Mimi Sewalski führt die nachhaltige Plattform Avocadostore: "Unser Ziel ist es, den Verbraucher:innen für jedes herkömmliche Produkt eine nachhaltige Alternative zu bieten."
Mimi Sewalski führt die gründe Plattform Avocadostore und will erstmals Brands führen, die noch nicht komplett nachhaltig sind, aber auf einem guten Weg dorthin – und alle Stärken und Schwächen ganz transparent machen.
Bei einer Sache wird sie schwach. Wie neulich im Hotel. Da hat sie sich so eine Miniportion Nutella zum Frühstück gegönnt. 15 Gramm in der Plastikverpackung mit Alufolie. Danach habe sie schon ein schlechtes Gewissen gehabt, sagt
Mimi Sewalski. So etwas ist für die Geschäftsführerin des grünen Online-Marktplatzes
Avocadostore normalerweise tabu.
Denn der 41-Jährigen geht es um die Sache. Schon seit Kindertagen ernährt sie sich vegetarisch. Auf dem Land in Mittelfranken groß geworden, hat ihr Opa sie öfter auf die Jagd mitgenommen und ihr erklärt, warum man die Rehe schießen müsse. „Ich habe das angezweifelt“, so Sewalski.
Heute führt die Greenpeace-Aktivistin den größten grünen Marktplatz Deutschlands, der 2020 auf ein Bruttowarenvolumen von 55 Mio. Euro kam und weiter profitabel wächst. Damit will sie die Welt ein bisschen besser machen. „Unser Ziel ist es, den Verbraucher:innen für jedes herkömmliche Produkt eine nachhaltige Alternative zu bieten.“ Sewalski will, dass Nachhaltigkeit das neue Normal wird. Dafür geht die Pionierin erstmals einen Kompromiss in ihrem Geschäftsmodell ein. Bislang dürfen nur Marken auf der Plattform Avocadostore ihre Produkte verkaufen, die lückenlos nachweisen, dass sie ganzheitlich nachhaltig sind. Hier blieb Sewalski immer hart.
Nun ist sie bereit, ihren strikten Kurs etwas zu ändern. Sie will auch den Brands die Hand reichen, die zwar noch nicht komplett nachhaltig sind, ihr aber nachweisen, dass sie sich ganzheitlich verändern wollen. „Dazu habe ich bislang kategorisch nein gesagt.“ „Wir wollen den Unternehmen helfen, nachhaltiger zu werden und sie eventuell auch dabei beraten“, kündigt Sewalski an, der es dabei auch auf Kleinigkeiten wie die Nutzung von Ökostrom ankomme.
Sie und ihre 70 Mitarbeiter:innen befänden sich mit diesen Firmen im engen Austausch. Solch ein Diskurs könne auch mal über Jahre gehen, sagt Sewalski. Denn Nachhaltigkeit sei mehr als ein Siegel oder Zertifikat. Sie schaue auch stark darauf, wie die Firmen ihre Mitarbeiter behandeln und wie sie ihre Lieferketten kennen und kontrollieren. 2022 werden voraussichtlich nur ein bis zwei Marken dieser Kategorie neu ins Avocadostore-Sortiment aufgenommen, weil noch nicht viele herkömmliche Brands Sewalski überzeugen konnten.
Warum die Abkehr von den strengen Vorgaben? „Es ist wichtig, Greenwashing zu vermeiden“, so Sewalski, die von 2005 bis 2008 in Israel gelebt und sich dort bei einem High Tech-Unternehmen um die semantische Suche im Internet gekümmert hat. Auf Avocadostore würden Marken und Produkte, die noch nicht komplett nachhaltig sind, für die Verbraucher:innen ganz transparent vorgestellt – mit allen Schwächen, die sie in Sachen Nachhaltigkeit noch haben. Das findet Sewalski ehrlich.
Außerdem gesteht sie gerade größeren Unternehmen zu: „Es ist oft schwerer, einen großen Tanker zu wenden, als ein kleines Schiffchen.“ Warum sollte man diesen Firmen also nicht die Chance geben, ganz offen zu zeigen, was sie schon nachhaltig machen und was noch nicht? „Die Verbraucher:innen können uns vertrauen, dass wir gut selektieren und Schwächen erkennen.“ Als Privatperson könne man das hingegen kaum leisten, wenn man ein bestimmtes Produkt im Netz suche.
Zu den derzeit mehr als 70.000 Produkten, die Avocadostore von 4000 Marken anbietet, kommen also bald noch welche dazu, die sich auf einem guten grünen Weg befinden. Namen von Brands will Sewalski noch nicht nennen. Aber eines ist bei der Greenpeace-Aktivistin wohl sicher: Ein schlechtes Gewissen wird sie – anders als bei ihrer kleinen Nutella-Sünde – dabei nicht haben müssen.