Öffentliche Kritik am Affen ("Hallo Fans!"), mit dem Grupp seit vielen Jahren – zeitweise sogar unmittelbar vor der Tagesschau im Ersten – Werbung macht? Ihm doch egal, schließlich erzeugt das Tier Aufmerksamkeit. Sein Dienst-Hubschrauber? Auch (Chef-)Zeit sparen heißt für ihn Geld sparen. Rente mit 65? Kann man machen, muss man aber nicht, solange man sich noch gebraucht fühlt.
Am Empfang in der Trigema-Zentrale: Ein Bild des Werbe-Affen als Dienstleister
Wenn ihm etwas oder jemand gefällt, dann hält er damit nicht hinter dem Berg. So lobte der langjährige CDU-Wähler den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann, der ein grünes Parteibuch besitzt, für seine Politik und wählte ihn nach eigenen Worten sogar.
Die Rolle des Outsiders
Wenn ihn umgekehrt etwas stört oder ärgert, sagt er das genau so offen und poientiert – eine TV-Talkshow mit Grupp wird keine langweilige Talkshow. Manager, die ihrer Verantwortung den Mitarbeitern oder der Gesellschaft gegenüber nicht gerecht werden, machen ihm Blutdruck. Und den lässt er dann vor laufender Kamera raus. Die Rolle des etwas skurrilen Outsiders in der Modebranche, in der Unternehmerschaft schlechthin, macht ihm offensichtlich Spaß.
Er sieht sich auch in diesen Zeiten als den anständigen Kaufmann mit den guten, alten Werten. Und führt das Unternehmen in der Rechtsform des "e. K.", des "eingetragenen Kaufmanns". Damit haftet er mit seinem persönlichen Vermögen – ein Risiko, das nicht mehr allzu viele eingehen. Einer der bekanntesten "e. K." neben ihm war Anton Schlecker – der ehemalige Drogerie-Baron aus dem ebenfalls schwäbischen Ehingen stürzte mit seiner spektakulären Groß-Insolvenz bekanntlich schwer ins Bodenlose.#
Helene Fischer in Burladingen
Am 4. April wird Wolfgang Grupp 80 Jahre alt. Für den Geburtstag lässt er seinen Schreibtisch ein paar Tage lang allein, feiert fernab der Heimat, in Dubai. Er hat ja nichts gegen Feiern, im Gegenteil: Zum 100. Firmenjubiläum im Oktober 2019 hatte er Helene Fischer für ein Konzert für seine dankbare Belegschaft aufs Werksgelände geholt. Das kostete, aber das war es ihm wert.
Jetzt wird etwas kleiner gefeiert, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Und damit quasi dem Epi-Zentrum des Familien-Unternehmens Trigema. Das soll es auch bleiben: Seine Frau Elisabeth hat er bereits als Alleinerbin eingesetzt. Tochter Bonita oder Sohn Wolfgang junior – beide längst im Unternehmen tätig – sollen die Firma übernehmen, aber nur eine oder einer von beiden. Das Geschwisterkind, das leer ausgeht, soll Besitztümer der Mutter bekommen. Grupp spricht erstaunlich offen über solche Themen.
Nur hat er bisher noch nicht verraten, wer ihm denn tatsächlich nachfolgen soll. Können würden es beide, gibt er sich sicher. Der jeweilige Lebenspartner von Bonita oder Wolfgang jun., allerdings, sprach Wolfgang sen., müsse sich schon in Burladingen niederlassen wollen. Sonst werde das nichts mit dem Chefsessel. In manchen Dingen ist Grupp eben sehr konservativ.
Die Nachfolge: Bonita oder Wolfgang?
Nicht einmal, wann denn die Entscheidung fallen soll und die an Prinz Charles erinnernde Dauerwartephase enden soll, hat er bisher nach außen verraten. Notfalls müsse seine Frau das übernehmen, wenn er nicht mehr da sei, hat er mal gesagt.
Bisher jedoch erfreut sich der Trigema-Eigentümer scheinbar bester Gesundheit, zieht jeden Morgen die Bahnen in seinem Pool der Villa gegenüber der Fabrik in Burladingen. Kleine gesundheitliche Schwächen würde er mutmaßlich ohnehin mit Härte gegen sich selbst überspielen.
Zentrum seines Reiches ist seit vielen Jahren ein Großraum-Büro, in dem auch jüngere Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen tätig seien. Kein klassisches Vorzimmer, das den Chef auch mal abschirmen könnte. Herumschwafelnde Gesprächspartner mag er hier gar nicht, er selbst ist in seinen Aussagen klar und verbindlich. Manchmal auch etwas derb, was er dann gern bittet, richtig einzuordnen.
Die Trigema-Zentrale in Burladingen
Das Handy liegt üblicherweise zu Hause, nur auf Reisen ist es dabei. Auch kein Computer findet sich auf dem Chef-Schreibtisch, dafür viele Listen mit Ausdrucken von Performance seiner Waren und Lagerbestände. Der Senior bestimmt selbst, was wann in welchen Mengen im Haus produziert wird. Vor der Entscheidung greift er gern zum Festnetztelefon und ruft in einem seiner sogenannten Test-Geschäfte an, um zu hören, welche Modelle und Farben laufen und welche nicht.
Produzieren, unabhängig von der Nachfrage
Denn produziert wird in aller Regel, bis es nicht mehr geht, notfalls auch unabhängig von der Nachfrage. Auch in Corona-Zeiten ließ Grupp seine Mitarbeiter zu 100 Prozent weiterproduzieren, während viele andere Chefs Kurzarbeit beantragten: Herstellung fürs Lager.
In dem liegen auch jede Menge ungefärbte Stoffballen – so lässt sich schnell auf aktuelle Farb-Nachfrage reagieren. Das bindet zwar fürchterlich viel Geld, sichert aber eine exzellente Lieferbereitschaft. Was sich in Zeiten gestörter Lieferketten schon das eine oder andere Mal ausgezahlt hat.
Gerade in den vergangenen Jahren, als das eigene Online-Geschäft auch bei Trigema stark gewachsen ist: Out of stock ist die absolute Ausnahme. Auch als das Land Baden-Württemberg im schwierigen Jahr 2021 für seine Kampagne "The Länd" einen Produzenten für tausende T-Shirts und Hoodies suchte, konnte Grupp kurzfristig liefern.
"Wir liefern an jeden"
Amazon und Otto sind ohnehin seit langem Trigema-Kunden. Zuletzt fragten auch Lebensmittelketten wie Edeka und Rewe an oder es kamen Multilabelhändler dazu,
Adler, zum Beispiel. Geschäftlich ist der stets akkurat gekleidete Maßanzug-Träger vollkommen uneitel: "Wir liefern an jeden", sagt er. Online-Privatkunde, internationaler E-Commerce-Konzern, Boutique, Multilabeler, Verbraucher- oder Supermarkt – egal.
Für Kunden zu sorgen ist nach seiner Ansicht die vornehmste Aufgabe des Chefs, damit die Mitarbeiter etwas zu tun haben. Und sich ihr Arbeitsplatz in Deutschland rechnet. Mehrfach musste Grupp sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die Suche nach neuen Kunden machen, nachdem langjährige Kooperationen mit den damaligen Warenhaus-Königen, mit Aldi oder Metro beendet wurden. Seit einiger Zeit machen Grupps Test-Geschäfte – eigentlich nichts anders als Outlets – die Hälfte seines Umsatzes aus. Rund 40 gibt es davon, viele an touristisch interessanten Standorten, oft mit anderen Herstellern gemeinsam.
Plus 7 Cent: Die Tankstellen
Und wenn die Kunden schon zu seinen Geschäften außerhalb der Innenstädte fahren, müssen sie ja irgendwann tanken. Auch das können sie bei Grupp vor der Ladentür, mit einem außergewöhnlichen Preissystem: Trigema schlägt 7 Cent auf den Sprit-Einkaufspreis drauf. Wenn der Lastzug leergetankt ist, kommt der nächste und der Preis wird neu berechnet: Auf den neuen Einkaufspreis kommen wieder 7 Cent drauf – es geht wohl eher um Kundenbindung und Marketing als um Gewinn. E-Ladestationen gibt es inzwischen selbstverständlich auch. Und wenn der Autofahrer Glück hat, kann er nach dem Tanken auch gleich noch Wild aus Hobbyjäger Grupps Revier in Österreich kaufen.
Der Umsatz fällt
Die Insel der Seligen ist indes auch Grupps Reich in Burladingen nicht. Im ersten Pandemie-Jahr 2020 hatte es der Chef noch geschafft, durch den frühen Einstieg ins Geschäft mit Stoffmasken – insgesamt verkaufte er 2,3 Millionen Stück – den Umsatz von 104 Mio. Euro auf 122 Mio. Euro zu steigern. Wenig überraschend sank 2021 der Umsatz, nachdem überall FFP2-Masken angesagt waren, die klassische Textilhersteller wie Trigema nicht liefern können, auf knapp 113 Mio. Euro. Über den Gewinn schweigt er sich wie immer aus.
Nicht aber über die steigenden Kosten. Um rund 5% hat er die Preise zuletzt erhöht, viel mehr gehe jedoch nicht. Seine Energiekosten: Statt 100.000 Euro pro Monat hätte er im März rund 900.000 Euro für Gas zahlen müssen, wäre alles unverändert weitergelaufen. Grupp allerdings ließ die beiden eigenen Gasturbinen, die Strom produzieren, nachts abstellen und sparte Nachtschichten ein.
Am Empfang der Trigema-Zentrale: Grupp und Affe in Öl
Für ihn ist es keine Frage, dass Deutschland weiterhin russisches Gas braucht und ein Boykott keine Option sei. Dennoch sorgt er sich über die Kostenexplosion: "Wenn das so weitergeht, müssen wir die Produktion einstellen", wird er in einem Interview zitiert.
Vorstellen mag man sich das nicht so recht. Denn bisher ist Wolfgang Grupp noch immer etwas eingefallen. Das Leben ist ja weder Wunschkonzert, noch Party. Außer vielleicht am Geburtstag.