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Wie woke müssen Marken sein? Hilft Haltung? Oder schadet sie? Ein Blick auf aktuelle Kampagnen mit Marianne Heiß, CEO der Werbeagenturgruppe BBDO Group Germany.

Ralph Lauren / Micaiah Carter

Irgendwo ist immer Shitstorm. Davon kann nicht nur der WDR-Kinderchor ein Liedchen singen. Brennende Nike-Schuhe. Aufgebrachte Chinesen, die H&M boykottieren. Das KaDeWe wirbt mit der linken Autorin Hengameh Yaghoobifarah – und alle flippen aus. Tenor: Wie kann das Luxus-Kaufhaus eine "Polizistenhasserin" verherrlichen? Das Unternehmen selbst sieht die Aktion als Ausdruck von Pluralität und Meinungsfreiheit. Was ist passiert? Sind Brands zu unsensibel geworden – oder Konsumenten zu sensibel?

Haltung oder Buzz? Das KaDeWe wirbt mit der linken Autorin Hengameh Yaghoobifarah
Haltung oder Buzz? Das KaDeWe wirbt mit der linken Autorin Hengameh Yaghoobifarah
Foto: Screenshot


Mode und Meinung ist – mit fortschreitender Wokeness, also permanenter Achtsamkeit mit Blick auf Rassismus, Sexismus und Klassismus – ein Thema, bei dem schnell etwas anbrennen kann. Klar, durch Haltung macht man sich verwundbar. Also still sein, neutral, anonym? Und damit austauschbar?

So funktioniert Kommunikation nicht mehr. Im besten Fall soll Werbung gesellschaftlich bedeutsam sein, inklusiv, zur Lösung von Problemen beitragen, propagieren Kommunikationsexperten. Als ein Paradebeispiel gilt heute noch Edeka. Das Unternehmen räumte über Nacht alle ausländischen Produkte aus einem Supermarkt aus und filmte die erstaunten Gesichter der Kunden, um zu zeigen, wie arm wir ohne diese Produkte wären. Ein klares Zeichen gegen Rassismus. Indes kommt Victoria's Secret ohne perfekte Angels aus, Playboy hat erstmals einen Homosexuellen auf dem Cover. Was treibt sie alle an, Flagge zu zeigen?

Brands tun dies nicht aus rein altruistischen Gründen, sondern um selbst relevant zu sein. Schließlich scrollen Heavy User mit dem Daumen täglich über zwei Kilometer Content. Wortwörtlich. Da muss etwas schon wirklich sticky sein, damit angehalten wird. Ob Plastik in den Meeren, Online-Mobbing oder Gender Pay Gap: Die Probleme unserer Zeit beschäftigen die Menschen. Und wenn eine Marke auf kreative Weise versucht, etwas zur Lösung dieser Probleme beizutragen, dann erreicht das die Menschen nicht nur. Es bewegt sie.

Marianne Heiß, 49, ist die erste Frau an der Spitze der Werbeagenturgruppe BBDO Group Germany.
Marianne Heiß, 49, ist die erste Frau an der Spitze der Werbeagenturgruppe BBDO Group Germany.
Foto: BBDO Group Germany
Und genauso bewegt es sie womöglich, wenn Marken nicht wach sind, die Befindlichkeiten ihrer Community ausblenden, weiter in veralteten Rollenbildern denken, zu dünne Models buchen, dafür keinen diversen Cast. Kann ich noch eine Frau im Blümchenkleid zeigen? Berechtigte Frage – es sind anspruchsvolle Zeiten für Werber. Wir haben Marianne Heiß, seit 2019 CEO der Werbeagenturgruppe BBDO Group Germany, gebeten, aktuelle Kampagnen einzukreisen, die was zu sagen haben.
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