"Keine Mission, sondern Information"

Stefanie Sumfleth, VP Corporate Responsibility & Technical Product, Bonprix: "Die Kommunikation zum Endverbraucher ist eine Herausforderung. Bislang kommunizieren wir eher technisch, viel über Siegel. Das ändern wir jetzt, stellen eher Geschichten und Emotionen in den Vordergrund. Das darf allerdings nicht zu Lasten der Substanz gehen."

Mirela Slowik, Category Leader Isko: "Natürlich nutzen wir Zertifikate, denn eine Überprüfung durch Dritte ist für uns wichtig. Und wir machen unsere Hausaufgaben: Als Tier 2-Lieferanten sind wir dafür verantwortlich, dass Tier 1 ein Produkt hat, das so nachhaltig wie möglich ist. Dabei prüfen wir auch unsere Vorstufen."

Jens Cornelsen, Managing Partner Livblu: "Aufklärung über Nachhaltigkeit sollte keine Mission sein, sondern Information. Ich glaube, die Mehrheit in Deutschland hat ein latent positives Bewusstsein für Nachhaltigkeit, lebt es aber noch nicht aus. Es gibt Möglichkeiten, diese Barrieren zu überwinden. Ich bin davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit am POS viel stärker als Story aufgebaut werden muss, damit das Argument im Augenblick des Kaufs stärker positioniert ist. Im Moment ist der Preis aus Sicht der Kunden der einzige valide Maßstab."

Prof. Monika Eigenstetter: "Recycling wird nicht alle Probleme lösen. Darüber sollten wir erst nachdenken, wenn alles andere ausgereizt ist, sprich: Gebrauch, Bedarf, Reparatur, Teilen, Weiternutzung, Aufbereitung."

Gernot Lenz, CEO Tom Tailor: "Eine offene und transparente Kommunikation nach innen und nach außen ist extrem wichtig. Eine, die auch Erfolge feiert. Wir sollten Greenwashing nicht als permanente Gefahr sehen."

Thekla Wilkening, Beraterin: "Gehen Sie in der Kommunikation mutiger raus! Seien Sie konkret, nennen Sie Zahlen. Sonst ist alles einfach weichgespült."

Georg Dieners, Generalsekretär Oeko-Tex: "Das Problem beim Lieferkettengesetz ist nicht das Gesetz selbst, sondern dass die Unternehmen diese Verantwortung gar nicht übernehmen können. Die sind mit so einer Risikoanalyse völlig überfordert. Da können Zertifizierer zumindest eine Guidance geben."

Katharina Schaus, it fits - Organic Textile Partner & GOTS-approved Consultant: "Ich würde nicht von einem Siegel-Dschungel sprechen, sondern von einer Siegel-Landschaft. Es kann kein Siegel geben, das alles kann. Vieles wird aber vermischt. Mich irritieren zum Beispiel Better Cotton- oder Fair Wear Foundation-Auszeichnungen am Produkt. Das sind keine Produktzertifikate."

Walter Thomsen, CEO Soex Group: "Monomaterialien und weniger komplexe Gemische lassen unsere Recycling-Herzen höher schlagen. Dafür braucht es maximale Transparenz und einen 360-Grad-Blick auf das gesamte Business."

Georg Stehschuster, ITA Augsburg: "In unserem neu eröffneten Recycling-Atelier wollen wir möglichst viel lernen. Wir wissen zum Beispiel heute noch nicht, wie man Baumwolle fürs Recycling am besten sortiert. Macht es Sinn, lang- und kurzstapelige Baumwolle getrennt zu recyceln? Oder kann man das mischen?"

Oliver Spies, Mitgründer Langbrett: "Seit Anfang Februar gibt es in Frankreich eine gesetzliche Rücknahme-Verpflichtung. Und seitdem wird da massiv in Rücknahme-Systeme investiert. Ich hoffe, dass so etwas hier auch bald kommt."

Ansgar Lohmann, Division Manager CSR, Kik: "Ich komme gerade aus Bangladesch. Und das Bild, das sich uns dort geboten hat, ist leider relativ ernüchternd, CSR-Standards wurden zurückgefahren. Wir hoffen natürlich, dass sich das jetzt wieder verbessert. Aber auf das Lieferkettengesetz zum Beispiel sind die Fabriken noch gar nicht vorbereitet."

Martin Böschen, CEO Texaid: "Wir entsorgen Bekleidung meistens vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer. In Deutschland werden derzeit nur 7 bis 8% der abgegebenen Bekleidung tatsächlich weitergetragen. Damit sich das ändert, brauchen wir ein neues Bewusstsein. Aber das kommt. Vor einigen Jahren war das noch ein reines Preisthema, aber allmählich kommen auch immer mehr Menschen aus Nachhaltigkeitsgründen in unsere Läden."

Nico Kemmler, Head of Corporate Responsibility, Seidensticker: "Wir waren kritisch, was ein nationales Lieferkettengesetz angeht. Das Gesetz wird nicht halten können, was es verspricht. Denn der Einfluss, den wir nehmen können, ist begrenzt. Dass es jetzt da ist, ist allerdings kein Drama. Für unser Unternehmen vielleicht sogar ein Wettbewerbsvorteil, da wir mit unserer Produktion mittlerweile schon viel vorweisen können."

Cécile Wickmann, Gründerin und CCO Rebelle: "Nachhaltigkeit ist mittlerweile der Key Treiber im hochpreisigen Segment. Das neue Statement Piece muss nachhaltig sein."

Jürgen Janssen, Textilbündnis: "Wirkliche Fortschritte in den Produktionsländern können nur alle gemeinsam schaffen. Wir brauchen mehr Organisation vor Ort. Nur gemeinsam haben wir einen großen Hebel für wirksame Veränderungen."

"Viele, die hier sitzen, arbeiten für Firmen, die nicht mit der Idee von Nachhaltigkeit entwickelt wurden, sondern als traditionelle Textilunternehmen jahrzehntelang erfolgreich waren", so Andreas Streubig, SVP Global Corporate Responsibility & Public Affairs bei Hugo Boss. "Und deswegen hat Nachhaltigkeit oft mit Transformation zu tun." Sein Chef Daniel Grieder sei angetreten, um Hugo Boss zu Wachstum und zu Rentabilität zu führen. Streubig nennt vier Gründe, warum das mit Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen müsse – bei allen Herausforderungen. "Die Verbraucher fordern es – vor allem die jüngeren. Natürlich gibt es da einen Gap zwischen Anspruch und Handeln, der Mensch handelt nicht immer konsistent. Aber diese Erwartungen müssen wir auf dem Schirm haben und auch bedienen." Zweitens: Regierungen. "Was wir bis jetzt an staatlicher Regulierung gesehen haben, war nur ein Vorbote für das, was noch kommt." Drittens: Kapitalmarkt. Investoren wollen es immer genauer wissen. "Denn Nachhaltigkeit ist ein Zeichen für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen." Viertens: die Zivilgesellschaft, zum Beispiel NGOs. Oft unangenehm, aber wichtig: "Wenn die etwas anmahnen, kommt es meistens zu einer Verbesserung."