Erstmal dicht gemacht. Die erzwungenen Ladenschließungen könnten zu einer Pleitewelle führen, warnen die Handels- und Industrieverbände Gesamttextil, HDE, BTE, German Fashion und HDS/L nachdrücklich.
Die Verbände HDE, BTE, GermanFashion, Gesamttextil und HDS/L fordern erneut rasche Hilfen von der Politik und Nachbesserungen bei den geplanten Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise. Noch sprechen sie nicht mit einer Stimme, aber alle mahnen eindringlich, dass die Unterstützung für viele Händler zu spät kommen könnte.
Die Fashionbranche stehe dabei vor einer besonderen Herausforderung. Ein finanzieller Schutzschirm wäre die beste Lösung, stellen die Verbände BTE und GermanFashion in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung fest. Nach Ende der erzwungenen Ladenschließung wären auch neue unbürokratische Möglichkeiten für Sonntagsöffnungen eine echte Hilfe.
Kreditbewilligung dauert zu lange
"Wir begrüßen die geplanten Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung. Aber wir sehen weiterhin die Gefahr, dass die Kreditbewilligung durch die Banken zu lange dauert", erklärt auch HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Volkswagen und Audi Partnerverband (VAPV). Die Regierung müsse daher bei dem Hilfspaket erheblich nachbessern. Ansonsten drohe eine Pleitewelle in den deutschen Innenstädten, unter anderem bei alteingesessenen Schuh- und Bekleidungsfilialisten. Kreditprüfungen durch die Hausbanken etwa, die mehrere Wochen dauern, seien inakzeptabel.
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Direktzuschüsse dringend gebraucht
Eine zentrale Rolle werden laut HDE die von Bund und Ländern bereitgestellten Soforthilfen in Form von nicht zurückzahlbaren Direktzuschüssen spielen. „Das Soforthilfe-Programm der Bundesregierung ist wichtig, wenn auch vom möglichen Auszahlungsbetrag knapp bemessen", so Genth. Im Einzelhandel seien zudem zahlreiche Unternehmen, die mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen, von Schließungen betroffen und auf
entsprechende Hilfen angewiesen. "Auch hier sind Direktzuschüsse dringend geboten", erklärt Stefan Genth. Darüber hinaus müssten Bund und Länder bereits jetzt einen bundesweit einheitlichen und verlässlichen Fahrplan „für die Zeit danach" entwerfen.
Nicht länger als vier Wochen
"Unter den gegebenen Umständen halten viele Einzelhändler nicht länger als vier Wochen aus", sagt Genth. Bei ungefähr einem Sechstel der Händler handele es sich zudem um mittelgroße Unternehmen, die nicht vom Soforthilfeprogramm der Bunderegierung profitierten und zwischen den einzelnen Förderprogrammen der Bundesregierung durchfallen könnten. "Auch für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern müsse der Staat Soforthilfen leisten, indem er zum Beispiel die horrenden Mietkosten in den deutschen Innenstädten bezuschusst", so Genth.
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Erleichterung bei Kreditvergabe
Die Verbände fordern außerdem größere Erleichterungen für Unternehmen, die einen Kredit bei ihrer Hausbank beantragen. Die Förderbank KfW solle für 100% des Ausfallrisikos bürgen. Der aktuelle Entwurf der Bundesregierung sehe dagegen vor, dass die KfW nur bis zu 90% des Kreditrisikos übernimmt, den Rest muss die Hausbank tragen. Das bedeute, dass die Hausbank eine eigene Bonitätsprüfung vornehmen muss. "Das dauert viel zu lange und die Hilfe kommt für viele Händler zu spät", resümiert Genth.
Mode als verderbliche Ware
Die Fashion-Branche leide aufgrund ihrer saisonalen Produkte extrem stark unter den Auswirkungen der Coronakrise, heißt es von Seiten des BTE. "Hosen oder Schuhe aus der Frühjahrskollektion kann der Modehandel aber im Sommer kaum noch verkaufen. Insofern kann man Mode gut als verderbliche Ware bezeichnen", erklärt BTE-Präsident Steffen Jost.
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Problem der langen Lieferkette
Ein großes Problem der Fashionbranche sei zudem die lange, internationale Lieferkette. Selbst während der erzwungenen Ladenschließung werde neue Ware angeliefert, die bereits vor Monaten bei den Lieferanten bestellt wurde und trotz fehlender Einnahmen angenommen und bezahlt werden muss. Eine Aussetzung der Belieferung ist schwierig, da die Industrie bei ihren Vorlieferanten in der gleichen Situation.
Partnerschaftliche Lösungen würden zwar diskutiert, sie verschieben das Problem aber lediglich. „Die Produzenten stehen vor großen Herausforderungen, weil bereits die Beschaffung für die Herbstmode läuft und kostenintensive Verpflichtungen bestehen", erklärt Gerd Oliver Seidensticker, Präsident des deutschen Modeverbandes GermanFashion.
Hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet
Aufgrund dieser speziellen Situation steht eine ganze Branche mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen in Handel und Industrie vor dem Aus. Bereits die beschlossenen Öffnungsverbote bis Ende April werden zu zahlreichen Insolvenzen führen. „Wenn nicht spätestens im Mai die Geschäfte wieder öffnen, droht eine noch nie dagewesene Insolvenzwelle speziell von mittelständischen Händlern und Lieferanten", warnen Jost und Seidensticker.
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Finanzieller Schutzschirm gefordert
Die Verbände BTE und GermanFashion schließen sich daher der Forderung des Handelsverbandes HDE nach rascher Hilfen von der Politik an. Ein finanzieller Schutzschirm wäre die beste Lösung. Nach Ende der erzwungenen Ladenschließung wären ebenso neue unbürokratische Möglichkeiten für Sonntagsöffnungen eine echte Hilfe. "Der stationäre Handel braucht jede sich bietende Gelegenheit zum Verkauf seiner Produkte, damit er auch künftig noch am Standort bestehen und Arbeitsplätze in Handel und Industrie sichern kann", fordert der BTE-Präsident. Die Verbände werden mit einem konkreten Maßnahmenkatalog auf die Politik zugehen.
Partnerschaft mit der Industrie
Der Bundesverband der Schuh-und Lederwarenindustrie HDS/L erwägt zudem partnerschaftliche Lösungen, darunter unter anderem eine neue, veränderte Steuerung der Saisonverläufe. Hauptgeschäftsführer Manfred Junkert setzt auf eine enge Zusammenarbeit mit den Verbänden der Bekleidungsindustrie: "Wichtig ist, dass wir jetzt allen an einem Strang ziehen!" In enger Abstimmung mit den Kollegen der Textilverbände aus Industrie und Handel arbeite der HDS/L an Lösungen und fordert vor allem eine rasche Hilfe von der Politik. "Wir werden mit einem konkreten Maßnahmenkatalog auf die Politik zugehen. Es geht darum, Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten."
Gesamtverband appelliert an Solidarität
Auch der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie appelliert an Zusammenhalt und Partnerschaft in dieser Krise. "Wir sind eine globale Industrie, unsere Lieferketten sind zusammen gebrochen. Viele unserer Unternehmen sind in einem Ausnahmezustand, viele im freien Fall etwa die Autozulieferer oder Bekleidungshersteller, weil der Handel seine Bestellungen storniert. Wir brauchen jetzt auch innerhalb unserer Wirtschaft viel Solidarität", appelliert Präsidentin Ingeborg Neumann. Kurzarbeitergeld hätten viele schon beantragt, jetzt seien Direkthilfen erforderlich. "Wie sollen kleine und mittlere Unternehmen Kredite aufnehmen, wenn sie überhaupt keine Aufträge haben, aber die Kosten weiterlaufen?", fragt Neumann. Die Banken bewerteten nach überholten Kriterien. Wenn es hier ganz kurzfristig keine Direkthilfen gebe für kleine und mittelgroße Unternehmen, gingen viele der Betriebe in die Knie. "Bei uns melden sich verzweifelte Unternehmer, die in Kürze ihre gesamte Existenz verlieren. Viele hängen in Warteschleifen. Hier müssen die Verwaltungen und Banken ihre Kräfte jetzt zusammenziehen", so Neumann.
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