Christoph Niering: "Die Modebranche hat eh zu kämpfen. Da kann auch ein leichter Abschwung problematisch sein.“
Wegen der Corona-Krise wird es in diesem Jahr voraussichtlich erstmals seit zehn Jahren wieder einen Anstieg der Insolvenzzahlen geben. Das sagte der Vorsitzende des Insolvenzverwalterverbands VID, Christoph Niering, im Gespräch mit der TextilWirtschaft. Der Kölner Rechtsanwalt, der selbst als Insolvenzverwalter tätig ist, erwartet, dass sich die Zahl der hiesigen Insolvenzen im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich erhöht.
Allerdings auf einer relativ niedrigen Basis von 120.000 Insolvenzen im Jahr 2019. „Trotz Krisen wie Brexit gab es in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Rückgang der Insolvenzen“, berichtet Niering. Über den Zeitraum von zehn Jahren habe sich die Zahl sogar halbiert.
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Die aktuelle Schätzung sei aber nur eine Momentaufnahme. Unter anderem, weil es äußerst schwierig sei, vorauszusagen, wie stark die Lieferketten betroffen sind. „Ein bis zwei fehlende Teile können die ganze Produktion stoppen. Außerdem weiß man nicht, wie gut die Läger gefüllt sind“, sagt Niering, der 2009 als Insolvenzverwalter die erste Insolvenz des Kölner Herrenmode-Filialisten Pohland begleitet hat. „Man muss von Tag zu Tag gucken, wie stark sich die Epidemie auswirkt.
Besonders gefährdet seien Unternehmen der Branchen Tourismus, Veranstaltungen und Messen. „Mittelbar betroffen“ seien Transportunternehmen, die infolge des starken Preiswettbewerbs eh schon angeschlagen seien. „Es kann schnell eine Spedition erwischen, weil weniger Umschlag gefragt ist.“
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Der Modehandel gehöre dagegen nicht zu den „Kernrisikobranchen“. Dennoch: „Die Modebranche hat eh zu kämpfen. Da kann auch ein leichter Abschwung problematisch sein.“ Entscheidend sei, wie die Verbraucher auf die Krise reagieren. „Das Frühlingswetter könnte den Händlern viel Freude bereiten. Aber nicht, wenn die Kunden mit angezogener Handbremse unterwegs sind und nur das Nötigste einkaufen. Das könnte in dieser wichtigen Verkaufszeit stark wehtun.“
Weitere Umsatzausfälle erwartet Niering infolge der zahlreichen Messe-Absagen. Diese hätten zuvor Folge, dass es deutlich weniger Messebesucher gebe, die vor oder nach dem Besuch der Branchen-Events die jeweiligen Innenstädte fürs Mode-Shopping aufsuchen.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der VID die vom Koalitionsausschuss beschlossene Vereinfachung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ausdrücklich, mit der die wirtschaftliche Folgen der Corona-Epidemie abgefedert werden sollen. „Wir haben bei der Finanzkrise 2008 gesehen, dass das Kurzarbeitergeld ein wirksames Instrument war, um kurzfristige Umsatzausfälle abzufangen“, erläutert Niering. „Die Maßnahme kann kurzfristige Risiken reduzieren, den Unternehmen dadurch Flexibilität verschaffen und somit drohende Insolvenzen abfedern.“
Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hat am vergangenen Sonntag beschlossen, die Hürden für den Bezug von Kurzarbeitergeld zu senken. Dieses soll künftig schon ausgezahlt werden, wenn nur ein Zehntel der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall betroffen ist. Bislang lag die Schwelle bei einem Drittel der Arbeitnehmer. Auch Leiharbeiter sollen Kurzarbeitergeld erhalten.
Beim Kurzarbeitergeld übernimmt die Bundesagentur für Arbeit 60% des ausgefallenen Nettolohns. Künftig sollen den Arbeitgebern auch die Sozialbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden voll erstattet werden. Bisher waren es nur 50%.
Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll am Mittwoch, 11. März, vom Bundeskabinett beschlossen werden und im April in Kraft treten. Die Verordnungen sollen zunächst bis Ende 2020 gelten.
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