentrum und Phoenix-Center könnten ein paar Prozentpunkte verlieren. Das klingt wenig, ist aber langfristig schmerzhaft für diese Standorte."

Und was sagen diejenigen, die die Flächen im Center mieten bzw. bespielen sollen, die Einzelhändler? Hört man sich unter ihnen um, herrscht eine Mischung aus Begeisterung für die spektakuläre Dimension des Projekts und Respekt vor der harten Realität des Marktes. Nicht selten fällt der Name Skyline Plaza, ein ECE-Center in einem neuen Stadtteil im Westen von Frankfurt, in dem viele Mieter bis heute nicht glücklich sind.

Ingo Hesse, Deutschlandchef des expansiven holländischen Beauty-Filialisten Rituals, ist einer der wenigen, der sich bereits jetzt offensiv zum Überseequartier bekennt: "Wir sind auf jeden Fall dabei und werden einen für unsere Verhältnisse großen Store eröffnen."

Ansonsten ist die Unentschlossenheit groß. "Ich habe kein gutes Gefühl", sagt der Expansionsmanager einer deutschen Mainstream-Modemarke. "Breuninger und Zara wurden für viel Geld eingekauft und wir sollen jetzt hohe Mieten zahlen, damit die Rechnung für URW aufgeht." Außerdem sei das Center nicht gut angebunden.

Auch der Expansionsmanager eines internationalen Fast Fashion-Konzerns ist skeptisch: "Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass die Schiffe anlegen und die Touristen das Center fluten. Andererseits haben wir mit URW in der Mall of the Netherlands zuletzt super Erfahrungen gemacht. Die machen einen guten Job und wir haben viel Vertrauen in ihre Arbeit."

Die Private Textiles Holding Group aus Bischofswerda ist Deutschlands größter Mode-Franchisenehmer. Expansionsmanager Robert Riedel sagt: "Einige unserer Marken werden hier wohl über eigene Läden verhandeln. Für die anderen Labels wollen wir versuchen, uns ein Bild zu machen und reden deshalb gerade viel mit Leuten aus der Branche und aus Hamburg."

Breuninger-Store im Kö-Bogen, Düsseldorf. Auch in der Rheinmetropole hat das Unternehmen die Handelslandschaft verändert. Der Geschäftsführer eines Modefilialisten meint: "Wenn Breuninger so auftrumpft wie in Düsseldorf, muss sich das Alsterhaus warm anziehen."
Breuninger-Store im Kö-Bogen, Düsseldorf. Auch in der Rheinmetropole hat das Unternehmen die Handelslandschaft verändert. Der Geschäftsführer eines Modefilialisten meint: "Wenn Breuninger so auftrumpft wie in Düsseldorf, muss sich das Alsterhaus warm anziehen."
Foto: Breuninger
Joachim Stock vom Münchner DOB-Filialisten Hallhuber ist sich unsicher. "Ich weiß es noch nicht. Wir lassen uns bei solchen Projekten auf jeden Fall nicht mehr drängen und ziehen nicht um jeden Preis sofort mit." Ein neuer Standort müsse sich einfach rechnen.

"Das wird ein tolles Center mit spektakulärer Architektur. Und Breuninger und Zara sind attraktive Frequenzbringer, aber…", sagt der Geschäftsführer eines internationalen Handelskonzerns. Aber? "Trotzdem spricht viel dagegen: schwierige Anbindung, die Elbe ist eine Barriere, zig andere Center, an denen die Hamburger auf dem Weg dorthin vorbeikommen." Er glaube nicht an "das fantasierende Gerede von den Touristen, die dort auf der Terrasse mit Blick auf die Kreuzfahrtschiffe ihren Cappuccino trinken sollen. Das ist in Hamburg schlichtweg die meiste Zeit des Jahres nicht möglich." Trotzdem beschäftige er sich mit dem Standort und muss sich wohl bald entscheiden: "Wir brauchen eine große Fläche, und dafür muss man sich früh entscheiden, sonst sind die Flächen vergeben."

Das sieht der Inhaber eines Handelsfilialisten anders: "Wir werden auf keinen Fall zu den Erstmietern zählen", sagt er. Für Preise zwischen 30 und 100 Euro pro Quadratmeter habe man ihm Flächen angeboten. "Aber es dauert ja noch eineinhalb Jahre bis zur Eröffnung, bis dahin kann noch so viel passieren." An eine Bedrohung der Innenstadt oder einen Austausch untereinander glaubt er nicht. "Dafür ist die fußläufige Anbindung zu schlecht." Allerdings: "Wenn Breuninger so auftrumpft wie in Düsseldorf, muss sich das Alsterhaus warm anziehen."

Auch er denkt, dass das Überseequartier die Attraktivität der Stadt insgesamt heben könnte. "Das wird ein schönes Ding, schick, attraktiv, ein bisschen wie in London die Canary Wharf. Und drumherum entstehen ja noch jede Menger neuer Bauten, die das Potenzial des Standortes beflügeln könnten." Aber es werde sicher noch ein paar Jahre dauern, bis sich dieses Potenzial entfalten werde. "Und so lange möchte ich nicht auf Umsatz warten." Er ist sich sicher, dass ein, zwei Jahre nach der Eröffnung immer noch bzw. wieder Flächen erhältlich sein werden. "Das reicht dicke", sagt er selbstbewusst. "Für gute Marken ist es nie zu spät."

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