Gemessen am Umsatz hat Amazon 2021 sehr wenig Steuern gezahlt. Das Foto zeigt die Deutschland-Zentrale von Amazon in München.
Amazon Deutschland hat im vergangenen Jahr 22% mehr Geld an den deutschen Fiskus überwiesen als im Vorjahr. Die Summe ist aber angesichts des hohen Umsatzes immer noch relativ niedrig. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Amazon hat 2021 in Deutschland rund 64,03 Mio. Euro an Ertragssteuern gezahlt. Das hat der Online-Marktplatz-Experte Mark Steier bei einer Recherche im Bundesanzeiger errechnet. Wie der ehemalige Ebay-Powerseller in seinem Blog Wortfilter.de schreibt, betreibt der weltgrößte Online-Händler hierzulande 61 Unternehmen. Davon sind zwei Firmen Niederlassungen der Luxemburger Amazon-Gesellschaften, welche die europaweiten Aktivitäten des Konzerns in den Bereichen Cloud Computing, Marktplatzgeschäft und Handel steuern: Amazon Services Europe und Amazon EU S.à.r.l. (Handel).
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Drei deutsche Amazon-Töchter weisen im Bundesanzeiger keine Gewinn- und Verlust-Rechnung aus. In der Folge lässt sich nur bei 56 Amazon-Unternehmen nachvollziehen, wie viele Steuern sie 2021 an den deutschen Fiskus überwiesen haben, nämlich die besagten rund 64 Mio. Euro. Das sind 22% mehr als im Vorjahr. Damals entrichtete der E-Commerce-Gigant 52,34 Mio. Euro. Die Amazon-Gesellschaften, die nicht den Begriff Amazon im Namen tragen, hat Steier nicht berücksichtigt.
Der Großteil der deutschen Gewinne wird in Luxemburg versteuert, wo der US-Konzern Medienberichten zufolge extrem niedrige Steuersätze mit dem Finanzministerium ausgehandelt hat. Hinzu kommt, dass die europäischen Landesgesellschaften dem Vernehmen nach überdurchschnittliche hohe Gebühren für die Nutzung der Marke und der Software an die Luxemburger Gesellschaft Amazon Technologies überweisen. Dadurch sinkt der Gewinn in Ländern, in denen die Steuersätze erheblich höher ausfallen als im Steuerzahler-Paradies Luxemburg.
In der Folge war die Steuerbelastung von Amazon Europa zuletzt relativ überschaubar: Die Holding Amazon Core, zu der Amazon EU und Amazon Services Europe gehören, zahlte 2021
eine Körperschaftssteuer von 1,44 Mrd. Euro. Von anderen Gesellschaften kamen kleinere Steuerbeträge, die sich Konzernangaben zufolge auf "mehrere Hundert Millionen Euro" summierten.
Das von Amazon EU S.à.r.l. gesteuerte Handelsgeschäft musste keine Körperschaftssteuer leisten, da es keinen Gewinn vorweisen konnte. Dort drückten auch hohe Investitionen auf das Ergebnis. Die Rechnung beinhaltete eine massive Steuerrückzahlung, ohne die der Verlust viel dramatischer ausgefallen wäre. Mit etwa 1 Mrd. Euro liegt sie weit über dem Niveau der 56 Mio. Euro im Jahr 2020.
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Die Umsätze von Amazon in Europa waren im vergangenen Jahr erneut kräftig gestiegen. Die Nettoerlöse der Handelssparte kletterten um 17% auf 51,32 Mrd. Euro. Der
Verlust reduzierte sich um 2% auf 1,16 Mrd. Euro. Das Dienstleistungsgeschäft inklusive Marktplatz, das in den Händen von Amazon Services Europe liegt, kletterte um 25% auf 22,15 Mrd. Euro. Der Erlös beinhaltet Provisionen und Gebühren für Services. Der Profit schrumpfte um mehr als die Hälfte, und zwar von 267 Mio. Euro auf 120 Mio. Euro.
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Deutschland bleibt stärkster Auslandsmarkt
Hierzulande erwirtschaftete Amazon im vergangenen Jahr 38,33 Mrd. Euro. Das entsprach einem Plus von 26,3% auf 37,3 Mrd. US-Dollar. Währungsbereinigt legten die hiesigen Umsätze um 26,2% auf 31,61 Mrd. Euro zu. Damit war Deutschland erneut der stärkste Auslandsmarkt des weltweit aktiven Digital-Konzerns. Auf Platz zwei liegt Großbritannien, wo die Erlöse um 20,5% auf 31,9 Mrd. Dollar stiegen. Der gesamte Konzern erhöhte sein Volumen um 22% auf 469,8 Mrd. US-Dollar (411 Mrd. Euro).