TW Data − Ein Blick auf die Big Five im Luxus-E-Commerce

Farfetch, Mytheresa, Net-a-Porter, Matchesfashion und Ssense dominieren den Online-Handel mit Luxusmode. Die TW hat die Big Five zusammen mit dem Datendienstleister Databoutique.com unter die Lupe genommen.

Feiner Edit: Mytheresa hat rund 460 Marken im Sortiment.
Mytheresa

Der Luxus-E-Commerce wird in der Dekade ab 2018 um geschätzt 100 Mrd. Dollar größer werden. Viele tippen darauf, dass Farfetch, Mytheresa, Net-a-Porter, Matchesfashion und Ssense einen Großteil davon unter sich aufteilen werden. Grund genug, sich die Big Five näher anzuschauen.

Mehr und mehr Luxusartikel werden im Internet verkauft. Bis 2025 dürfte der Online-Anteil an den weltweiten Umsätzen im Top-Genre, der sich momentan bei rund 23% bewegt, auf mehr als 30% ansteigen. Die Großen im Luxus-E-Commerce − Farfetch, Mytheresa, Net-a-Porter, Matchesfashion und Ssense − werden wohl von dieser Verschiebung profitieren.

Die TW hat sich die Big Five mithilfe der Datenmagier von Databoutique.com angeschaut. Der Datendienstleister, den Andrea Squatrito und Pierluigi Vinciguerra gegründet haben, schaut sich Preise und Mengen an und zieht daraus Rückschlüsse auf die Teuerung, die Stärke von Marken und die Rentabilität von Vertriebskanälen.
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Die Auswertungen des Duos sind gefragt wie nie. Investoren, Analysten, aber auch Marken und Retailer klopfen an. "Große Gruppen arbeiten mit uns an sehr sensiblen Themen. Vor ein paar Jahren war das noch undenkbar", sagt Squatrito. "Die Kultur auf den Führungsetagen ist eine andere geworden. Heute werden Entscheidungen weniger aus dem Bauch heraus gefällt, sondern mit Fakten abgestützt."

Hier die Take-Aways zu den Big 5:

Größe trifft auf Selektion: Im Luxus-E-Commerce prallen zwei Modelle aufeinander. Aggregierer treten gegen Kuratierer an. Farfetch ist ein Aggregierer, der mit Größe punktet. Schon jetzt hat der Marktplatz von José Neves mit Abstand das umfassendste Angebot. Mit knapp 460.000 Artikeln hat Farfetch sieben Mal so viele Artikel eingestellt wie Mytheresa mit seinen rund 64.000 Artikeln.
Mytheresa-CEO Michael Kliger verpasst keine Gelegenheit zu betonen, die Vorzüge des Kuratierens hervorzuheben. Er spricht von dem "Edit", mit dem der E-Tailer ein Zielpublikum anspricht, das für die Brands interessant ist. Derzeit seien "Reisen und Feiern" die beherrschenden Themen, sagt Kliger: "Wenn sie Urlaub auf Capri oder der Amalfi-Küste machen wollen, werden sie nichts finden. Es ist alles ausgebucht. Deshalb war es wichtig, dass wir mit Kapseln von Dolce & Gabbana, Zimmermann und dem Pre-Launch von Emilio Pucci genau das im Sortiment hatten, was in der Gunst ganz oben steht."
Der Preis ist heiß: Interessant ist, dass Farfetch trotz des deutlich größeren Sortiments auf einen ähnlich hohen Durchschnittspreis kommt wie Mytheresa und Matchesfashion. In den ersten Monaten 2022 kostete das Produkt auf Farfetch im Schnitt 810 Euro. Das was etwas tiefer als die 886 Euro auf Matchesfashion, aber etwas höher als die 765 Euro auf Mytheresa.
Was ist TW Data?
Die TW verfügt über einen Schatz an Daten. Angefangen vom TW-Testclub, über Studien zu einzelnen Marktsegmenten bis hin zu den Frequenzen in den Innenstädten. Unter TW Data bündelt die TW ihr Datenangebot und erweitert es sukzessive. Mit dem Partner Databoutique.com fokussiert sie sich auf den E-Commerce.
Allerdings ist das Angebot von Farfetch zum Einstiegspreis relativ gesehen umfangreicher als das von Mytheresa und Matchesfashion. 60% der Artikel auf Farfetch kosten weniger als 500 Euro, während nur die Hälfte der Artikel auf Mytheresa und Matchesfashion in dieser Preisspanne angesetzt sind.

Klare Ausreißer nach oben und unten sind Net-a-Porter und Ssense. Net-a-Porter liegt mit einem durchschnittlichen Angebotspreis von 1243 Euro klar an der Spitze. Das hat auch damit zu tun, dass Net-a-Porter dem Cartier-Eigentümer Richemont gehört und deshalb auch viel Schmuck und Uhren verkauft. Der E-Tailer Ssense aus Montreal wiederum ist auf Streetwear fokussiert. Sweater, T-Shirts und Sneaker kosten tendenziell etwas weniger, was den Durchschnittspreis auf 561 Euro drückt.
Die Vielfalt ist gewahrt: Der Luxusmarkt konzentriert sich zusehends. Die drei großen Luxuskonzerne LVMH, Kering und Richemont vereinen immer mehr Macht und Einfluss auf sich. Trotzdem herrscht im Top-Genre immer noch Vielfalt, was sich auch im Sortiment der Big Five widerspiegelt.

Schaut man sich die Top 3 auf den fünf Plattformen an, so taucht außer den Kering-Brands Gucci und Saint Laurent, die viermal und zweimal genannt werden, keine weitere Marke mehrfach auf der Rangliste auf.


Auf Farfetch sind Dolce & Gabbana, Moschino und DSquared2 Spitzenreiter, während die Kunden auf Ssense eine Schwäche für Rick Owens zu haben scheinen.Eigenmarken spielen auch eine Bedeutung. Auf Matchesfashion nimmt Raey eine prominente Rolle ein. Das Label wurde 2015 unter der Ägide von Kreativdirektorin Rachel Proud lancier. Es steht für eine minimale Ästhetik für Frauen und Männer und wird nur auf Matchesfashion verkauft.
Das sind die Hidden Farfetch-Champions: Jeder weiß, dass viele Luxushändler über Farfetch verkaufen. Der Marktplatz erlaubt es den Multibrand-Stores, die Mindestbudgets der Brands zu erfüllen, indem sie online Ware an Kunden in der Welt verkaufen. Jedoch ist es ein gut gehütetes Geheimnis, welche Händler auf Farfetch ein großes Rad drehen.

Dank Databoutique.com lässt sich nachvollziehen, welche Händler besonders viele Artikel eingestellt haben. Mit Abstand auf dem ersten Rang steht der polnische Store Vitkac, der mit fast 12.800 Artikeln mehr als doppelt so viele Produkte anbietet als der Zweitgrößte Destination Brazil aus Rio de Janeiro und der Drittplatzierte I.T. aus Hongkong, der sich in Top Honour umbenannt hat und sich von britischen Magazinen wie i-D und The Face inspirieren lässt.

Auffällig ist, dass rund die Hälfte der Top-30-Händler auf Farfetch aus Italien kommen, darunter Angelo Vintage, Julian Fashion und Tiziana Fausti. Das ist kein bloßer Zufall. Der erste große Multibrand-Händler, der an die Vision von Farfetch-Gründer José Neves glaubte, war Tessabit aus Como.

Der Spross der dritten Generation, Andrea Molteni, drehte bei seinen italienischen Händlerkollegen die Runde und überzeugte sie, sich dem Marktplatz anzuschließen. "Farfetch ist in Portugal entstanden. Richtig begonnen hat die Geschichte in Como", sagt Molteni, der neben Neves stand, als der Portugiese im September 2018 zum Farfetch-Börsengang die Glocke auf dem New Yorker Handelsparkett läutete.

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