Marcus Schönhart bietet Store-Betreibern die Möglichkeit, ihren ökologischen Fußabdruck mit einem ganz klassischem Handelsformat zu verringern: den An- und Verkauf von gebrauchten Bekleidungsteilen. Die Liste der Modehandelspartner umfasst über 100 Unternehmen
Während sich die Modehersteller fast täglich mit neuen Nachhaltigkeitsprojekten und -zielen lautstark überbieten, herrscht bei vielen Stationärhändlern diesbezüglich oftmals Stille. Sie könnten energiesparende LEDs in ihre Store-Lampen drehen und bei der Zusammenstellung der Sortimente verstärkt nachhaltig produzierte Modeartikel ordern. Das macht sie aber nicht zwingend zu umweltbewussteren Unternehmen.
Hier kommt Marcus Schönhart ins Sustainability-Spiel. Der 50-Jährige bietet Store-Betreibern über die Hamburger Firma Reverse Retail die Möglichkeit, ihren ökologischen Fußabdruck mit einem ganz klassischem Handelsformat zu verringern: den An- und Verkauf von gebrauchten Bekleidungsteilen.
Zwei Secondhand-Formate zur Auswahl
Dafür hat der erfahrene Modemanager, der während seiner fast 27 Jahre langen Karriere in führenden Positionen für Modehandelsgrößen wie P&C Düsseldorf, Katag und Leffers Oldenburg gearbeitet hat, zwei Secondhand-Formate im Portofolio: Die Stationärhändler können entweder Ankaufstationen der Reverse Retail-Tochter Buddy & Selly in ihren Läden einrichten, an denen Kunden aussortierte Kleidungsstücke gegen Einkaufsgutscheine umtauschen können. Diese können die Kunden dann vor Ort einlösen.
Oder die Händler schaffen Verkaufsflächen, auf denen die Reverse Retail-Tochter Vite en Vogue gebrauchte Modeteile anbietet, die sie zuvor u.a. bei Kunden, hochwertig positionierten Secondhand-Boutiquen und Markenherstellern erworben hat. "Wir liefern die Ware in Kommission auf die Fläche", erklärt Schönhart, der mit einem Anteil von 20% der größte Gesellschafter des 2012 gegründeten Unternehmens ist.
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Die Liste der Modehandelspartner umfasst über 100 Unternehmen. Sie reicht vom Department Store-Filialist Breuninger in Karlsruhe, Stuttgart und Freiburg über Ludwig Beck und Lodenfrey in München bis hin zum KaDeWe in Berlin und mehreren Standorten von P&C Hamburg und Wöhrl. "Wir wollen dem Stationärhandel mit unseren Omnichannel-Modellen die Chance geben, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln", erläutert Schönhart.
Vite en vogue-pop-up
Er ist überzeugt, dass die Verlängerung der Nutzungsdauer eines Produkts "ein entscheidender Beitrag zu einer nachhaltigeren Konsumwelt" ist und somit einen "entscheidenden Beitrag zu einem neuen nachhaltigen Konsumverhalten" leistet.
Viele Store-Betreiber seien jedoch selbst nicht in der Lage sind, ein sogenanntes Circular Fashion-Konzept zu betreiben. "Das ist viel zu komplex und erfordert viel zu viel Know-how, zum Beispiel bei der Preisfindung", erklärt Schönhart. Darüber hinaus dürfte es den meisten Händlern schwerfallen, ein umfassendes Secondhand-Sortiment einzukaufen, zu kuratieren und auf der Fläche zu steuern. "Wir sind der Herr der Ware. Wir können die Ware wie eine Marke von der Fläche nehmen und reinschieben."
Vite en vogue-Schaufenster bei Breuninger in Stuttgart.
Der Erfolg gibt ihm offenbar recht: "Wenn Breuninger bereit ist, in Karlsruhe eine Fläche von 40m² dauerhaft herzugeben, dann sind die Umsätze so gut, dass es sich lohnt", sagt Schönhart, ohne dabei konkrete Zahlen zu nennen. Als Gründe nennt er das Verkaufsumfeld und die gründlichen Prüfprozesse: "Wir können extrem hochpreisig verkaufen, weil wir von Breuningers Vertrauensvorsprung profitieren."
Das gebe den Kunden Sicherheit. Sie würden – anders als in klassischen Secondhand-Läden – keine Angst haben, Plagiate zu kaufen. Zumal Vite en Vogue die Produkte vor dem Weiterverkauf auf ihre Echtheit überprüft.
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Schönhart ist sich aber wohl bewusst, dass es mit einem Secondhand-Service allein nicht getan ist. "Wir wollen als Ganzes für Nachhaltigkeit stehen und nicht nur als Geschäftsmodell. Das ist ein permanenter Prozess", sagt der Reverse Retail-Chef.
Sein Team beschäftige sich derzeit intensiv mit alternativen Verpackungsmaterialien. So sei etwa geplant, die Verpackungsfolien durch Naturmaterialien zu ersetzen. "Wir testen verschieden Möglichkeiten des Verpackens, darunter den Versand ohne Verpackung in Kartons."
Alle 100 Personen und Projekte finden Sie ab Mittwoch, 29. Dezember, 17 Uhr, im E-Paper der TextilWirtschaft und ab Donnerstag, 30. Dezember, in der gedruckten Ausgabe.Aktuelle News zum Secondhand-Modehandel lesen Sie auf der Secondhand-Bühne der TextilWirtschaft. Mehr zum Thema
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