TW-Analyse

Reibach mit Retail Media


Otto Advertising
Sponsored Ads und Display Ads auf E-Commerce-Plattformen helfen nach Ansicht der Vermarkter den Online-Nutzern bei der Suche nach Produkten. Das erhöht die Akzeptanz von sogenannter Retail Media-Werbung.
Sponsored Ads und Display Ads auf E-Commerce-Plattformen helfen nach Ansicht der Vermarkter den Online-Nutzern bei der Suche nach Produkten. Das erhöht die Akzeptanz von sogenannter Retail Media-Werbung.

Das Geschäft mit der Vermarktung von Werbeflächen auf E-Commerce-Plattformen, das Asos jetzt kräftig ausbaut, gehört zu den größten Wachstumsmärkten der vergangenen Jahre. Nicht nur innerhalb der Werbebranche, sondern auch innerhalb des Online-Handels. Die TW stellt die größten Player vor und gibt einen Überblick über die Prognosen für Retail Media in Europa und weltweit.

Retail Media gehört zu den größten Wachstumsmärkten der vergangenen Jahre. Die Big Player des Online-Handels haben erkannt, dass sich nur ein Bruchteil ihres Traffics monetarisieren lässt. Schließlich enden nur wenige Prozente der Visits in einem Kauf. Die Vermarktung der Werbeflächen bietet den reichweitenstarken Shop- und Plattform-Betreibern hingegen die große Chance, diesen Traffic auf eine andere Weise als die herkömmliche zu Geld zu machen.


Vorreiter und Marktführer der Branche ist der Online-Konzern Amazon, der im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht rund 37,7 Mrd. US-Dollar (35,2 Mrd. Euro) mit Werbung umgesetzt hat. Das entspricht einem Wachstum von 21,11% gegenüber 2021, als das Retail Media-Geschäft sogar um 57,6% gewachsen ist.

Vermutlich krisenbedingt. Schließlich hatte der E-Commerce in den ersten beiden Corona-Jahren in vielen Ländern stark von den Lockdowns, der Homeoffice-Pflicht und der Angst der stationären Kunden vor Ansteckungen profitiert. Das führte dazu, dass bei Amazon der Anteil des Retail Media-Geschäfts am Gesamtumsatz im Jahr 2021 um 1,51 Prozentpunkte auf 6,63% kletterte. Im Folgejahr, in dem der coronabedingte E-Commerce-Boom deutlich abflaute, waren es dann 7,34%. Immerhin 0,71 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Mehr zum Thema
Elton Ollerhead
Asos
Interview mit Elton Ollerhead, Director der Asos Media Group

"Wir treten bei Retail Media in eine neue Phase ein"

Der britische Online-Modekonzern Asos baut die Vermarktung seiner Werbeflächen noch in diesem Sommer kräftig aus. Dabei arbeiten die Londoner mit dem französischen Retail Media-Spezialisten Criteo zusammen. Die TextilWirtschaft unterhielt sich mit dem Chef der Asos Media Group, Elton Ollerhead, über die Gründe für die relativ späte Offensive in dem Geschäftsbereich, die Vorteile der neuen Werbetechniken und seine Pläne für Retail Media.

Dem britischen Werbeforscher Warc zufolge befindet sich der weltgrößte Online-Händler mit den besagten fast 38 Mrd. Dollar bereits auf Augenhöhe mit dem globalen Print-Werbemarkt, der 2022 ein Volumen von 37,31 Mrd. Dollar hatte und in diesem Jahr voraussichtlich auf 33,65 Mrd. Dollar absinkt. Zudem belegt Amazon im Ranking der Unternehmen mit den größten Werbeumsätzen mittlerweile den dritten Platz. Hinter Facebook (115 Mrd. Dollar) und Google (209,5 Mrd. Dollar).

Wachstum von 60% in Deutschland

In Deutschland ist Amazon ebenfalls Retail Media-Meister. Die zuständige Landesgesellschaft Amazon Online Germany (AOG) erwirtschaftete laut Bundesanzeiger 2021 rund 2,07 Mrd. Euro. Das sind satte 60% mehr als im Vorjahr. Der Anteil am gesamten Deutschlandumsatz, der sich in dem Jahr auf 31,63 Mrd. Euro belief, lag bei 6,56%.

Analog zum Umsatzwachstum hat sich auch das Team stark vergrößert. Dieses bestand 2021 im Schnitt aus 341 Mitarbeitern. Fast ein Drittel (32%) mehr als 2020, als AOG 259 Personen beschäftigte. Die Zahlen des vergangenen Jahres wurden noch nicht veröffentlicht. Die Pressestelle von Amazon Deutschland wollte auf Anfrage der TextilWirtschaft keine Angaben zum hiesigen Retail Media-Geschäft machen.

Der Amazon-Konkurrent Ebay hat 2022 rund 1,51 Mrd. Dollar mit Werbung umgesetzt. Damit hat der Marktplatz-Betreiber fast 12% seiner Erlöse mit der Vermarktung seiner Werbeflächen erwirtschaftet. Ein Vergleich mit dem Vorjahr ist nicht möglich, da Ebay in diesem Jahr erstmals Zahlen für sein Werbegeschäft vorgelegt hat.

Der deutsche Ableger der Mutter aller Online-Flohmärkte will sich zu dem Thema gar nicht äußern. Der jüngsten Konzernbilanz zufolge hat Ebay in Deutschland im vergangenen Jahr währungsbereinigt 970 Mio. Euro erlöst. Gesetzt den Fall, dass das Werbegeschäft hierzulande ähnlich stark wie im gesamten Unternehmen gewachsen sein, dann hätten sich die hiesigen Retail Media-Umsätze von Ebay 2022 auf 113,88 Mio. Euro belaufen.

Nicht viel auskunftsfreudiger ist die Vermarktungstochter der Hamburger Otto Group, die zwar nach eigenen Angaben der größte deutsche Retail Media-Anbieter ist, über die Details des Erfolgs aber nicht sprechen möchte. Auf Anfrage der TextilWirtschaft teilte eine Sprecherin von Otto.de lediglich mit, dass Otto Advertising "deutlich stärker" wachse als der deutsche und europäische Markt im Schnitt.

Dem Wirtschaftsverband Interactive Advertising Bureau (IAB) zufolge betrug das Retail Media-Wachstum 2022 in Europa 22,5%. Der deutsche Digitalverband BVDW geht davon aus, dass der hiesige Retail Media-Markt in diesem Jahr um 23% zulegt.

Retail Media-Werbung von Timberland in der App von Otto.de.
Otto Advertising
Retail Media-Werbung von Timberland in der App von Otto.de.
Otto Advertising wirbt damit, dass die Plattform Otto.de 11,5 Millionen Kunden hat. Bei der gesamten Otto Group seien es sogar gut 50 Millionen. "Das ist eine hervorragende Basis, um Erkenntnisse zu gewinnen, die wir dann für die Aussteuerung von Werbung nutzen", sagte Otto Advertising-Chefin Sabine Jünger im Juli vergangenen Jahres dem TW-Schwestertitel Horizont.

Der direkte Mitbewerber Zalando, der seine Werbeflächen seit 2015 vermarktet, will ebenfalls keine konkreten Zahlen nennen. Nur so viel: "Zalandos Retail-Media-Einnahmen sind Teil der Einnahmen, die durch die Konzerntochter Zalando Marketing Services generiert werden. In den Jahren 2021 und 2022 waren das jeweils 2% des Gross Merchandise Value (GMV) des Fashion-Store von Zalando", heißt es in der Berliner Konzernzentrale.

Dieses sogenannte Transaktionsvolumen erhöhte sich im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht um 3,2% auf rund 14,8 Mrd. Euro. Somit erwirtschaftete ZMS knapp 296 Mio. Euro mit verschiedenen Markteting-Dienstleistungen. Dazu gehören neben Retail Media unter anderem sowohl das Erstellen von datengetriebenen Marketing- und Mediastrategien als auch die Kreation von 360-Grad-Kampagnen, die über die Zalando-Kanäle laufen. Hinzu kommen Analysen und Reportings der Kampagnen.

Zalando kann die Zusatzeinnahmen durch Retail Media gerade sehr gut gebrauchen. Schließlich stagnierte der Konzernumsatz 2022 mit einem minimalen Minus von 0,1% auf 10,34 Mrd. Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) schrumpfte um 60,6% auf 4,6 Mio. Euro. Im Heimatmarkt Deutschland schwächelte der E-Fashion-Konzern ebenfalls: Der Umsatz verharrte auf dem Vorjahresniveau von 3,22 Mrd. Euro

Der Online-Modehändler und Plattformbetreiber Zalando vermarktet seine Werbeflächen seit 2015. Das Foto zeigt drei Sponsored Product Ads auf Zalando.de.
Zalando
Der Online-Modehändler und Plattformbetreiber Zalando vermarktet seine Werbeflächen seit 2015. Das Foto zeigt drei Sponsored Product Ads auf Zalando.de.
Ein weiterer bedeutender Retail Media-Player ist der Online-Modehändler About You, der mit über 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat über eine große Reichweite verfügt und somit für Werbungtreibende immer interessanter wird.

Die Otto Group-Tochter ist seit 2016 im Retail Media-Geschäft tätig und agiert dabei unabhängig von der Konzernschwester Otto Advertising. Über die Umsätze schweigt sich das börsennotierte Unternehmen aus.

Prognosen sagen starkes Wachstum voraus

Die Aussichten sind für alle Retail Media-Anbieter rosig: IAB Europe geht davon aus, dass der Umsatz in Europa in diesem Jahr um 18,7% wächst. Ein möglicher Grund ist die allgegenwärtige Polykrise aus Inflation, steigenden Energiepreisen sowie Rezessions- und Kriegsangst. Schließlich profitieren erfahrungsgemäß in Krisenzeiten meistens die Werbekanäle, in denen sich die Abverkaufseffekte leicht messen lassen.

Der weltweite Markt für Retail Media wird einer Prognose des Werbeforschers Warc zufolge in diesem Jahr auf 122 Mrd. Dollar wachsen. Nach 110 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: 2018 war der globale Retail Media-Markt noch keine 50 Mrd. Dollar schwer gewesen. Und: 2021 lagen die Umsätze der Branche bereits bei 18% der Einnahmen, die weltweit mit digitaler Werbung generiert wurden. Und 11% der globalen Werbeeinnahmen.

Uwe Roschmann, Managing Director der Omnicom Media Group Germany, ist vom Wachstumspotenzial von Retail Media überzeugt: "Das Thema hält Einzug in die Media-Pläne."
Omnicom
Uwe Roschmann, Managing Director der Omnicom Media Group Germany, ist vom Wachstumspotenzial von Retail Media überzeugt: "Das Thema hält Einzug in die Media-Pläne."
In fünf Jahren, so prognostiziert die weltweit tätige Media-Agentur Group M, wird die Vermarktung von Werbeflächen im E-Commerce rund 160 Mrd. Dollar einbringen. "Retail Media ist definitiv mehr als ein Hype. Das Thema hält Einzug in die Media-Pläne", sagte der Deutschland-Chef der Omnicom Media Group, Uwe Roschmann, der TextilWirtschaft.

Seines Erachtens liegen die Vorteile von Retail Media klar auf der Hand: die Unabhängigkeit von Third Party-Cookies, die Transaktionsnähe, die Targeting-Möglichkeiten und das Wissen über die Kund:innen der Retail-Plattformen. Hinzu kämen immer größere Reichweiten und Player.

Lesen Sie dazu auch:

stats