Denn die Konsequenzen der wirtschaftlichen Lähmung zwingt schon jetzt immer mehr Unternehmen in die Knie und die Prognosen der Ökonomen sind düster. Eine Studie des Centre for Economics and Business Research (CEBR) schätzt, dass die Wirtschaftsleistung Großbritanniens seit der Ausgangssperre um 31,3 % zurückgegangen ist und der Coronavirus-Lockdown die Wirtschaft jeden Tag 2,4 Mrd. Pfund (2,8 Mrd. Euro) kostet. Laut der CEBR-Studie verlieren die britischen Non-Food-Retailer 156 Mio. Pfund täglich.
Das britische Office for Budget Responsibility (OBR), eine öffentliche Einrichtung des britischen Finanzministeriums zur Bereitstellung unabhängiger Wirtschaftsprognosen, geht davon aus, dass der Lockdown zu einem ökonomischen Crash in einem Ausmaß führt, wie es seit dem frühen 18. Jahrhundert nicht mehr gesehen wurde. Für das zweite Quartal sieht das OBR eine um 35 % schrumpfende Wirtschaft bei steigender Arbeitslosigkeit. In dem OBR-Szenario wird sich das Leben nach einem fürchterlichen zweiten Quartal graduell wieder normalisieren, sodass die Wirtschaft bis Ende 2021 auf dem Wachstumspfad zurück ist, wie im Haushaltsplan vom März vorausgesagt wurde.
Wie lange hält das eine Branche durch, die schon vor dem Corona-Ausbruch in einer schwierigen Lage war? Die Gefahr von Pleiten und Entlassungen wächst. Die Regierung muss die seit dem 23. März geltende Ausgangssperre muss bis zum 7. Mai überprüfen. Der von seiner schweren Corona-19-Erkrankung genesene Premierminister Boris Johnson hat es bisher vermieden, einen Zeitpunkt für die Abmilderung der drastischen Maßnahmen zu nennen. Er stellte aber in Aussicht, dass die Regierung noch in dieser Woche einen Stufenplan veröffentlicht, der zum geeigneten Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden kann. Darauf warten die Retailer, damit sie den Exit aus dem Lockdown planen und vorbereiten können.
Die New West End Company (NWEC), die das Management für 74 Straßen und über 600 Geschäfte im Londoner West End und Mayfair betreibt, hat für die kommende Woche einen Wiedereröffnungsplan (Phase 1) für ihre Mitglieder angekündigt. In einer ersten Anleitung werden bereits Empfehlungen rausgegeben. Danach sollte die Öffnungszeit bei 11:00 Uhr liegen, geschlossen werden sollte zwischen 17:00 und 19:00 Uhr, um Kunden- und Mitarbeiterbewegungen zu entzerren. Empfohlen werden Zeitfenster für Rückgaben und Erstattungen. Andere Städte hätten eine Zunahme der Retouren in den ersten Wochen der Wiedereröffnung gehabt. Zudem sollten Abstandsmarkierungen für Warteschlagen links der Eingänge sein und die ausreichende soziale Distanz garantieren. Darüber hinaus wird ein Training der Mitarbeiter hinsichtlich der neuen Regeln und Hygienemaßnahmen empfohlen.
Die NWEC verstärkt im Rahmen des District Managements ihr Reinigungs-Team, will noch mehr Poster zur Promotion der Abstandswahrung installieren und im gesamten District Desinfektions-Punkte für die Hände einrichten. Das NWEC Sicherheitsteam wird in voller Kapazität rund um die Uhr im Einsatz sein.
In den großen Einzelhandelsgruppe laufen hinter den Kulissen die Vorbereitungen für den Restart. Die Modegruppe Next, deren 493 Stores und 361 Concessions seit dem 23. März geschlossen sind und die vorübergehend auch den Online-Betrieb einstellte, hat wie keiner der Mitbewerber über die bereits getroffenen Maßnahmen informiert. Die betreffen auch alles Aspekte rund um das Warehousing, die neu organisiert wurden. Das Hochfahren der Betriebe ist nicht zuletzt wegen der komplizierten Lieferketten eine Herausforderung. Die 18-tägige Schließung der Online-Sparte hat Next zur Implementierung aller Social Distancing- und sanitärer Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter genutzt.
Die Department Store-Gruppe John Lewis & Partners wird den Entwurf zum Neustart ihres stationären Geschäfts mit 50 Filialen in drei bis sechs Wochen stehen haben. Laut Andrew Murphy, Executive Director of Operations bei John Lewis Partnership, wurden Szenarios erarbeitet, nach denen Stores verschiedener Größe zu unterschiedlichen Zeitpunkten wiedereröffnet werden können. Murphy, der die Krisen-Strategie geleitet hat, betont, dass auf das Signal der Regierung gewartet werde, bevor die ersten Filialen öffnen. John Lewis sei dazu ab Mitte Mai bereit. Die erste Phase des Plans schließe Stores mit großen Parkplätzen ein, die von den Mitarbeitern mit dem Auto erreicht werden könnten, sodass sie nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien. In diese Kategorie könnten etwa 20 Stores fallen. Größere Stores wie in London, Glasgow und Birmingham werden wahrscheinlich erst in einer der späteren Phasen an der Reihe sein. „In den vergangenen vier oder fünf Wochen der Krise hatten wir es mit fast täglich wechselnden Umständen zu tun,“ so Murphy, „das hat sich in den vergangenen zehn Tagen verändert, sodass wir richtig mit den Plänen für den Restart begonnen haben.“ Die Anforderungen an die Abstandswahrung seien sehr komplex, da habe man aber von der Schwester-Supermarktkette Waitrose lernen können, die während der Krise geöffnet ist.
George Weston, Chairman von Primarks Mutterkonzern Associated British Foods hob kürzlich bei der Vorlage des Halbjahres-Ergebnisses hervor, dass der Wiedereröffnungs-Prozeß für die Retailer eine große Herausforderung sei. Als Mahnung an die Regierung sagte er, dass der Einzelhandel eine Vorwarnung vor der Aufhebung des Lockdowns bekommen müsse, um die nötigen Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Kunden treffen zu können.
Dazu forderte auch das British Retail Consortium (BRC) in einem Brief an den Wirtschaftsminister Alok Sharma auf. Um ausreichende Schutzmaßnahmen organisieren zu können, brauche der Handel frühzeitige Informationen. Laut BRC planen die Retailer schrittweise Öffnungen ihrer Store-Portfolios mit Blick auf die Verfügbarkeit der Sortimente, die Kundennachfrage und Frequenz sowie das Personal. Diane Wehrle, Marketing und Insights Director bei dem Handelsspezialisten Springboard weist darauf hin, dass das Merchandising weniger dicht mit mehr Raum zwischen den Displays sein muss. Sie ist sicher, dass sich die Frequenz in den Stores nach der Corona-Krise erholt.
„Retailer müssen den Balance-Act zwischen den erforderlichen Social Distance-Maßnahmen und der Schaffung eines warmen, freundlichen Shopping-Umfelds hinbekommen,“ so Wehrle. Die Kunden wollten sich sicher fühlen und freuten sich zugleich nach Wochen der Quarantäne auf neue und positive Erlebnisse. Gefragt ist eine Strategie, die gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ermöglicht, ohne den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen.