TW-Interview mit OTB-Chef Renzo Rosso

"Ich bin grün, auch wenn ich Rosso heiße"

OTB, Diesel
"Mamma Mia, es gibt so viel zu tun", sagt Diesel-Gründer Renzo Rosso.
"Mamma Mia, es gibt so viel zu tun", sagt Diesel-Gründer Renzo Rosso.

Zum 15. Mal sind die Green Awards verliehen worden. Einer der Preisträger in diesem Jahr ist Renzo Rosso. Der Diesel-Gründer und Chef der OTB-Gruppe erhielt auf dem Berliner Greentech Festival einen Sonderpreis für sein Engagement für die Nachhaltigkeit. Der TW verriet Rosso, was er beim Fashion Pact vermisst, was er durch Audits bei seinen Lieferanten herausgefunden hat und warum er seine Führungsmannschaft zurück an die Uni geschickt hat.

Renzo Rosso hat schon viele Preise erhalten. Die Würdigung, die ihm jetzt auf dem Greentech-Festival auf dem Berliner Flughafen Tegel zuteil wurde, ist aber eine Premiere. Zum ersten Mal wurde der Gründer von Diesel und Chef der OTB-Gruppe, der Luxusmarken wie Maison Margiela, Marni, Viktor & Rolf, Amiri und Jil Sander gehören, für sein Engagement in der Nachhaltigkeit geehrt.

"Spätestens seit dem Jahr 2000 hat Renzo Rosso mit seiner Unternehmensgruppe OTB den Fokus auf Innovationen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit gelegt", schreibt die Jury, die Rosso dafür den Sonderpreis "Green Award – Special Prize Italy" verliehen hat. Vor der Zeremonie nahm sich Rosso Zeit für ein Interview mit der TW. Er redete nicht nur über OTB, sondern appellierte an die Politik: "Die Regierungen sollten Gesetze verabschieden, die genau festlegen, was erlaubt ist und was nicht."

TextilWirtschaft: Der Greentech-Award ist der erste Preis, der Ihre Anstrengungen in der Nachhaltigkeit würdigt. Was bedeutet das für Sie?
Renzo Rosso: Stimmt, das ist der erste Preis für Nachhaltigkeit, der mir verliehen wird. Was die Nachhaltigkeit betrifft, hat unser Unternehmen ein echt wahnsinnig gutes Niveau erreicht. Mehr als die Hälfte des Denim-Stoffs, den wir bei Diesel verwenden, ist zu 100% nachhaltig und zertifiziert. Beim Färben verzichten wir auf Chemie. Beim Waschen haben wir unseren Wasserverbrauch um 90% gesenkt. Beim Schneiden kommt Lasertechnik zum Einsatz. Auch die Zutaten sind nachhaltig. Wir verwenden Altpapier und recyceltes Plastik. Unser Programm ist echt intensiv.

Wie lange haben Sie gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen?
Nachhaltigkeit ist mir seit jeher wichtig. Das durchzieht mein ganzes Leben. Ich bin auf einem Bauernhof geboren. Ich bin grün, auch wenn ich Rosso heiße. Schon zu meinen Anfängen verzichtete ich beim Waschen der Jeans auf Chlor. Das Hauptquartier in Breganze wurde vor 15 Jahren schon nachhaltig konzipiert. Diese Lebenseinstellung vermittele ich meinen Mitarbeitern. Ich schickte meine ganze Führungsmannschaft eine Woche an die Bocconi-Universität, damit sie dort einen Kurs über Nachhaltigkeit besuchte. Ich lege Wert darauf, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein schönes Mäntelchen ist, das man sich umhängt. Greenwashing ist leider noch gang und gäbe. Viele Firmen reden über Nachhaltigkeit, ohne zu wissen, was das Wort eigentlich bedeutet.

Preisträger: Renzo Rosso mit den Greentech-Machern Nico Rosberg (l.) und Marco Voigt
Greentech Festival
Preisträger: Renzo Rosso mit den Greentech-Machern Nico Rosberg (l.) und Marco Voigt
Nachhaltigkeit ist größtenteils freiwillig. Sollten die Regierungen die Gesetze verschärfen?
Wir alle müssen überlegen, wie wir unseren Planeten retten. Der ist schon ziemlich zerstört. In Italien stehen wir vor einem großen Problem. Es regnet zu wenig. Wenn es regnet, dann in Strömen. Die Unwetter zerstören die Ernten. Was die Nachhaltigkeit betrifft, geschieht noch zu wenig. Es sind die Firmen engagiert, die Marge haben und sich das leisten können. Die Speerspitze bildet die Luxusindustrie. Die Firmen im Massenmarkt, die viel stärker einem Preiswettbewerb ausgesetzt sind, tun sich schwer. Meines Erachtens sollten die Regierungen Gesetze verabschieden, die genau festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Leider stehen dem wirtschaftliche Interessen entgegen.

Der Luxuskonzern Kering hat den Fashion Pact initiiert, um der Nachhaltigkeit in der Mode den Weg zu ebnen. Auch OTB hat ihn unterschrieben. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?
Der Fashion Pact ist eine gute Sache, denn er zeigt auf, was alles zu tun ist. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Es fehlt nicht mehr viel. Ich bin optimistisch, dass wir die Vorgabe bereits ein Jahr früher erreichen. Was im Fashion Pact fehlt, ist die soziale Dimension. Wir haben alle unsere Lieferanten einem Audit unterzogen. Denn wir wollen sicherstellen, dass alle Mitarbeiter fair behandelt und bezahlt werden. Leider werden viele Menschen, die in der Modeproduktion arbeiten, immer noch ausgebeutet.

Was hat das Audit ergeben?
Wir sind in die Firmen hineingegangen und haben mit den Mitarbeitern gesprochen. Nicht nur in Italien, sondern auch im Ausland. Da gab es schon Sachen, die ich nicht erwartet hatte. Ab und an war ich ziemlich verärgert über die Bedingungen, die wir vorfanden. Da gab es schon einiges, was uns nicht gefallen hat. Wir sind nun dabei, dass gemeinsam mit den Lieferanten zu ändern.

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In OTB gibt es Luxusmarken wie Maison Margiela, die in Italien produzieren, aber auch die Premiummarke Diesel, die viel im Ausland fertigt. Wer ist in puncto Nachhaltigkeit am weitesten?
Das Verrückte ist, dass Diesel in der OTB-Gruppe am weitesten ist. Das liegt daran, dass Diesel viel früher angefangen hat, sich mit der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Ich habe Diesel gegründet. Diesel ist mein Baby. Es stimmt, dass Diesel viel im Ausland fertigt. Doch das ändert sich. Die Rohwaren haben sich verteuert, die Transportkosten sind senkrecht nach oben geschossen. Deshalb haben wir Produktion nach Italien zurückgeholt. Fertigte Diesel vor der Pandemie rund 30% in Italien, so sind es inzwischen 55%. Das freut mich sehr. Die Qualität ist besser. Und wir stoßen obendrein weniger Treibhausgase aus, da wir keine großen Distanzen zurücklegen müssen.

Die Fabriken in Italien sind ausgelastet. Es fehlt an Fachkräften.
Das ist in der Tat ein Problem. Die Firmen jagen sich gegenseitig die Fachkräfte ab. Es setzt sich der durch, der am besten bezahlt. Das Bürgergeld, Reddito di Cittadinanza, ist da keine Hilfe. Es verleitet die Menschen dazu, zu Hause zu bleiben und sich womöglich schwarz etwas dazuzuverdienen. Ich würde mir wünschen, dass die Regierung einschreitet. Sie sollte das Bürgergeld streichen, und den Mindestlohn erhöhen. Ich baue auf Premierminister Mario Draghi. Hoffen wir, dass er etwas tut.

Die Nachhaltigkeit hat einen Preis. Wie stemmen sie die Kosten, insbesondere bei Diesel?
Ich positioniere Diesel höher, um mehr Marge zu haben und damit in nachhaltige Materialien und Verfahren investieren zu können. Aus diesem Grund habe ich Glenn Martens als Kreativdirektor verpflichtet und den Vertrieb zugespitzt, was mich 400 Mio. Euro an Umsatz gekostet hat. Glenn zieht voll mit. Er würde am liebsten schon jetzt eine Kollektion entwerfen, die zu 100% nachhaltig ist. Das geht aber noch nicht, weil uns einfach noch die Materialien fehlen. Ein Beispiel. Elastomere, die für Stretch notwendig sind, sind noch nicht nachhaltig. Deshalb gehen wir Schritt für Schritt nach vorn. Soeben haben wir einen großen Schritt gemacht. Wir versehen unsere Produkte jetzt mit einem QR-Code. Wenn der Kunde den einliest, kann er genau nachvollziehen, woher der Artikel kommt.

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OTB hat mit Sara Mariani eine Nachhaltigkeitschefin. Ihr Sohn Andrea ist Nachhaltigkeitsbotschafter für Diesel. Wie viele Mitarbeiter sind für die Nachhaltigkeit abgestellt?
Sara Mariani hat drei Personen unter sich. Bei Diesel gibt es ein fünfköpfiges Team. Bei den anderen Marken sind es ein bis zwei Personen. Eine bedeutende Rolle spielt die Rechtsabteilung. Vieles, was wir anpacken, dürfen wir noch nicht nachhaltig nennen, weil halt noch 15% fehlen.

Die Gruppe OTB macht viel. Doch einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem alle Aktivitäten gebündelt dargestellt werden, gibt es noch nicht. Für wann dürfen wir den erwarten?
Wir machen so viel. Ich bin richtig sauer, weil wir das nicht mitteilen. Den Nachhaltigkeitsbericht, der von KPMG zertifiziert wird, stellen wir nach der Sommerpause vor. Das ist eine ernsthafte Angelegenheit, die perfektioniert werden will. Mamma Mia, es gibt immer viel zu tun.



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