Wie schnell bauen sich die Seiten der größten Online-Mode-Shops auf?

Esprit.de ist deutscher Lade-Meister

Esprit.de
Frontend-Lader: 90% der Seitenaufrufe auf Esprit.de dauern maximal 2,5 Sekunden.
Frontend-Lader: 90% der Seitenaufrufe auf Esprit.de dauern maximal 2,5 Sekunden.

Schnell geladen: Der Online-Shop von Esprit belegt beim E-Fashion-Ladegeschwindigkeits-Ranking den ersten Platz. Es folgen vier Shops der Klingel-Gruppe. Branchengrößen wie Zalando, Bonprix und About You schneiden überraschend schlecht ab.

Im Mai ist es wieder so weit: Dann veröffentlicht Google sein nächstes großes Ranking-Update. Online-Modehändler erfahren dann, wie sich die Kriterien verändert haben, nach denen der Suchmaschinen-Marktführer entscheidet, an welchen Stellen Websites in der organischen Suche von Google gerankt werden.

Für Online-Shop-Betreiber können die Änderungen existenzbedrohende Konsequenzen haben. Schließlich ist die Gefahr groß, dass ihre Angebote auf eine hintere Suchergebnis-Seite abrutschen, wenn sie nicht den neuen Ansprüchen des US-Unternehmens genügen. Ab Mai könnte kriegsentscheidend sein, wie schnell sich die Seiten der Online-Shops aufbauen, da die Ladezeiten im Fokus des Updates stehen werden.

Am besten vorbereitet ist offenbar Esprit. Der Ratinger Modekonzern belegt beim E-Fashion-Ladegeschwindigkeits-Ranking den ersten Platz. Für die Rangliste hat der Hamburger E-Commerce-Dienstleister Baqend im Auftrag der TextilWirtschaft die 50 umsatzstärksten Online-Mode-Shops näher unter die Lupe genommen. Dazu wertete das Spin-off der Universität Hamburg mithilfe des Google-Tools Page Speed Insights innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen den sogenannten Largest Contentful Paint (LCP) der E-Fashion-Angebote aus. Das heißt übersetzt "Größter inhaltlicher Anstrich" und markiert den Punkt im Seitenlade-Prozess, an dem der sichtbare Hauptinhalt der Website geladen wurde.

In der Online-Branche gilt der LCP als zentrale Metrik zur Messung der wahrgenommenen Ladegeschwindigkeit, die über Wohl und Wehe eines Online-Shops entscheidet. „Mit der zunehmenden Verbreitung leistungsstarker Endgeräte und Netze werden die Nutzer immer sensibler für Ladezeiten: Je schneller die Website, desto besser die Customer Experience. Bereits nach drei Sekunden springt Studien zufolge ein Großteil der Kunden ab“, erklärt Baqend-Gründungsgeschäftsführer Felix Gessert. In der Folge verschiebe sich die Erwartung der Kunden permanent nach oben. „Je breiter und besser das Online-Angebot, desto schneller, nervöser und ungehaltener sind die Kunden hinsichtlich der Ladezeiten.“

Baqend-CEO Felix Gessert: „Je breiter und besser das Online-Angebot, desto schneller, nervöser und ungehaltener sind die Kunden hinsichtlich der Ladezeiten.“
Baqend
Baqend-CEO Felix Gessert: „Je breiter und besser das Online-Angebot, desto schneller, nervöser und ungehaltener sind die Kunden hinsichtlich der Ladezeiten.“
Esprit hat diesbezüglich und im Vergleich mit der direkten Konkurrenz offenbar am wenigsten zu befürchten. 90% der Seitenaufrufe auf Esprit.de dauern maximal 2,5 Sekunden. Bei 7% sind es 2,5 bis 4 Sekunden. Und für lediglich 3% der Seitenaufrufe müssen sich die Shop-Besucher mehr als 4 Sekunden gedulden (siehe Grafik). Es folgen vier Shops, die zur Pforzheimer Versendergruppe Klingel gehören: Wenz, Happy Size, Alba Moda und Mona. In der zweiten Hälfte der Top Ten befinden sich die Otto Group-Tochter Sheego, der Modefilialist Ernsting's Family, der Textil-Discounter Kik, die Otto Group-Tochter Heine und der Berliner Online-Modehändler Zalando.

Dass es Zalando nur auf den zehnten Platz schaffte, überrascht insofern, als der DAX-Aspirant mit Abstand der größte Online-Modehändler Deutschlands ist. Zudem sind die Hauptstädter technisch normalerweise ganz weit vorn. Und dank überdurchschnittlicher Renditen finanziell gut ausgestattet.


Eine Konzernsprecherin begründet die relativ lange Ladezeit mit der starken Personalisierung des Online-Shops: "Jeder Zalando-Kunde sieht eine eigene, dynamische Startseite, die bei jedem Besuch neu geladen und demnach nicht im Cache gespeichert wird. Das unterscheidet den Zalando-Shop beispielsweise von statischen Seiten, die weniger Zeit zum Laden benötigen." Das Technologie-Team prüfe und optimiere die Seitenlade-Zeiten aber kontinuierlich.

Ähnlich verhält es sich bei den Otto Group-Töchtern Bonprix (19) und About You (39), die beim letztjährigen E-Fashion-Ranking des EHI Retail Institute die Plätze zwei und drei belegten. Lade-Meister Esprit landete mit einem Umsatz von 251,5 Mio. Euro auf Platz 6.

Bonprix: Relaunch soll die Lade-Wende bringen

Bonprix beteuert auf Anfrage, dass das Ladezeiten-Manko nur vorübergehend sei. "Wir optimieren derzeit unsere E-Commerce-Architektur und werden in den kommenden Monaten mit einem neuen modernen Online-Shop live gehen", erklärt Karsten Uhlig, der bei dem Hamburger Modeversender die Bereiche Digital Product and Technology leitet.

Seinen Angaben zufolge ist die Verbesserung der Ladegeschwindigkeit ein "wesentliches Architekturziel" des Relaunches und generell ein "Primärziel" des Unternehmens, um das Shopping-Erlebnis zu verbessern. Nach Abschluss der Modernisierung werde Bonprix aber wieder mit "deutlich schnelleren Ladezeiten punkten".
So können Sie die Ladezeiten reduzieren
  • Verwenden Sie moderne Netzwerkstandards (HTTP/2)! Das HTTP/2- Netzwerkprotokoll erlaubt eine schnellere Übertragung von Daten über das Internet.
  • Optimieren Sie das HTTP Caching! Durch eine moderne Caching-Strategie können viele Inhalte zwischengespeichert und beschleunigt ausgeliefert werden.
  • Optimieren Sie Bilder in Größe und Dateiformat! Bilder sollten nur so groß ausgeliefert werden, wie es das Gerät des Nutzers tatsächlich benötigt.
  • Komprimieren Sie Texte und Bilder! Moderne Kompressionsverfahren können wertvolle Bandbreite bei der Übertragung einsparen.
  • Reduzieren Sie Netzwerklatenzen! Mithilfe von verteilten Cloud-Infrastrukturen können Verzögerungen bei der Datenübertragung vermieden werden.
  • Schöpfen Sie ungenutzte Potenziale modernster Browser-Technologie aus! Progressive Web Apps liefern nützliche Funktionen wie einen Offline-Modus und optimiertes Browser-Caching.
Laut Baqend lassen sich die konkreten Gründe für unzureichende Ladezeiten nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. So könnten beispielsweise zu lange Antwortzeiten der Dateninfrastruktur, unnötige Verzögerungen auf Netzwerkebene oder ein nicht optimaler Aufbau der Webseite im Browser des Nutzers die Gründe für Performance-Probleme sein.

 Baqend-Marketingchef Stefan Puriss: "Die Ladezeiten sind ein zunehmend wichtiger Effizienz-Hebel."
Stefan Puriss
Baqend-Marketingchef Stefan Puriss: "Die Ladezeiten sind ein zunehmend wichtiger Effizienz-Hebel."
Diese hätten erhebliche Folgen für das Online-Marketing eines Online-Händlers: „Suchmaschinen-Optimierung, also unbezahlte organische Reichweite, ist für Handelsunternehmen hinsichtlich der Balance ihrer Werbekosten und damit des Geschäftsmodells von entscheidender Bedeutung“, erklärt der Baqend-Marketingchef Stefan Puriss, der vielen in der Branche noch durch seine elfjährige Tätigkeit als CEO des Streetwear-Online-Händler Frontlineshop bekannt ist.

Wenn nun Shop-Betreiber zu wenig Wert auf ihre Ladezeiten legen, so Puriss, laufen sie Gefahr, bei Google schlechter gefunden zu werden. Das ist dem E-Commerce-Experten zufolge fatal, weil bei den meisten Online-Händlern der Großteil des Marketingmixes aus Suchmaschinen-Optimierung (SEO) bestehe. "Da die meisten Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer Frequenz von Google abhängig sind, schlagen Veränderungen der Ladezeiten-Bewertung im SEO-Algorithmus von Google auf drastische Art und Weise ein."

Darüber hinaus hätten verschiedene Studien und Veröffentlichungen hinreichend belegt, dass die Ladezeiten einen großen Einfluss auf die Optimierung verschiedenster Key Performance Indicators (KPI) haben, zum Beispiel die Absprungrate, die Größe des Warenkorbes sowie die Konversionsrate. „Hier liegt ein zunehmend wichtiger Effizienz-Hebel“, betont Puriss.


Was also tun? Baqend-CEO Gessert rät den Online-Händlern, ihre Hausaufgaben im Front- und Backend zu erledigen. Auf der Präsentationsebene (Frontend) müssten die Betreiber etwa dafür sorgen, dass die Bilder die richtige Größe haben und für alle Endgeräte optimiert sind. Auf Software-Ebene (Backend) sei es unter anderem wichtig, die Antwortzeiten zu beschleunigen und sowohl die Suche als auch die Personalisierungsfunktionen zu optimieren.

Ein Aufwand, der sich offenbar lohnt: „An Ladezeiten hängen enorme Umsätze“, erklärt der Baqend-Chef. „Amazon hat zum Beispiel gemessen, dass eine um 100 Millisekunden gesteigerte Wartezeit den Umsatz um ein Prozent zurückgehen lässt.“

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    Zalando
    "Als Starting Point for Fashion wollen wir unseren mehr als 35 Millionen aktiven Kundin*innen das beste Einkaufserlebnis bieten. Unser Fashion Store bildet dabei einen wichtigen Touchpoint zwischen unseren Kund:innen, Markenpartner:nnen und Händler:innen sowie den mehr als 650.000 Artikeln in unserem Sortiment. Daher setzen wir auf ein möglichst individuelles Einkaufserlebnis. Auch die Ladegeschwindigkeit der Seite spielt dabei selbstverständlich eine Rolle. 

    Jeder Zalando-Kunde sieht eine eigene, dynamische Startseite, die bei jedem Besuch neu geladen und demnach nicht im Cache gespeichert wird. Das unterscheidet den Zalando Shop beispielsweise von statischen Seiten, die weniger Zeit zum Laden benötigen. Unsere Technologie-Teams prüfen und optimieren die Seitenladezeiten kontinuierlich."

    Karsten Uhlig, Bereichsleiter Digital Product and Technology bei Bonprix:
    "Bonprix optimiert derzeit seine E-Commerce-Architektur und wird in den kommenden Monaten mit einem neuen modernen Webshop live gehen. Ein wesentliches Architekturziel ist hierbei auch die Verbesserung der Ladegeschwindigkeit. In der Migrationsphase werden aktuell keine Optimierungen mehr an der alten Welt vorgenommen. Daher ist es erwartungskonform, dass Bonprix hier im Ranking zurückgefallen ist. Nach Abschluss der Modernisierung wird Bonprix wieder mit deutlich schnelleren Ladezeiten punkten. Die Ladegeschwindigkeit ist weiter ein Primärziel Bonprix, um ein tolles Shoppingerlebnis für unsere Kund:innen zu schaffen."

    About You
    "Prinzipiell finden wir die Auswertung der Seiten-Ladegeschwindigkeit für First-Hits auf eine Seite mittels des Page Speed Test von Google sinnvoll und beziehen das in unsere Performance Optimierung ein.

    Um eine detaillierte Aussage zu der Geschwindigkeit einer Web-Application tätigen zu können, nutzen wir intern jedoch andere Tools, um bei einer Isomorphic Javascript-basierten Applikation die verschiedenen States und Geschwindigkeiten für den Endkunden zu bewerten. Wir optimieren jeden Page Type und URL nach Business Impact und Anzahl der Aufrufe. Daher ist es möglich, dass sich die einzelnen Seiten-Typen im Testergebnis deutlich unterscheiden. Zudem setzen wir hier u.a. Technologien wie Service-Worker ein, die den Seitenaufruf nach dem ersten Besuch deutlich verbessern - dies wird unserer Einschätzung nach nicht über den Pagespeed Test von Google abgedeckt. 

    Darüber hinaus optimieren wir neben dem reinen First Hit auch die Folge-Aktionen (bei denen der State von einer Server-Side-Rendered Application in eine Client-Side-Rendered Application wechselt). Das ist ebenfalls nicht sichtbar über das Tool von Google."




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