Hunkemöller-CEO Philip Mountford und Global Marketing Director Alexandra Legro im TW-Interview

"Das nächste große Ding ist Order-in-Store"

Hunkemöller
Hunkemöller betreibt weltweit knapp 900 Stores. Fast 400 davon befinden sich in Deutschland.
Hunkemöller betreibt weltweit knapp 900 Stores. Fast 400 davon befinden sich in Deutschland.

Hunkemöller steht vor einem Besitzerwechsel und investiert kräftig – vor allem ins Digitalgeschäft. Über die künftige Rolle von Läden und Kundendaten sprechen CEO Philip Mountford und Global Marketing Director Alexandra Legro im TW-Interview.

Mit unterschiedlichen Inhabern kennt sich Philip Mountford aus. Drei hat der Brite seit 2009 als CEO von Hunkemöller bereits erlebt, bald könnte er es mit Nummer vier zu tun bekommen. Der aktuelle Besitzer des Amsterdamer Wäschefilialisten, US-Investor Carlyle Group, will nach fünf Jahren verkaufen.

Mountford war gerade ein Jahr im Amt, als der holländische Handelskonzern Maxeda Hunkemöller Ende 2010 an den Private Equity Fonds PAI Partners veräußerte. 2016 gab dieser 85% der Anteile an den US-Investor Carlyle (u.a. Golden Goose, Twin Set) weiter – für rund 440 Mio. Euro. Die übrigen Anteile hält die Management-Holding Stichting HKM.

Der aktuelle Wert des Wäschehändlers wird mit rund 1 Mrd. Euro beziffert; das 11- bis 13-fache des prognostizierten Ebitda von 85 Mio. bis 90 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2021/22 (31. Januar).

Dabei hatte auch Hunkemöller mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen. Der Umsatz 2020/21 sank um 12% auf 459 Mio. Euro. Das Ebitda schrumpfte von 75,8 Mio. auf 41 Mio. Euro. Im laufenden Geschäftsjahr 2021/22 werden, wie erwähnt, bis zu 90 Mio. Euro erwartet bei einem Netto-Umsatz von 600 Mio. Euro. Dabei treibt Hunkemöller konsequent das Digital- und Omnichannel-Business voran, investiert massiv in IT und Logistik.

Philip Mountford: "Eigentlich sind wir inzwischen ein Technologie-Unternehmen mit Fashion-Flügeln. Die meisten unserer Investitionen fließen in neue Technologien."
Hunkemöller
Philip Mountford: "Eigentlich sind wir inzwischen ein Technologie-Unternehmen mit Fashion-Flügeln. Die meisten unserer Investitionen fließen in neue Technologien."
TextilWirtschaft: Wir haben im Frühjahr schon einmal miteinander gesprochen. Damals ging es vor allem um die Auswirkungen der Lockdowns auf die Geschäftssituation. Hat Corona eigentlich auch Einfluss auf Ihre grundsätzliche Unternehmensstrategie?
Philip Mountford: Ich glaube, ich kann die gleiche Antwort geben wie viele andere CEOs: Was wir eigentlich für den Zeitraum von drei Jahren geplant hatten, haben wir innerhalb von drei Monaten umgesetzt. Es gab fundamentale Änderungen − nämlich einen radikalen Shift hin zu Online.

Inwiefern?
In diesem Jahr wird unser Omnichannel-Business einen Umsatzanteil von über 40% erreichen. Darin enthalten ist der E-Commerce und Click to Brick, als online-bezogene Umsätze, die in den Stores generiert werden, u.a. über Click & Collect. Diese Entwicklung war noch nicht einmal in unserem Fünfjahresplan vorgesehen. Selbst als die stationären Geschäfte wieder öffnen durften, haben wir keine Abschwächung des Wachstums gesehen. Im vergangenen Jahr legte der E-Com um 57% zu, in den ersten sieben Monaten dieses Jahres sogar um 71%. Dieses Plus haben wir den Stationär-Kunden zu verdanken. 24% der Online-Kunden hatten zuvor ausschließlich in den Läden eingekauft.

War der neue Ansturm ein Problem?
Wir haben schon vor Covid-19 vor allem in den Service investiert. So haben wir die Kundenbetreuung ins Haus geholt. Sechs Monate später kam die Pandemie, und wir wurden von der Nachfrage überrollt. In den ersten Wochen, als die Stores schließen mussten, hatten wir 350% Plus bei den Online-Umsätzen. Das konfrontierte uns mit einer Welle an Kundenkontakten, auf die wir nicht vorbereitet waren. Wir sind die Sache dann sehr pragmatisch angegangen. Wir haben 150 unserer Store-Manager mit Computern und Headsets ausgestattet, und sie wurden zu Service-Agents. Auf die Weise konnten unsere Kundinnen mit Fachleuten reden, die Ahnung vom Produkt haben. Und wir haben gleich in der ersten Woche die Ware aus den Läden zurück in die Distributionszentren gebracht, damit wir sie für den E-Com nutzen konnten.



Digitalisierung ist schon seit Jahren ein Fokus des Konzerns. Sind Sie jetzt noch einen Schritt weiter gegangen?
Click & Collect, Clicke & Reserve, Return-to-Store, Order-in-Store – diese Services haben wir bereits angeboten. Jetzt sind wir mit Fulfillment-from-Store gestartet. Ein riesiges Projekt für 200 ausgewählte, größere Filialen. Anfang 2022 werden die zu Fulfillment-Zentren. Heute werden 44% aller E-Com-Bestellungen in den Läden abgeholt. Deutschland liegt rund 20% darunter, weil es dort flächenbedingt mehr weiße Flecken gibt. Aber in Holland und Belgien gibt es quasi im Umkreis von 15 Kilometern einen Hunkemöller-Store. So ist es für viele Kundinnen einfacher, den zu nutzen. Das war natürlich im Lockdown rückläufig, nimmt jetzt aber wieder zu. Alle Läden dienen zudem als Lager für Online-Bestellungen. Unsere Kunden sehen online die Bestände des Zentrallagers und die Bestände in den einzelnen Läden. In den nächsten vier Monaten soll die Auslieferung aus den Stores automatisiert erfolgen. Wir haben das zwar auch schon während der Pandemie getan, aber das war eher ein provisorisch zusammengebasteltes System. Indem wir Ware zu den Kundinnen aus dem nächstgelegenen Store verschicken, sparen wir auch Transportkosten und CO2. Und das nächste große Ding ist Order-in-Store.

Online-Einkauf vom Laden aus? Klingt doch einfach.
Bislang konnten zwar schon Produkte über das Tablet im Laden bestellt werden, aber diese Umsätze wurden dann immer dem E-Com zugeschrieben. Wir wollen hier eine neue Funktion für den Laden kreieren. Ja, das klingt simpel. Ich gehe einfach zu den Programmierern und sage, was ich haben will, aber die Umsetzung ist extrem komplex. Eigentlich sind wir inzwischen ein Technologie-Unternehmen mit Fashion-Flügeln. Die meisten unserer Investitionen fließen in neue Technologien. Aber nicht nur in E-Com-Technologien, auch in die Logistik. So haben wir gerade ein Logistikzentrum gebaut, das überwiegend robotergesteuert arbeitet. Ein zweites solches Distributionszentrum soll 2023 fertig werden, in Almere, 15 Kilometer von unserem Headquarter entfernt. Wir haben diese Investitions-Entscheidung getroffen, weil wir fürchten, in fünf Jahren mit einem großen Arbeitskräftemangel konfrontiert zu sein. Insgesamt haben wir vier Logistikzentren. Wir werden ein weiteres in Deutschland, in Großbritannien und wahrscheinlich auch in den USA und Russland eröffnen.

Sind das auch die Zukunftsmärkte von Hunkemöller?
Ja. In Russland sind wir schon aktiv, es ist aber noch ein kleiner Markt für uns mit weniger als 20 Stores. Aber wir sind dort sehr erfolgreich und sehen viel Wachstumspotenzial. Wir legen zudem gut in Skandinavien zu, vor allem in Dänemark und Schweden. In Norwegen brauchen wir noch mehr Läden. Aktuell sind es zwölf, 35 sollen es einmal werden. Dort wurden unsere Expansionspläne durch Covid-19 ausgebremst, u.a. weil unser Vertriebsleiter, der Skandinavien von unserem Büro in Kopenhagen aus betreut, nicht reisen konnte. Wir glauben außerdem sehr stark an Österreich, wo wir sehr erfolgreich sind. Und zwölf Läden haben wir in der Schweiz. Generell läuft es im deutschsprachigen Raum für uns sehr gut.

Welche Rolle spielt der deutsche Markt?
Er ist sehr stark. Mit knapp 400 Stores ist das Land auch gut abgedeckt. Wir setzen dort dieses Jahr über 200 Mio. Euro in den Läden sowie mehr als 110 Mio. Euro online um. Darin enthalten sind noch nicht die Geschäfte mit Marktplätzen wie Zalando und About You. Die beiden machen noch einmal fast 40 Mio. Euro aus. Das heißt, wir erlösen um die 350 Mio. Euro in Deutschland.

Stores sollen künftig auch Fulfillment-Zentren sein.
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Stores sollen künftig auch Fulfillment-Zentren sein.
Wie viele Läden hat Hunkemöller insgesamt?
Da kommen wir auf knapp 900 Stores. Wir haben allerdings einige geschlossen. Waren das früher nur solche, die Verluste gemacht haben, schließen wir heute auch Standorte, die Gewinne erzielen, wenn wir feststellen, die Verbraucher dort sind eher online unterwegs. Wir haben ein Tracking-System, das uns zeigt, dass die Hälfte der Kunden zwischen den Kanälen wechselt und sehr flexibel ist, was die Standorte betrifft. Wir werden unser Portfolio in den Kernmärkten genau prüfen. Klar – jeder CEO würde gern sagen, wir haben 1000 Stores, ich ja auch. Das ist wohl so eine Ego-Sache. Aber wir sollten das nicht anstreben, nur um groß zu sein.

Zumal ja viele Stores zu haben, in der Pandemie eher kontraproduktiv war.
Um das klarzustellen, wir glauben an stationäre Geschäfte. Die persönliche Interaktion zwischen Menschen ist nach wie vor extrem wichtig. Und Hunkemöller erzielte 2020 immer noch ein Ebitda von 41 Mio. Euro, obwohl in 14 Wochen die Läden geschlossen hatten. Aber die Pandemie hat gezeigt, dass wir viel flexibler sein müssen. Wir schauen sehr genau auf die künftige Rolle von stationären Läden. Sie sollen nicht mehr nur reine Einkaufsstätten sein.
Alexandra Legro: Geholfen hat uns in der Krise auch unser Treueprogramm für Mitglieder. 75% aller Umsätze werden inzwischen von Kundenkartenbesitzern getätigt. Wir haben eine sehr treue Kundenbasis. Das Programm bedeutet auch, eine Menge Daten zur Verfügung zu haben. Die zeigen uns u.a., wie schon erwähnt, dass viele Kundinnen aller Altersgruppen in der Pandemie erstmals in den Online-Kanal gewechselt sind.

Wofür nutzen Sie die Daten sonst noch?
Alexandra Legro:
Informationen darüber, wer wo lebt und was und wie einkauft, helfen uns auch für die Kollektionsentwicklung. Außerdem lassen wir mehrmals im Jahr neue Produkte testen. Dafür wählen wir dann 6000 Kundinnen aus. Darüber hinaus sind die Daten nützlich, wenn es um die regional individuelle Warenbestückung von Läden geht. Und natürlich verwenden wir die Daten im Marketing-Bereich, u.a. um E-Mails zu personalisieren und individuell zu Passform und Größe zu beraten.

Philip Mountford: Mit Erfolg: Unsere Retourenquote ist von 36,5 auf 32% gesunken. Wir wissen, wer unsere Kundin ist. Wir kennen ihr Einkaufsverhalten, was sie zuletzt geshoppt hat usw. Das ploppt auf unserem Bildschirm bei Kundenkarteninhabern auf und ermöglicht uns eine deutlich bessere Interaktion und individuellere Ansprache und damit einen besseren Service.

Alexandra Legro: Wir haben gerade erst ein neues Loyalty-Programm lanciert. Hier fragen wir noch mehr Daten ab wie die Interessen der Kundinnen oder ihre Mobilnummer. Dafür bekommen sie noch stärker personalisierte Nachrichten von uns. Dabei geht es uns nicht nur um reine Transaktionen, sondern auch um die emotionale Interaktion über die Kanäle hinweg.

Frau Legro, Sie sollen als Global Marketing Director die Marke Hunkemöller noch weiter stärken. Welche Maßnahmen ergreifen Sie und welche Rollen spielen dabei Collab-Kollektionen und Testimonials?
Wir setzen eine Multichannel-Marketingstrategie um mit einem differenzierten Media-Mix, der TV, Social Media, Influencer-Marketing, Events, E-Mail und mobile Anwendungen umfasst, angepasst an lokale Märkte, mit Fokus auf den richtigen Kanal auf dem richtigen Endgerät im richtigen Moment für die richtige Person. Im Trend zu sein, ist uns wichtig, solange die wahren Hunkemöller-Werte gelebt werden. Durch unsere Botschafter und Promi-Kooperationen können wir unsere Produkte an verschiedenen Frauen zeigen, von denen jede ihre eigene Geschichte erzählt, und wir erreichen ein großes Publikum, was eine Win-Win-Situation ist.

Hunkemöller im Überblick
  • Wilhelm Hunkemöller gründete das Unternehmen 1886 in Amsterdam als Korsagengeschäft.
  • Viele Jahre gehörte Hunkemöller zum holländischen Handelskonzern Maxeda, der den Filialisten Ende 2010 an den Private Equity Fonds PAI Partners verkaufte. Der reichte 2016 85% für 440 Mio. Euro an den US-Investor Carlyle Group weiter, die nun wiederum auf der Suche nach einem Käufer ist. Die übrigen Anteile hält die Management Holding Stichting HKM. Dabei werde jetzt der Wert des Unternehmens mit rund 1 Mrd. Euro beziffert; das 11- bis 13-fache des prognostizierten Ebitda von 85 Mio. bis 90 Mio. Euro für 2021/22 (31. Januar).
  • CEO ist seit 2009 der Brite Philip Mountford
  • Der Netto-Umsatz betrug 2019/20 (31.1.) 522 Mio. Euro, 2020/21 brach er coronabedingt auf 459 Mio. Euro ein. Im laufenden Jahr sollen 600 Mio. Euro erlöst werden.
  • 2003 starteten die ersten Online-Aktivitäten in den Niederlanden. Das Omnichannel-Business hat mittlerweile einen Anteil von 40%, 2019 lag er noch bei 19%. Die Retourenquote liegt aktuell bei knapp 33%. Online werden in diesem Jahr geschätzt rund 54 Millionen Kundinnen gezählt.
  • Weltweit gibt es 871 Stores, überwiegend in Eigenregie. Allein in Deutschland sind es 398 Filialen.
  • Verkauft werden Dessous, Sportswear, Nachtwäsche, Loungewear, dazu Accessoires, Socken, Bade- und Strandmode und Parfüm. Die verführerische Linie Private steht inzwischen für rund 50 Mio. Euro Umsatz, mit dem Sportsegment HKMX werden 19 Mio. Euro erzielt.
  • Weltweit beschäftigt werden 7200 Mitarbeiter.
Herr Mountford, Sie erzählten zu Beginn, dass Sie im Lockdown die Verkäufer zu Online-Beratern gemacht hätten. Haben viele Kundinnen diesen Service genutzt?
Ja, denn natürlich fanden sie es gut, auch im Lockdown mit den vertrauten Verkäufern zumindest virtuell zu sprechen, die sie per Video-Call durch den Laden geführt haben. Wir wissen nicht, ob das auch künftig stark genutzt wird, aber in der Situation war es der richtige Weg. In Amsterdam haben Kollegen zudem Bestellungen auf dem Fahrrad ausgeliefert, sicher auch keine Langfristlösung, aber es sorgte für viel Spaß unter den Mitarbeitern.

Sie setzen, wie Sie betonen, weiterhin auf stationäre Läden, aber wie sinnvoll sind künftig, vor allem unter Kostengesichtspunkten, noch Flagships?
Vor drei Jahren hatten wir noch eine globale Flagship-Strategie wie viele Unternehmen. Die Pandemie hat jedoch das Einkaufsverhalten der Menschen dramatisch verändert. Wir sehen eine extrem starke Erholung in unseren kleineren Stores, das ist wirklich erstaunlich. Standorte in Mittelstädten liefen ok, Großstädte waren schrecklich. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa. Diese Standorte erholen sich am langsamsten. Wir haben die Stores teilweise noch mal aufgefrischt, um sicher zu stellen, dass die Inszenierung perfekt ist, aber sie haben eben auch die höchsten Mieten und ich weiß nicht, ob sie sich je erholen werden.

Alexandra Legro: "75% aller Umsätze werden inzwischen von Kundenkartenbesitzern getätigt. Wir haben eine sehr treue Kundenbasis."
Hunkemöller
Alexandra Legro: "75% aller Umsätze werden inzwischen von Kundenkartenbesitzern getätigt. Wir haben eine sehr treue Kundenbasis."
Wie haben sich die verschiedenen Segmente entwickelt? Gab es bei Ihnen auch einen Run auf Komfort?
Ja, zum Beispiel boomen bügellose BHs. Während solche Modelle bei Wettbewerbern meistens basic sind, haben wir eine modische Serie entwickelt. Im ersten Jahr 2020 haben wir damit 15 Mio. Euro umgesetzt, in diesem Jahr werden wir 27 Mio. Euro erreichen, angetrieben von dem neuen Bedürfnis nach Bequemlichkeit. Und wer so einen BH einmal getragen hat, will keinen mehr mit Bügeln. Wir rechnen mit einem Umsatz von rund 40Mio. Euro in den nächsten zwei bis drei Jahren. Nachtwäsche und Loungewear liefen ebenfalls fantastisch. Auch unsere Sportswear HKMX hat sehr gut performt. In dem Segment konnten wir sämtliche weggebrochenen Stationär-Umsätze online ausgleichen. Viele Kundinnen haben im Homeoffice auf bequeme Teile wie Leggings gesetzt. Doch auch jetzt, wo wieder mehr Normalität einkehrt, wächst der Bereich weiter. Der Umsatz beträgt derzeit rund 19 Mio. Euro. Allein 60% davon entfallen auf Sport-BHs.

Mit der verführerischen Private Collection sollen dieses Jahr 50 Mio. Euro umgesetzt werden.
Hunkemöller
Mit der verführerischen Private Collection sollen dieses Jahr 50 Mio. Euro umgesetzt werden.
Viele Labels stellen aktuell einen großen Nachholbedarf bei Fashion fest, Sie auch?
Wir sehen ein großes Revival bei den modischen Teilen, auch in der Lingerie. Wir beobachten zwei Trends derzeit: auf der einen Seite boomen nach wie vor die komfortablen Basics, auf der anderen Seite wächst unsere sinnlichere Private Collection unglaublich. 2019 haben wir hier 15,4 Mio. Euro umgesetzt, in diesem Jahr werden es fast 50 Mio. Euro sein. Und Deutschland ist dabei unser größter Markt.

Wie steht es mit der Größen-Range? Sie sagten mir mal, dass Plus Sizes ein Wachstumsbereich seien.
Wir haben allein 67 BH-Größen. Nicht jedes Modell ist in allen Größen erhältlich, und es gibt von Land zu Land und sogar von Region zu Region Unterschiede in der Nachfrage. Die Hauptgrößen sind 75, 80 und 85. Wir gehen bei BHs aber zum Teil bis 100K. Wir haben im Curvy-Bereich 245 Produkte. Wir wollen niemanden ausschließen, jeder sollte modische Wäsche kaufen können, egal ob er 70A oder 100H trägt. Und wir wollen Frauen jeder Altersgruppe ansprechen.

Schauen Sie auch, was Wettbewerber wie Sloggi machen, die ihr Größensystem deutlich vereinfacht haben?
Nein, dem schenken wir keine Aufmerksamkeit. Uns geht es um modische Lingerie, nicht um klassische Wäsche.

Stellen Sie eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten fest?
Ja, vor allem bei den jüngeren Kundinnen der Generation Z. Die Millennials reden zwar viel darüber, sind aber nicht so interessiert. In diesem Jahr sind 15% unserer Materialien nachhaltiger, wie Ecovero oder recycelte Fasern. Der Anteil könnte höher sein, aber pandemiebedingte Lieferprobleme bremsen uns hier aus. Im nächsten Jahr werden wir 25% erreichen. Bei Swimwear sind es bereits 75%, hier nutzen wir recycelte Polyester-Fasern. Bei Dessous ist das etwas schwieriger, weil sie oft in der Optik an Opulenz verlieren, und BHs haben sehr viele Komponenten.

Recyceltes Polyester steht in der Kritik, weil es auch Mikroplastik-Abrieb verursacht und Mischprodukte daraus nicht mehr recycelbar sind. Versuchen Sie, nachhaltigere Alternativen zu Kunstfasern zu finden?
Ja. Durch die Lebenszyklus-Analyse einiger unserer Kernprodukte bekommen wir ein besseres Verständnis von deren Umweltauswirkungen. Mit den Erkenntnissen wollen wir neue Wege finden, uns anzupassen und weiterzuentwickeln. So ist im letzten Jahr bei uns der Anteil an Naturfasern wie Baumwolle, Viskose und Seide um 10 Prozentpunkte gestiegen auf 35%. Im kommenden Jahr werden wir Produkte mit recycelten Mono-Materialien und auch Produkte aus einem umweltschonenderem Färbeverfahren anbieten.



Nachhaltige Fasern sind das eine, faire Produktionen das andere. Inwiefern übernimmt Hunkemöller Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette?
Wir bekennen uns zu den OECD-Leitsätzen für verantwortungsvolles Handeln. Alle Fabriken, mit denen wir zusammenarbeiten, werden jährlich oder je nach Ergebnis alle zwei Jahre auditiert. Jedes Jahr erlangen wir mehr Einblick in unsere Lieferkette und arbeiten daran, unsere Richtlinien in der gesamten Supply Chain durchzusetzen. Wir befassen uns mit Themen wie Frauenförderung, existenzsichernde Löhne und indirekte Kinderarbeit, um so die Bedingungen zu verbessern.

Wie wirken sich die Probleme in der Lieferkette auf die Preise aus?
Steigen die VK-Preise sonst im Schnitt um 1 bis 2%, werden es nächstes Jahr wohl 3 bis 5% sein, u.a. durch die Container-Kosten, die sich zum Teil verzehnfacht haben. Wir haben 70% unserer Volumina lange im Voraus geplant und gebucht. Hier sind wir in der Regel auch auf eine Woche genau pünktlich. 30% kaufen wir auf dem freien Markt. Es geht aber nicht nur um die Container-Preise, es geht auch um die steigenden Kosten für Materialien, Löhne und Energie, dazu noch die Inflation. Jemand muss das zahlen. Wir versuchen, so viel wie möglich aufzufangen und Eckpreise zu halten, aber das ist eine sehr große Herausforderung. Es wird im nächsten Jahr nicht ohne Preiserhöhungen gehen.

Abschließend noch die Frage: Was erwarten Sie vom neuen Investor?
Hunkemöller hatte bereits verschiedene Besitzer. Jeder hat unsere Management-Strategie unterstützt, und daher suchen wir wieder einen Investor, der unsere digitale und datengetriebene Strategie in den nächsten fünf Jahren mitgeht.

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