Panorama-Chef Jörg Wichmann

„Die Messen in der alten Form sind tot”


Panorama Berlin
Jörg Wichmann: "Es zeigt sich immer mehr, dass die Messen in der alten Form tot sind. Aber es gibt den Wunsch, sich zu treffen."
Jörg Wichmann: "Es zeigt sich immer mehr, dass die Messen in der alten Form tot sind. Aber es gibt den Wunsch, sich zu treffen."

Berlin konzentriert sich. Fokussierung ist das Schlagwort der Messeveranstaltungen zur kommenden Fashion Week ab 1. Juli. Wie wird das konkret aussehen? Die TW hat mit den Machern der wichtigsten Messen gesprochen.

 
TextilWirtschaft:
Wann wird es die große gemeinsame Plattform zur Berlin Fashion Week geben?
Jörg Wichmann: Das kann ich noch nicht sagen. Die Gespräche mit allen Protagonisten – mit Premium und Neonyt laufen auf Hochtouren. Alle sind offen, alle wissen, dass die Zeit drängt, dass der Markt, die Händler und Hersteller einen gemeinsamen Auftritt mit einem neuen Format wollen und brauchen. Das ist ein Prozess, ein langer Weg zu einem neuen gemeinsamen Infotainment- und Lifestyle-Format. Außerdem ist die Location-Suche schwierig. Weil Tempelhof vor einer großen Sanierung steht und uns zum heutigen Zeitpunkt leider keine Gesamtfläche mit Planungssicherheit angeboten werden kann.

Eigentlich wäre ja auf dem Messegelände unter dem Funkturm genug Platz: Statt der elf Hallen, die Panorama noch im Sommer 2018 bespielt hat, werden es jetzt nur noch sechs sein. Was ist passiert?
Wir hatten in der Vergangenheit teilweise riesige Stände, bei Brands wie Oui herrschte da gähnende Leere, drei Tage lang. Das ging so nicht weiter. Jetzt sind wir konzentrierter und kompakter, wie der Markt insgesamt. Wir haben die Stände auf die Message verkleinert. Diese Verknappung hat schon im Januar den Ausstellern und Händlern gefallen. Es zeigt sich immer mehr, dass die Messen in der alten Form tot sind. Aber es gibt den Wunsch, sich zu treffen.

Gibt es ähnlich große Abgänge wie in den vergangenen Jahren?
Die Ausstellerzahl bleibt mit 600 in etwa konstant. Es ist natürlich zu spüren, dass die Marken zwischen den Messen springen. Das bestätigt, dass eine gemeinsame Plattform wichtig und sinnvoll ist. Das wäre ein starkes Signal in den Markt, europaweit. Und im Sinne der Einkäufer, die nicht so viel Zeit haben durch ganz Berlin zu reisen. Aus diesem Servicegedanken heraus haben wir in den vergangenen Saisons unsere Plattform ständig umstrukturiert und den Wünschen des Marktes angepasst. Wir wollen Brainfood to go bieten - wie wir es nennen.

Wie wird das Brainfood dieser Panorama aussehen?
Wir haben natürlich wieder viele neue Ideen umgesetzt, um keine klassische Messe, sondern eine innovative ganzheitliche Veranstaltung zu bieten, die dem Handel in diesen Zeiten der Umbrüche Content bietet.

Wie ist die Idee des Concept-Stores, den Ihr in den vergangenen Tagen mit dem Newsletter beworben habt, angekommen?
Es gab eine sehr rege Nachfrage. Wir haben dafür sogar eine längere Warteliste. Das Konzept ist sehr marktnah, weil es auf meiner Erfahrung als Einzelhändler basiert. Vorbild ist mein Laden Berlinomat, der 2006 vom HDE als Store des Jahres ausgezeichnet wurde. Das war ein klares Konzept, mit einem Fokus auf regionale Produkte aus allen Bereichen. Fashion, Food, Home und Living. In ähnlicher Form wollen wir jetzt in den Hallen den Segmenten entsprechend Angebote bündeln und kuratieren, um den Händlern zu zeigen, welche Waren aus den Bereichen Food und Nonfood harmonieren.

Wie viele Concept-Stores wird es geben?
In jeder Halle wird es passend zum Segment von DOB über HAKA bis Streetwear und Nachhaltigkeit rund um die Community-Fläche in der Mitte einen 200 bis 400m² großen Concept-Store geben als zentrales Element, auf dem sich bis zu 20 Marken, darunter auch interessante neue skandinavische Labels präsentieren können.

Wer kuratiert, gestaltet und betreut diese Flächen?
Das macht zum Teil unser Team, aber auch Vertreter der einzelnen Brands werden auf den Flächen stehen. Es gibt ja nicht nur Newcomer, sondern viele Aussteller nutzen die Chance und präsentieren sich mit eigenen Ständen und im Concept Store.

Wie wird der ebenfalls neu angekündigte Bereich Anlassmode, der in Halle 7 geplant war, aussehen?
Da war das Feedback leider nicht ganz so groß wie erwartet. Vielleicht war auch die Vorlaufzeit von der Ankündigung im Mai bis jetzt zu kurz. Das Konzept liegt erstmal auf Eis, ist aber nicht vom Tisch. Denn hier sehen wir nach wie vor Bedarf.

Wer zieht stattdessen in die etwas abgelegene Halle 7? Die Xoom-Aussteller waren ja dort beim letzten Mal unzufrieden.
Ja, das haben wir auch mit den Verantwortlichen der Messe Berlin diskutiert und uns entschlossen, diese Halle jetzt nicht mehr zu bespielen. Die Xoom zieht stattdessen in Halle 5. Außerdem werden dort die Lectures stattfinden – auch das wird den Traffic für das immer wichtiger werdende nachhaltige Segment erhöhen.

Damit wird sich die Xoom verkleinern?
Die Fläche wird insgesamt etwas kleiner. Auch hier werden wir konzentrierter und kompakter. Aber viele dieser Brands hatten auch ein großes Interesse am Concept Store in der Mitte, in dem wir zeigen, wie das Thema Nachhaltigkeit zeitgemäß umgesetzt werden kann. Insgesamt haben wir dort mehr als 60 Aussteller. Das sind fast genauso viele wie im Januar. Außerdem sind einige geswitcht zur Selvedge Run, die mit diesem Segment ja traditionsgemäß viele Überschneidungen hat.

Wie wird die Selvedge Run diesmal integriert?
Da die Resonanz im Januar ja sehr gut war, haben wir hier nicht viel geändert. Es wird wieder diese Marktplatz-Atmosphäre geben im ExpoCenter City, Eingang Süd. Dort werden sich 80 bis 90 Brands präsentieren, darunter Namen wie Indigofera, Krammer&Stoudt, Fullcount, Novesta, Franz Gustav, Gorouta.

Was wird außerdem neu sein im Juli?
Ganz neu wird ein Mischformat in Halle 6, in dem wir erstmals die Bereiche Resale und Vintage integrieren wollen. Dort werden sich Online-Anbieter präsentieren, die stationär Fuß fassen wollen und auch Sofort-Kauf-Themen anbieten.

Das sind doch Themen, die eher Verbraucher interessieren.
Aber das sind auch zeitgemäße Themen, die der traditionelle Handel im Blick haben sollte. Die Zeiten ändern sich und damit ändern auch wir unser Portfolio. Und wir denken auch nach wie vor über eine Öffnung nach. Was wir brauchen, sind Multiplikatoren, die den Endverbraucher erreichen und die Messages der Aussteller transportieren. Und dafür brauchen wir auch unsere große, gemeinsame Plattform.

stats