Seit dem Ende des Shutdowns sind österreichische Highstreets wie die Wiener Favoritenstraße wieder gut gefüllt. Im benachbarten Bayern lösen diese Bilder Beklemmungen aus.
In Österreich hat der Non Food-Handel nach dem sechswöchigen Shutdown wieder aufgesperrt. Der Handelsverband zieht eine positive Zwischenbilanz.
Die Winterware stapelt sich in den Geschäften. Vor allem Mode-, Schuh- und Sportartikelhändler, aber auch Möbelketten wollen mit hohen Rabatten die Kunden in die Geschäfte locken. Am ersten Tag schien dies zu gelingen: Zumindest in den Wiener Einkaufsstraßen herrschte reges Treiben. In den sozialen Medien gab es zahlreiche Bilder von langen Schlangen vor Geschäften.
Wiens größte Einkaufsmeile, die Mariahilfer Straße, war sehr gut besucht. Kundenschlangen bildeten sich vor manchen internationalen Mode- und Schuhketten. Den größten Andrang gab es bei der US-Kaufhauskette TK Maxx: Mehr als 100 Personen warteten vor der Filiale auf Einlass. Bei vielen anderen Händlern mussten Einkaufswillige nicht auf Einlass warten. Unterm Strich war im Wiener Modehandel in etwa doppelt so viel los wie an einem normalen Montag. In die Hände spielt dem Modehandel das Wetter mit Minustemperaturen im ganzen Land. "Aufgeholt werden kann das Verlorene aber nicht mehr", sagt Margarete Gumprecht, Handelsobfrau der Wirtschaftskammer Wien.
"Wir sind mit dem heutigen Geschäftsstart zufrieden", erklärte Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme an diesem Montag. "Auffällig ist, dass die Warenkörbe weit größer sind als üblich." Ein großer Modefilialist berichtete gegenüber der Textilzeitung, die wie die TextilWirtschaft zur dfv Mediengruppe gehört, von dreimal so hohen Umsätzen wie am vergleichbaren Montag des Vorjahres.
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"Vorbildliche Kunden"
Aufgrund der verschärften Abstands- und Zutrittsregeln (zwei Meter Abstand bzw. 20m² pro Kunde) bildeten sich immer wieder Kundenschlangen vor einzelnen Geschäften. Trotzdem verlief alles ruhig und sicher, heißt es beim Handelsverband. "Etwaige Wartezeiten werden von den Kunden generell geduldig und unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorgaben gut angenommen. Die Konsumenten sind sehr diszipliniert, unaufgeregt und agieren vorbildlich", berichtet Will.
Wenig Andrang in Tourismusregionen
Sowohl aus Wien als auch aus den meisten Bundesländern melden die Händler und Shopping-Center-Betreiber einen guten Betrieb, überdurchschnittliche Umsatzzahlen und viele Schnäppchenjäger. Einige Bezirkshauptstädte hatten jedoch im Vorfeld höhere Frequenzen erwartet. Weniger Andrang verzeichnen die Händler in den Tourismusregionen von Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Dort macht sich das Fehlen ausländischer Gäste weiterhin klar in den Geschäftszahlen bemerkbar.
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Die rechtlichen Rahmenbedingungen
Neben den erwähnten verschärften Abstandsregeln müssen Kunden im Handel nun mindestens eine FFP2-Maske tragen. Für Mitarbeiter mit Kundenkontakt genügt ein eng anliegender Mund-Nasen-Schutz. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, spätestens alle sieben Tage einen negativen Coronatest vorzuweisen.
Dieser darf laut dem neuen General-Kollektivvertrag in der Arbeitszeit stattfinden. Dabei muss der Arbeitgeber die aufgewendete Zeit inklusive Wegzeit als Arbeitszeit bezahlen. Kommt eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer der Testverpflichtung nicht nach, besteht eine Pflicht eine FFP2-Maske zu tragen. Ausnahmen gibt es etwa für schwangere Arbeitnehmerinnen.
Es gelten nur die Ergebnisse von offiziellen PCR- oder Antigen-Tests, Selbsttests inklusive Schultests sind laut Gesundheitsministerium nicht gültig. Umgekehrt gilt: Legt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ein negatives Corona-Testergebnis vor, kann der Arbeitgeber nicht auf dem Tragen einer FFP2-Maske bestehen. In diesem Fall genügt ein Mund-Nasen-Schutz.
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Im neuen Generalkollektivvertrag ist darüber hinaus auch eine Maskentragepause von zehn Minuten nach drei Stunden Tragezeit vorgesehen. Während dieser Zeit können andere Arbeiten ohne Kundenkontakt erledigt werden. Diese Unterbrechung gilt als Arbeitszeit, wenn nicht gleichzeitig unbezahlte Unterbrechungen wie die Mittagspause stattfinden.
Abgesehen von diesen Neuerungen sind weiterhin die bisherigen Beschränkungen in Kraft. So dürfen etwa nach wie vor in den Geschäften keine Speisen oder Getränke ausgegeben bzw. konsumiert werden. Die Abendöffnung ist auf 19 Uhr beschränkt.
"Gehen in Ware unter"
Der Handelsobmann der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Rainer Trefelik, verteidigte im Vorfeld die massiven Rabattaktionen. Besonders der Modebereich gehe "in Ware unter", sagte Trefelik. "Da braucht sich keiner aufregen, dass wir mit Rabatten arbeiten." Viele Händler müssten Teile ihres Sortiments nach dem seit Weihnachten andauernden Shutdown mit hohen Preisnachlässen abverkaufen, um wieder Geld in die Kassen zu spülen. "Jetzt wird es ohne Rabatte nicht gehen."
Für den WKÖ-Handelsobmann ist die Öffnung aber nur "ein erster Hoffnungsschimmer". Schließlich wird das Geschäft weiterhin durch die Hygieneeinschränkungen und die zumindest bis Ende Februar gesperrte Gastronomie beeinträchtigt. Handelsverband-Geschäftsführer Will erwartet deshalb, dass im "Lockdown light" dem Handel noch zwischen 250 und 300 Mio. Euro Umsatz wöchentlich verloren gehen. Nur ein Teil dieser Umsatzverluste könne nachgeholt werden. Vieles verlagere sich in den Online-Handel oder gehe ganz verloren.
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Zurückhaltend äußert sich auch Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Geschlossene Gastronomie und Maskentragepflicht würden sich negativ auf Kauferlebnis, Verweildauer und Ausgaben auswirken, sagt der Handelsexperte. Zudem würden die hohe Sparquote, hohe Arbeitslosigkeit und die allgemeine Verunsicherung der Konsumenten eher gegen allzu große Nachziehkäufe sprechen.
Kritik an der Öffnung
Nicht alle halten die Öffnungen für den richtigen Schritt. Sorgen bereitet derzeit bekanntlich vor allem die Ausbreitung der südafrikanischen und britischen Coronavirus-Mutationen in Österreich. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sieht die Lockerungen angesichts hoher Infektions- und der niedrigen Impfzahlen als "großes Risiko".
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Auch die in Bayern regierende CSU kritisiert die Lockerungen. "Österreich und Tschechien gefährden mit ihrer unverantwortlichen Öffnungspolitik unsere Erfolge in Deutschland", kritisierte CSU-Generalsekretär Markus Blume in der Bild am Sonntag. Zuvor hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor einer "überstürzten Lockerung" in Österreich gewarnt.
Der Handel selbst versucht naturgemäß, etwaige Bedenken, die Wiedereröffnung der Geschäfte könnte die Corona-Fallzahlen nach oben treiben, zu zerstreuen. Diese Gefahr sei mittlerweile durch mehrere wissenschaftliche Studien entkräftet worden, sagt etwa Rainer Will. "Der Handel ist kein Corona-Hotspot. Dafür sind die Aufenthaltsdauern zu gering und der Kundenkontakt zu lose. Auch in den Untersuchungen der AGES konnte keine Clusterbildung in den Geschäften nachgewiesen werden."
Handel leidet am meisten
Daher hoffe der heimische Handel auf eine dauerhafte Öffnung, da viele Händler einen vierten harten Lockdown wirtschaftlich nicht überleben würden. "In keiner anderen Branche ist der wirtschaftliche Schaden so hoch zu beziffern wie im Handel. Daher verliert das Finanzministerium auch in keinem anderen Wirtschaftssektor mehr Mehrwertsteuer-Einnahmen als im Handel", konstatiert Will.
Allein im Handel seien die Arbeitslosenzahlen coronabedingt um ein Drittel angestiegen. 10.000 Handelsunternehmen seien de facto zahlungsunfähig, 100.000 Jobs würden wackeln. "Das Motto für 2021 für die heimischen Betriebe heißt: Leben und Wirtschaften mit dem Virus, denn Corona wird uns noch länger begleiten und wir müssen die ökonomischen, sozialen und psychischen Kollateralschäden der Gesundheitskrise eindämmen."
Lesen Sie dazu auch: Dieser Text erschien zuerst auf www.textilzeitung.at.