Was bewegt das Luxus-Business? Welche Strategien ziehen, wie mögen es die Kundinnen in den Metropolen? Individuell, das ist das Code-Wort für den Inhaber Emmanuel de Bayser von den drei The Corner-Stores in Berlin. Im TW-Gespräch spricht er über die wichtigsten Herausforderungen und auf welche Skills es jetzt ankommt.
TextilWirtschaft: Herr de Bayers, wie ist die Lage in Berlin? Sind die Touristen zurück?
Emmanuel de Bayser: Absolut. Man hat den Eindruck, alle wollen wieder unterwegs sein, den Moment genießen und dabei alle weltweiten Probleme vergessen. Dabei spielt Mode eine wichtige Rolle, weil sie Freude bringt und den positiven Effekt des Eskapismus ermöglicht. Natürlich sind wir alle politisch informiert und reden über die Themen. Beides läuft nebeneinander.
Wie beschreiben Sie Ihre Kundschaft?
Sie ist sehr international. Wir verkaufen aber genauso gut an die Berliner in allen Altersklassen. Bei den Frauen von 20 Jahren aufwärts. Bei den Männern sind die jüngsten Kunden 14, 15 Jahre alt und kaufen die Icon-Produkte von Ami, Casablanca, Palm Angels, Balenciaga und Off-White.
Das ist spannend. Wieso wollen gerade Jungs in dem Alter die Brands?
Ich kann das verstehen, ich war früher ganz genauso. Man möchte sich in seiner Peer-Group zeigen, cool sein und demonstrieren, dass man sich auskennt. Die jungen Frauen starten nicht ganz so früh und kaufen Contemporary-Labels wie Isabel Marant, Courrèges und Jacquemus. Vor allem Ready-to-wear und Taschen sind bei ihnen gefragt.
Jahresauftakt
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Ihre Brand-Liste ist erstaunlich dicht gespickt mit First-Lines. Darunter sind viele französische Labels. Kein Zufall, oder?
Ich liebe Paris, bin dort geboren und natürlich habe ich sehr enge Verbindungen zu vielen Leuten in der Branche. Das führt dazu, dass wir etliche Projekte gemeinsam entwickeln, manche Pop-ups auch exklusiv veranstalten. Diese Verbindungen sind essenziell, denn die Branche ist wirklich nicht einfach. Man muss demütig sein, sehr flexibel bleiben und genauso neugierig.
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Gibt es eine Erfolgs-Formel in Ihrem Business?
Überhaupt nicht. Das wäre schön. Aber man muss sich ständig in Frage stellen und riskante Entscheidungen treffen, die man nicht wieder revidieren kann. Die Ware ist rar und sie kommt mit drei bis sechs Monaten Verzögerung nach der Order erst ins Geschäft. In dieser Zeit kann viel passieren.
Vor allem in Zeiten von Social Media?
Genau. Diese Kommunikation hat alles verändert. Trends kann man vergessen. Die Kundinnen werden immer individueller. Sie orientieren sich längst nicht mehr an Hochglanzzeitschriften, sondern suchen ihre Lieblings-Accounts bei Instagram, um sich über Mode oder Interior zu informieren. Es gibt die Frauen, die edgy sein wollen, andere zeigen sich sexy oder cool. Manche mögen es rockig. Für jede dieser Typen muss das Sortiment etwas hergeben. Die Kundin entscheidet dann selbst. Sie ist viel informierter als noch vor wenigen Jahren. Wir gehen auf diese Veränderungen ein und bieten ein überschaubares, kuratiertes Sortiment.
Aber es gibt doch trotzdem Trends?
Klar, es sind die starken Designer, die Blockbuster, die immer gut laufen. So wie Dior und Celine. Auch Balenciaga, Bottega Veneta und Gucci sind sehr stark im Verkauf. Die großen Marken laufen bei uns besonders gut, denn hier sind die besten, kreativsten Designer am Werk. Die immer wieder ihre Signature neu interpretieren. Die eine unvergleichliche Identität haben. Das beste Beispiel ist Hedi Slimane bei Celine. Jeder Look der Fashion Show ist original so tragbar. Das ist heute entscheidend. Die Kundin möchte es genauso tragen und sich verwirklichen. Sehr erfolgreich sind wir auch mit kleineren Namen wie Courrèges, Jacquemus oder Ami. Das kleine Herz von Ami etwa ist das Wiedererkennungszeichen für diese spezielle, kleine Gang. Man erkennt sich in der Bar, auf der Straße.
Bei der Schnelligkeit, in der Modelle gehypt werden, verpasst man sicherlich auch mal den einen oder anderen Run?
Es ist immer so, dass gute Teile schnell ausverkauft sind. Die Leute träumen umso mehr davon, wenn sie es nicht bekommen können. Das muss auch sein, das gehört dazu. Die limitierten Serien bringen Drive. Und ich habe eigentlich nie das Gefühl etwas verpasst zu haben, denn der Markt zwingt uns, sehr intensiv über alles nachzudenken. Zu 90% treffen wir den Vibe. Entscheidend ist natürlich, dass man extrem informiert ist, wie ich eingangs erwähnte. Zudem muss man nicht alles haben und es sollte auch nicht zu viel im Haus sein. Das ist der Vorteil, den wir gegenüber Department Stores haben. Bei uns wird niemand überfordert.
Wie wichtig ist Ihre Handschrift?
Natürlich ist sie entscheidend. Unser Stil steht auch für die Lücken, für das, was wir nicht ausgesucht haben. Zu 70 bis 80% kennen wir unsere Kunden, die immer wieder kommen. Viele kaufen zwei bis drei Outfits in der Saison. Dabei ist es bei den informierten Frauen so, dass sie stets mischen. So etwa den Dior-Rock zur Jeansjacke von Celine und dem Sneaker von Balenciaga. Man möchte es elegant, aber nicht komplett. Eigene Kreativität soll sichtbar werden. Das ist eigentlich die Idee hinter unserem Konzept. So können wir sehr unterschiedliche Typen gut anziehen.
Quartalsergebnis
Fragezeichen Gucci, Ausrufezeichen Saint Laurent
Auch im Luxus-Bereich steigen die Preise. Wie sehen das Ihre Kundinnen?
Manche Brands erhöhen permanent, teils 30% in der Saison. Das wird nicht absorbiert. Im Gegenteil. Ich habe den Eindruck, dass es überhaupt nicht cool ist, eine überteuerte Tasche zu kaufen. Viele unserer Kundinnen könnten sich das ohne Frage leisten, aber sie finden manche Preiserhöhung nicht in Ordnung. Es gehört Fingerspitzengefühl dazu, ein Sortiment preislich aufzubauen, insbesondere bei Handtaschen. Es gibt Preisgrenzen, die man nicht überschreiten sollte. Celine und Gucci sind da realistisch und fahren eine gute Strategie. Das bemerkt man dann auch gleich im Abverkauf. Genauso möchte ich Saint Laurent und Jacquemus nennen.
Sie verkaufen vieles auch online, aber nicht alles. Warum?
Das Online-Business funktioniert ein wenig anders als das stationäre Geschäft. Online verkaufen wir eher sehr bekannte Marken mit ihren It-Pieces. Wichtig ist, dass es davon weltweit nicht zu viele gibt. Dann können wir damit gut arbeiten. Für speziellere Modelle, nehmen Sie beispielsweise die Kollektionen Sacai oder Dries van Noten, kommt unsere Kundin in die Stores und macht aus dem Kauf einen Event.
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Auf Ihren Instagram-Auftritt sieht man auch immer wieder Lifestyle-Artikel. Wie wichtig sind diese Kleinigkeiten von Beauty bis zu Porzellan?
Ob Bücher, Kissen, Duftkerzen oder Interior-Pieces. Diese speziellen Produkte machen das Geschäft viel interessanter. Es geht doch darum zu überraschen. Ich selbst mag diese Kleinigkeiten und würde sie auch für mich kaufen. Insofern passt es einfach perfekt. Der hohe Aufwand im Einkauf lohnt sich auch.
Hat sich insgesamt der Einkauf durch die Corona-Zeit nachhaltig verändert?
Wir haben viel online geordert. Das hat sich positiv entwickelt. Allein schon, weil ich das gesamte Team besser in die Entscheidungen einbeziehen kann. Das ist auch psychologisch ein Vorteil, denn so sind alle stärker involviert und motiviert. Natürlich gab es auch mal eine Enttäuschung, dass die Ware anders ausgefallen ist . Das war bislang sehr selten und dann konnten wir problemlos umtauschen. In Zukunft werden wir beide Wege gehen und ich kann die Reisen etwas reduzieren.
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Apropos Order. Worauf freuen Sie sich im kommenden Herbst?
Wir werden eine sehr kreative Auswahl zeigen. Die Designer sind schlau, sie investieren immer mehr in gute Outerwear. Wir erwarten hier sehr starke Teile in allen Stilrichtungen von oversized Coats über Parkas und Daunenjacken bis zu Shearling-Styles. Ganz besonders freue ich mich auf die futuristischen Jacken von Courrèges, die für uns entwickelt wurden.
Wann starten Sie in die neue Saison? Und wie läuft der Übergang?
Zunächst geht es noch um sehr sommerliche Programme. Nächste Woche präsentieren wir ein Pop-up von Loewe in Zusammenarbeit mit Paulas Ibiza. Das wird frisch und funktioniert immer gut. Anfang Mai kommt die erste Herbstware, die aber für die Kunden Ready-to-wear ist. Wir zeigen keine Daunenjacke vor Oktober und haben auch im August noch sommerliche Themen im Sortiment. Das hat sich sehr verändert, denn heute möchte unsere Kundschaft auch in unserem Genre die Kleidung sofort tragen.
Was erwarten Sie in den kommenden Monaten für Ihr Business?
Ich bin sehr positiv gestimmt. Wir haben das Glück, weltweit Kunden zu bedienen. Wenn eine Kundengruppe schwächelt, gleichen es andere aus. Unsere Aufgabe ist es, sie zufriedenzustellen. Die Stadt Berlin gibt dabei allen einen Push. Berlin als Metropole sendet einen guten Spirit aus und alle sind hier ein wenig mutiger als anderswo.