Online-Marketing-Analyse

Wie sich Retail Media im Werbemarkt etabliert

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Mira London, Group M: „In Deutschland starten 79% der Produktsuchen bei Amazon. Eine derartige Konzentration auf Amazon gibt es in kaum einem anderen Land.“
Mira London, Group M: „In Deutschland starten 79% der Produktsuchen bei Amazon. Eine derartige Konzentration auf Amazon gibt es in kaum einem anderen Land.“

Mit mächtigen Schritten baut Amazon sein Retail Media-Geschäft auf und schnappt sich zunehmend auch Branding-Etats. Die Konkurrenten können ebenfalls vom Boom profitieren. Wenn sie ihre Hausaufgaben machen.

Während viele Gattungen mit der Coronakrise zu kämpfen haben, schnurrt der Retail Media-Motor munter weiter. Vor allem bei Amazon sprudeln die Werbeumsätze: Im vierten Quartal 2020 verbuchte der E-Commerce-Riese in der Kategorie „Other“, die vor allem das Werbegeschäft umfasst, einen Umsatz von über 7,9 Mrd. US-Dollar – das sind 66% mehr als im Vorjahresquartal. Und das ganze Jahr schon gut gelaufen: In keinem Quartal lag die Steigerungsrate unter 40%.


Auch im deutschen Markt stehen die Zeichen weiterhin auf Wachstum, wenn auch mit weniger Dynamik: Die Organisation der Mediaagenturen (OMG) und der Fachkreis Online-Mediaagenturen im Digitalwirtschaftsverband BVDW (Foma) schätzen den Netto-Werbeumsatz von Amazon für 2020 auf rund 1 Mrd. Euro. Das entspricht einem Plus von 10% gegenüber dem Vorjahr. In ihrer Preview für das Jahr 2021 prognostizieren sie ein Wachstum von 13,6%.

Entsprechend gut laufen die Geschäfte bei den Spezialdienstleistern für Amazon-Marketing. „Von Mai bis Juli 2020 haben wir eine Flaute erlebt, danach hat das Geschäft wieder massiv angezogen“, berichtet Ronny Marx, Managing Director der Agentur Intomarkets. Bislang wirke sich der Boom auch nicht negativ auf die Rentabilität von Amazon-Werbung aus: „Das Preisniveau ist durch die verstärkte Nachfrage gestiegen, liegt aber immer noch deutlich unter vergleichbaren Formaten bei Google“, so Marx.

Mira London, Group M: „In Deutschland starten 79% der Produktsuchen bei Amazon. Eine derartige Konzentration auf Amazon gibt es in kaum einem anderen Land.“
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Mira London, Group M: „In Deutschland starten 79% der Produktsuchen bei Amazon. Eine derartige Konzentration auf Amazon gibt es in kaum einem anderen Land.“
Auch bei den großen Mediaagenturen ist Werbung auf den Amazon-Seiten mittlerweile selbstverständlicher Bestandteil des Tagesgeschäfts. Der Grund: „In Deutschland starten mittlerweile 79% der Produktsuchen bei Amazon“, erklärt Mira London, Director E-Commerce bei der Group M. „Eine solche Konzentration auf Amazon gibt es in kaum einem anderen Land.“

Werbungtreibende erwischen ihre Zielgruppen also unmittelbar im Kaufprozess – das ist nach wie vor das wichtigste Argument für Amazon-Werbung. Entsprechend sind die Sponsored Products Ads, also die auf Keywords auktionierten Anzeigen in den Ergebnislisten, nach wie vor Basis der meisten Kampagnen. „Sie sind das Always on-Element, das für ein optimales Performance Setup durch Remarketing-Aktivitäten über die DSP ergänzt wird“, sagt London.

Über die DSP lassen sich Display-, Video- und Audio-Anzeigen auf den Amazon-Seiten und im externen Netzwerk programmatisch buchen. So kann man Kaufinteressenten, die zuvor Amazon besucht haben, auch auf anderen Seiten daran erinnern. Zudem nutzen auch Werbekunden, die selbst nicht auf Amazon verkaufen, das Netzwerk. Reiseversicherer zum Beispiel können Nutzer ansprechen, die sich zuvor auf Amazon Koffer und Mückensprays angesehen haben.

London beobachtet Verschiebungen bei den Präferenzen der Werbekunden: „Der ROAS ist nicht mehr ganz so wichtig wie früher. Es geht nun stärker auch um Branding-Effekte und Share-of-Voice.“ Bei Amazon wird man das gern hören, zielt der Konzern doch mit neuen Werbeformaten wie Video und Brand Stores – mehrseitige markenspezifische Zielseiten – darauf ab, verstärkt auch Branding-Etats zu erschließen.

Darüber hinaus versucht Amazon, die Vermarktung der Shopseiten zunehmend mit anderen Plattformen wie Amazon Music, Prime und Twitch zu verbinden. Und: Die Werbekunden sollen mehr Unterstützung bei der Kampagnenauswertung bekommen.

Neu im Programm ist dazu die Amazon Marketing Cloud, eine ganzheitliche Berichts- und Analyselösung, die sich zurzeit noch in der Betaphase befindet. Sie basiert auf der Cloud-Plattform Amazon Web Services (AWS) und soll unter anderem bei der Kampagnenoptimierung und der Verfeinerung der Zielgruppen helfen.

Vom Retail-Media-Boom profitiert aber nicht nur Amazon, sondern auch diverse Konkurrenten wie Otto, Zalando, About You oder Douglas. Auch Ebay ist dabei, das Geschäft auszubauen: „Derzeit verzeichnen wir Neukunden fast allen Branchen – von Automotive und Consumer Electronics über Haus & Garten bis zu Spielzeug und Mode“, berichtet Eleonore Morlas, General Managerin Central & Southern Europe bei Ebay Ads.

Mit Spannung verfolgt die Branche auch, was bei Media-Saturn passieren wird. Seit Februar ist Torsten Ahlers als Managing Director bei Media-Markt Saturn Marketing Services an Bord und soll die internationale Vermarktung der Werbeflächen in den Onlineshops des Konzerns vorantreiben. Ahlers war zuvor prägender Protagonist beim Aufbau des Retail-Media-Geschäfts beim Otto-Konzern.
„Insgesamt konnten wir letztes Jahr über 70% mehr Umsatz im Vermarktungsgeschäft als 2019 verzeichnen. “
Sibylle Muchow, Otto Retail Media
Seine ehemalige Kollegin Sibylle Muchow, Bereichsleiterin Otto Retail Media, blickt ebenfalls auf ein erfolgreiches 2020 zurück: „Insgesamt konnten wir letztes Jahr über 70% mehr Umsatz im Vermarktungsgeschäft als 2019 verzeichnen.“ Die zweite Jahreshälfte sei nach wie vor die umsatzstärkere: „Hier konnten wir im Vergleich zum ersten Halbjahr über 60% mehr Umsatz generieren“, berichtet Muchow.

Neue Werbekunden kommen vor allem aus den Branchen Handel sowie Textilien und Bekleidung. So werde etwa die neue, crossmediale Targeting-Technologie P.N.T.A. (Profile Environmental-Tagging) sehr gut von den Kunden angenommen. Aufgrund des wachsenden Marktplatzgeschäfts ist geplant, im Laufe dieses Jahres die Sponsored Product Ads auf Otto.de für Partner auch im Self-Service verfügbar zu machen.

Diesen Schritt dürfte Group M-Managerin Mira London sehr begrüßen, die bemängelt, dass man attraktive Reichweiten im Self-Service bislang nur bei Amazon buchen kann. Überhaupt könne die Amazon-Konkurrenz noch deutlich mehr tun: „Die deutsche Retail-Media-Landschaft ist noch nicht da, wo sie sein könnte.“

Dieser Text erschien zuerst auf www.horizont.net.




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