Kik betreibt 2623 Filialen in Deutschland. Die meisten sind wieder geöffnet.
Viele Läden konnten inzwischen wieder öffnen, wenn auch mitunter nur teilweise. Die Frequenz zieht vielerorts wieder an. Wie schlägt sich das Disount-Genre beim Restart? Kik-CEO Patrick Zahn zieht Bilanz.
TextilWirtschaft: Herr Zahn, wie viele Kik-Filialen sind in Deutschland wieder geöffnet?
Patrick Zahn: Wir betreiben 2623 Filialen in Deutschland. Davon waren gestern wieder 2599 Läden geöffnet. Somit können wir 98% unserer deutschen Filialen wieder betreiben.
Haben Sie zur Wiedereröffnung hohe Rabatte als Kaufanreiz gegeben?
Anders als mancher Wettbewerber haben wir das nicht gemacht. Natürlich kommunizieren wir, das wir wieder da sind. Und es gibt auch Rabatte. Aber Preisnachlässe gehören zu unserem Geschäftsmodell, die Rabatte waren schon vor der Krise eingeplant.
Wie ist das Geschäft angelaufen?Unsere Erfahrungen beruhen lediglich auf der Öffnung seit dem 20.4.20 in einem großen Teil der Bundesländer. Aber die waren gut. Niemand kann jedoch wissen, ob es sich um ein Strohfeuer handelt Es gibt ja seit Wochen kein Kino, keinerlei Freizeitbeschäftigungen. Es könnte sein, dass die Menschen zunächst Abwechslung suchen und in unseren Läden stöbern.
Und was wurde gekauft?Wie Sie wissen, haben wir ein hybrides Sortiment, Hartwaren und Textilien. Das kommt uns in dieser Situation zugute. Sehr gute Umsätze machen wir mit Gartendeko, Gartentextilien, Pflanzgefäßen und solchen Sachen. Aber auch Kinderbekleidung läuft gut. Die Umsätze mit DOB sind auch nicht schlecht, wenn auch nicht so gut wie mit den genannten Sortimentsbereichen. Es sind Bedarfskäufe. Saisonal bzw. weil die Kinder rauswachsen oder etwas verschleißen. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir sehen, wie sich das Kundenverhalten entwickelt.
Wie war die Frequenz in Ihren Läden?Die war in den ersten beiden Tagen in etwa so wie vor dem Shutdown. Allerdings waren die Durchschnittsbons deutlich höher.
Welche Auflagen gibt es für den Betrieb der Läden?Die Frage der Auflagen macht uns arges Kopfzerbrechen. Es gibt leider nicht nur unterschiedliche Vorschriften in den Bundesländern, auch innerhalb der Länder wird die Einhaltung der Auflagen von den Kreisverwaltungen und Landratsämtern unterschiedlich beurteilt. Das führt zu der absurden Situation, dass bei der Kontrolle in einer Filiale alles o.k. ist. Die gleichen Schutzvorkehrungen in einer nur wenige Kilometer entfernten Filiale dagegen bemängelt werden. Nur, weil sie sich in einem anderen Landkreis befindet. Das ist frustrierend und für unsere Mitarbeiter sehr herausfordernd.
Parick Zahn: "Der Ertrag ist in diesem Jahr vermutlich nicht mehr zu retten."
Können Sie den Filialbetrieb gewährleisten, auch wenn sich ein Verkaufsmitarbeiter infizieren sollte?In einem solchen Fall müsste das gesamte Filial-Team in eine zweiwöchige Quarantäne. Wir haben schon sehr früh Notfallpläne erarbeitet und können den Betrieb der Läden auch in einem solchen Worst Case sicherstellen. Bislang hat sich im gesamten Unternehmen mit mehr als 26.000 Beschäftigten nur ein Mitarbeiter infiziert.
Ist mit Öffnung der Läden die volle Miete für den restlichen April fällig?Die Frage der Mieten ist in der Öffentlichkeit heftig diskutiert worden. Vor allem am Beispiel großer Handelsunternehmen. Vielfach ist zu hören, die Großen müssten das wegstecken. So einfach ist es leider nicht, denn große Filialisten haben entsprechend hohe Kosten. Rein juristisch dürfen Corona-geschädigte Unternehmen die Mieten für April, Mai und Juni stunden. Wir wissen, dass die Situation für die Vermieter ebenso schwierig ist wie für uns. Kik hat deshalb beim Shutdown mit allen Vermietern das Gespräch gesucht, um zu partnerschaftlichen Lösungen zu kommen. Und das werden wir auch künftig tun.
Ist mit Betrieb der Läden die Kurzarbeit bei Kik vorüber?Nicht für alle. Wir fahren das Unternehmen sukzessive hoch. Aus den Filialen hören wir, dass viele unserer Mitarbeiterinnen gerne noch länger kurzarbeiten möchten. Wegen der geschlossenen Schulen und Kindergärten. Das ist wirklich ein Problem. Außerdem generieren wir über 30% unseres Umsatzes im Ausland. Die Läden dort sind nach wie vor alle geschlossen.
In Indien, Bangladesch, Pakistan und anderen asiatischen Ländern stehen die meisten Fabriken still. Welche Auswirkungen hat das auf die Beschaffung ihrer Ware für Herbst und Winter 2020/21?Die Textilbranche ist von der Corona-Pandemie am härtesten betroffen. Was, nebenbei bemerkt, vielen Politikern bei uns nicht klar ist. Als die Krankheit noch vor allem auf China konzentriert war, sorgte sich die Branche wegen der Liefertermine für die Frühjahrsware. Kaum war die Ware da, mussten die Läden schließen. Wegen unserer sehr langen Vorlaufzeiten waren wir davon weniger tangiert. Nun stellt sich aber auch für uns die Frage, ob es mit den rechtzeitigen Lieferungen für den Herbst klappt. Im Moment lässt sich das noch nicht absehen. Es könne jedoch sein, dass es bei einzelnen Artikeln zu Engpässen kommt.
Die Geschäftsentwicklung von Kik im vergangenen Jahr wurde bislang noch nicht kommuniziert. Wie lief es 2019?Um das zu erklären, muss ich kurz auf 2018 eingehen. Das war bekanntlich ein extrem schwieriges Jahr für den Modehandel, und auch für uns. Sehr heiß und dadurch mit atypischen Saisonverläufen. Wir haben deshalb 2019 sehr hart an vielen Prozessen gearbeitet. Den Umsatz konnten wir im vergangenen Jahr nur gering steigern, ertragsseitig sind wir aber ein großes Stück vorangekommen. Zahlen kann ich noch nicht nennen, die werden von unserem Hauptgesellschafter, der Tengelmann-Gruppe, im Sommer bekannt gegeben. Mit zum Teil neuer Preispositionierung sind wir dann ins Jahr 2020 gestartet und waren voller Hoffnung. Die ersten beiden Monate waren nicht schlecht, im März wollten wir richtig Gas geben. Dann kam leider der Shutdown.
Und damit sind sämtliche Planungen hinfällig ...Genau. In den vergangenen Wochen hat uns das Thema Liquidität sehr stark beschäftigt. Für neue Planziele ist es noch zu früh. Wir werden Mitte oder Ende Mai damit beginnen, verschiedene Szenarien für dieses Jahr durchzurechnen und entsprechend Ziele formulieren.
Sehen Sie eine realistische Chance, das Jahr noch zu retten?Natürlich werden wir das versuchen. Aber es wird sehr schwer, den Umsatzverlust aufzuholen. Wie ich sagte, erzielen wir über 30% unserer Erlöse im Ausland. Mit Ausnahme von Österreich sind dort alle Läden geschlossen. In Österreich dürfen wir bisher auch nur 40 von etwa 260 Läden öffnen. Das hilft nur minimal. Und niemand weiß, wie sich die Konsumstimmung in Deutschland entwickelt. Der Ertrag ist in diesem Jahr vermutlich nicht mehr zu retten. Es geht in erster Linie im Schadensbegrenzung.
Auch bei Kik mussten fast über Nacht viele Mitarbeiter aus der Zentrale ins Homeoffice wechseln. Lässt sich daraus etwas ableiten für die künftige Arbeit?Die Arbeit von daheim hat überraschend gut geklappt und gibt einen Anstoß für unsere künftige Arbeitsweise. Sicher wird es mehr Videokonferenzen geben. Auch werden wir noch mehr Prozesse im Backoffice digitalisieren, verschlanken und flexibler machen. Bei der Beschaffung sehe ich aber Grenzen. Wenn Sie in Asien produzieren lassen, müssen Sie regelmäßig bei ihren Partner vor Ort sein. Bei einem Abendessen mit Geschäftspartnern beispielsweise schaffen Sie Nähe und Vertrauen. Persönliche Kontakte zu pflegen ist Gold wert und kann nicht digitalisiert werden.