Fabian Engelhorn über die Digital-Strategie des Mannheimer Unternehmens

„Ich will nicht Amazon sein”

Engelhorn
Fabian Engelhorn, geschäftsführender Gesellschafter bei Engelhorn in Mannheim.
Fabian Engelhorn, geschäftsführender Gesellschafter bei Engelhorn in Mannheim.

Engelhorn ist jetzt Plattform. Warum? Das haben wir Fabian Engelhorn, den geschäftsführenden Gesellschafter bei Engelhorn in Mannheim, gefragt.

TextilWirtschaft: Seit längerem haben Sie darüber nachgedacht. Jetzt ist Engelhorn Plattform. Warum eigentlich?
Fabian Engelhorn: Da muss ich etwas ausholen. Die Vision kommt vom Stationären. Wir sind in Mannheim „the place to shop“. Unsere Kunden sollen besondere Erlebnisse bei uns haben. Sie sollen aber auch finden, was sie suchen. Und hier sind wir beim größten Problem im Handel: Warenverfügbarkeit. Auch wenn wir seit 20 Jahren über EDI reden, Datenaustausch, NOS, haben wir es nicht geschafft, Out of Stocks zu verhindern. Im Laden können wir es oft schaffen, Kunden von einem alternativen Produkt zu überzeugen. Online schaffen wir es nicht. Ist die gewünschte Größe nicht da, ist der User weg.

Und da Sie sicherlich nicht noch mehr Waren vorhalten wollen…
… haben wir eine Plattform gebaut. Wir haben uns gefragt: Wie können wir die Chancen der Digitalsierung nutzen? Und sind schnell darauf gekommen, dass die Ware auch bei Engelhorn nicht da liegen muss, wo sie verkauft wird.

Braucht der Markt denn noch eine Plattform?
Zwischen Elefantenbeinen wächst immer noch genug Gras.

Vielleicht etwas weniger philosophisch?
Es stimmt, Zalando, Amazon, Otto sind die Größten am Markt. Daneben gibt es immer auch Nischen. Kleinere Plattformen haben auch eine Chance. Ich glaube an Vielfalt. Unsere Kunden und Lieferanten wollen keine Monokultur.

Wenn bald alle Plattform sind, was heißt das dann für den Markt?
Wenn Sie das beantworten können, schreiben Sie ein Buch. Wird ein Bestseller.

Seit März üben Sie bereits still und heimlich das Plattform-Business. Jetzt der offizielle Launch. Es funktioniert offensichtlich?
Es läuft mittlerweile ganz ordentlich. Wir haben Mammut und Bestseller angebunden. Weitere werden folgen. Und da ist es spannend, dass die Sportbranche neugieriger und agiler ist. Und technisch weiter.

Alles eins: Bisher ist die Website in Engelhorn Fashion und Engelhorn Sport getrennt. Das soll sich 2020 ändern.
Engelhorn
Alles eins: Bisher ist die Website in Engelhorn Fashion und Engelhorn Sport getrennt. Das soll sich 2020 ändern.
Haben Mammut und Bestseller jetzt ihr gesamtes Sortiment auf Engelhorn.de?
Generell gibt es drei Optionen. Erstens: Die Partner ergänzen fehlende Größen. Zweitens: Sie ergänzen zudem fehlende Farben. Oder drittens: Sie stellen ein erweitertes Kernsortiment rein. Wobei wir uns bei Option drei die Mitsprache vorbehalten, mitzugestalten. Das Sortiment muss plausibel bleiben. Es macht keinen Sinn, wenn mir Eterna oder Olymp all ihre Hemden auf die Plattform schieben und wir dann 2000 Hemden im Angebot haben.

Dann sind Sie Amazon.
Genau. Und ich will nicht Amazon sein. Das Sortiment muss ausgesucht bleiben. Unsere Kunden wünschen unseren Geschmack, Stil und damit Sicherheit. Nach wie vor. Und ich glaube in Zukunft noch mehr.

Bestseller und Mammut haben welche Option gewählt?
Die Dritte.

Und verschicken alles selbst?
Ja, so ist unser Geschäftsmodell aufgebaut.

Soll es denn langfristig die Option geben, dass Engelhorn auch Fulfilment anbietet? Amazon und Zalando machen damit ganz passable Zusatzgeschäfte.
Nein. Wir sind kein Logistiker.

Engelhorn führt sechs Modehäuser und zwei Monolabelstores mit insgesamt über 40.000m² Verkaufsfläche.
Engelhorn
Engelhorn führt sechs Modehäuser und zwei Monolabelstores mit insgesamt über 40.000m² Verkaufsfläche.
Wie schnell wächst die Plattform?
Wenn wir im Herbst 15 Partner haben, fände ich das eine gute Zahl. Und wenn es Fifty-Fifty Mode und Sport ist, bin ich glücklich.

Wie viele Partner sollen es langfristig werden?
Wir haben uns kein Ziel gesetzt. Mal sehen, wie sich der Markt entwickelt.

Werden Sie auch andere Händler anbinden?
Das würde ich herzlichst gerne machen. Wir haben Online-Kunden aus ganz Deutschland. Und Breuninger und Lodenfrey und Kollegen auch. Wir schicken dann Pakete quer durchs ganze Land? Das ist doch verrückt! Warum sagen wir den Münchner Kunden nicht: Hey, dein gesuchtes Produkt gibts auch bei Lodenfrey, da kannst Du es Dir gleich abholen oder Lodenfrey liefert es Dir in zwei Stunden. Und vice versa.

So wie es Zalando mit seinem Connected Retail-Programm macht.
Genau. Amazon, Zalando und Co haben auch massive Probleme mit der letzten Meile. Die Kosten. Die verstopften Straßen. Und was ist mit der Umwelt? Wenn wir da weiterdenken, müssten wir doch schnell darauf kommen, dass es Sinn macht, uns zusammenzuschließen. Ich glaube daran.

Hirmer, Kustermann und andere kooperieren bereits in München. Modehaus.de versammelt mittlerweile 350 POS auf seiner Plattform.
Klar. Und das ist auch gut so. Wenn wir das jetzt auf die Platzhirsche deutschlandweit übertragen, dann wird das Plattform-Thema enorm spannend.

Wie ist die Resonanz der Händler-Kollegen bislang?
Mit der Industrie ist es natürlich leichter. Die haben die Wholesale-Denke, wollen die Ware im Markt wissen. Da ist der Gedankensprung nicht schwierig. Wir sind mit ein, zwei großen Händlern in Gesprächen.

Etwa zwei Millionen Unique Visitors im Monat zählt Engelhorn.de eigenen Angaben zufolge.
Engelhorn.de
Etwa zwei Millionen Unique Visitors im Monat zählt Engelhorn.de eigenen Angaben zufolge.
Um als Plattform für Händler und Marken attraktiv zu sein, braucht es eine hohe Reichweite – und die ist erfahrungsgemäß teuer.
Mit Amazon und Zalando können wir uns natürlich nicht messen. Aber dafür, dass Engelhorn nur in der Rhein-Nekar-Region eine Grundbekanntheit hat, kann sich unsere Reichweite sehen lassen.

Das heißt konkret?
Etwa 2 Millionen Unique Visitors im Monat.

Wie viele Bestellungen wickeln Sie im Monat ab?
Rund 100.000, Weihnachten ist es dann das Dreifache.

Retourenquote?
Ist marktüblich.

Die Quoten im Markt schwanken erheblich.
Wir liegen bei unter 50%. Je höher der Modegrad, desto höher die Retourenquote. Das gleicht sich mit den niedrigen Retouren bei Hartwaren im Sport-Shop aus.

Die Bergsportmarke Mammut gehört neben Bestseller zu den ersten Partnern auf der Engelhorn-Plattform.
Mammut
Die Bergsportmarke Mammut gehört neben Bestseller zu den ersten Partnern auf der Engelhorn-Plattform.
Warum sind Fashion und Sport im Shop überhaupt getrennt?

Ändern wir nächstes Jahr. Das ist unser nächstes Online-Projekt. In diesem Zuge werden wir den Shop Mobile first ausrichten. Engelhorn.de ist responsive, aber noch nicht in der allerletzten Konsequenz.

Vorteilskarten-Kunden können off- aber nicht online Punkte für Einkäufe sammeln. Noch ein Projekt?
Kommt auch nächstes Jahr.

Da haben sie Einiges vor für 2020.
Uns wird nie langweilig.

Wann wird das Plattform-Business größer als das Wholesale-Business?
Haben Sie eine Glaskugel? Dann schauen wir einmal.

Wenn es hilft! Aber ich muss fragen: Bleibt Engelhorn immer Händler?
Stationär ja. Wie sich das Business online entwickelt, kann ich beim besten Willen nicht vorhersagen.

Und die Website ist dafür gewappnet?
Für die Plattform mussten wir zunächst den Checkout umbauen, damit er einen Ordersplit bei gemeinsamen Warenkörben hinbekommt. Dann muss man viel Energie in die Produkt-Informationssysteme stecken. Wir müssen unsere Produktendaten und die der Lieferanten matchen. Datenhandling ist der größte Aufwand, finanziell und zeitlich. Es ist unser größtes EDV- und IT-Projekt, und das ist nie zu Ende.

Sind Sie mit Blick auf Personal und Cashflow gut aufgestellt?
Da ist man nie gut aufgestellt. Gerade Programmierer – es sind immer zu wenige. Das ist der Flaschenhals.

Wie hoch ist der durchschnittliche Warenkorb bei Engelhorn.de?
Über 100 Euro.

Das ist komfortabel und liegt sicherlich teilweise daran, dass Bestellungen bei Ihnen erst ab einem Warenwert von 60 Euro versandkostenfrei sind. Haben Sie manchmal Bedenken, Kunden an Online-Retailer zu verlieren, die kein Geld für den Versand nehmen?
Wir sind nicht getrieben zu wachsen. Wir sind Mittelstand, nicht börsennotiert. Klar, wir brauchen auch Wachstum. Und wenn der E-Commerce jedes Jahr rund 10% wächst, ist auch unser Anspruch, mindestens ebenso zu wachsen. Das haben wir bisher auch immer geschafft. Ich muss nicht schnell wachsen, ich muss verdienen. Wir möchten profitabel sein.

Das ganze Interview mit Unternehmenschef Fabian Engelhorn in der aktuellen TextilWirtschaft

Was haben Sie aus den Jahren gelernt, seitdem Sie auf mehreren Plattformen unterwegs sind?
Dass es immer wieder Artikel gibt, die laufen bei Engelhorn super, auf anderen Kanälen nicht. Dann wiederum gibt es Überraschungen, die innerhalb kürzerster Zeit überall ausverkauft sind. Und dafür gibt es oft keine rationale Erklärung.

Beschert Ihnen das schlaflose Nächte?
Nein, Erfolg bereitet mir keine schlaflosen Nächte. (lacht)

Wie erfolgreich ist denn Ihr digitales Business? Engelhorn macht etwa 200 Mio. Euro Umsatz, wie viel davon entfällt mittlerweile auf den E-Commerce?
Etwa 30%.

Profitabel?
Ja.

Nach 15 Jahren im digitalen Fashion Business: Würden Sie Ihren stationären Kollegen, sagen wir Garhammer, den Aufbau eines eigenen Online-Shop empfehlen oder davon abraten?
Garhammer ist ein Weltklasse-Haus. Und ja, die Kunden kommen von 200 Kilometer Entfernung angereist. Es braucht auf jeden Fall die Möglichkeit, mit Kunden digital im Kontakt zu treten. Ob Onlineshop oder Instagramshopping – die Lösung dahinter würde ich offen lassen. Ich finde es vorbildlich, was Mein Fischer in Taucha beispielsweise macht. Da ist alles vom Kunden gedacht und die Stylingberatungen verbinden nicht nur on- und offline perfekt, sondern geben dem gesamten Thema Modekauf mehr Wert. Unser Anspruch sollte sein: den Menschen, den aktiven Kunden in unserem Einzugsgebiet eine digitale Brücke zu bauen, um mit ihnen zu kommunizieren. Ein Paket von Taucha nach Hamburg zu schicken, das muss nicht zwingend der Anspruch sein.

Und Garhammer? Onlineshop ja oder nein?
Ehrlich? Ich weiß es beim besten Willen nicht. Jeder muss seinen Weg finden. Ich hab nicht die Attitüde eines Unternehmensberaters, aber ich diskutiere immer sehr gerne mit meinen Kollegen. Fakt ist: Einen Online-Shop heute aufzubauen, ist wesentlich teurer als es noch 2004 war. Die Technik, die Menschen, die Marktmechanismen.

Würden Sie es denn wieder so machen?
Fragen Sie mich das bitte in zehn Jahren noch einmal.




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