Jürgen Friedrich, Peter Buckley und Karin Koeppel haben Esprit in Europa zur Erfolgsgeschichte gemacht. Friedrich hat Esprit 1976 in Düsseldorf gegründet, Buckley wurde CEO und Koeppel war die geniale Designerin. TW-Redakteurin Christel Wickerath hat das einstige Dreamteam nach all den Jahren noch mal aufgesucht.
TextilWirtschaft: Wie geht es Ihnen, Herr Friedrich?
Jürgen Friedrich: Mir geht es bestens, ich lebe in Zürich und Southhampton NY. Ich informiere mich intensiv, beteilige mich immer noch an den Geschicken von Esprit und der Branche. Seit 45 Jahren verfolge ich die TW auf ihrem Weg: Was für eine Zeitspanne und was haben wir alles mit der TW erlebt! Rekordzeiten noch mit Chefredakteur Jörg Hintz. Immer kritisch gesehen von Peter Paul Polte und Klaus Kottmeier.
Wie blicken Sie auf Ihre aktive Esprit-Zeit zurück?
Wie Sie sicher wissen, habe ich das Unternehmen in Europa 1976 mit den Esprit-Gründern Doug und Susie Tompkins (je ein Drittel Anteile) in Düsseldorf gegründet. Zuerst einmal mit der Kollektion aus San Francisco. Doug wollte unbedingt auf den europäischen Markt und suchte junge Partner ohne viel Geld, aber mit dem festen Willen zum Erfolg. So fiel die Wahl nach einigem Hin und Her auf mich. Wir haben am Anfang natürlich alle Fehler gemacht, die man nur machen kann, zu viel Ware, die falschen Kunden mit zu wenig Geld, und wir hatten auch oft die falschen Styles für den europäischen Markt, und so ging uns fast das Geld aus.
Wie haben Sie dann doch den Turnaround geschafft?
Erst mit dem Eintritt von Peter Buckley als CEO, der mit seinem großen Know-how im Shipping, Finanzen, Logistik aus San Francisco als Partner dazu kam, ging es stürmisch bergauf. Vor allem nach wenigen Jahren mit Karin Koeppel als Chefdesignerin und Partnerin. Sie schnitt die Kollektion auf den europäischen Markt zu und wir verdoppelten unseren Umsatz fast jedes Jahr. Doug war im Hintergrund und machte für Esprit weltweit aus San Francisco mit dem Fotografen Oliviero Toscani eine tolle Image-Kampagne (Real People Campaign) und mit Ettore Sottsass die Showrooms und Stores. Das hat uns sehr geholfen, die Marke Esprit schnell bekannt zu machen. Leider ging die Partnerschaft von Doug und Susie 1990 zu Ende. Doug zog sich mit dem Verkauf seiner Anteile an Susie nach Chile zurück und hat dort mit seiner neuen Frau Kris Tompkins den Douglas Tompkins Patagonia National Park aufgebaut, der so groß ist wie die ganze Schweiz. Nach seinem Tod wurde der Park an den chilenischen Staat übertragen.
Wie ging es dann weiter mit Esprit?
Leider schieden auch auf eigenen Wunsch Peter Buckley und Karin Koeppel in den 90er Jahren aus. Mit neuem Management ging es dann weiter bergauf und mit dem Eintritt von Heinz Krogner als CEO 1998 stürmisch auf die 3 Milliarden Euro zu. Leider wurde dabei auch die Marke ‚gemolken‘, die Expansion zu stark nach vorne getrieben und in Europa zu teure und aufwendige Läden angemietet. Das Board in Hongkong inklusive meiner Person hatten leider nicht den richtigen Riecher für die Nachfolge von Heinz Krogner. Ich bin fest davon überzeugt, nach wie vor als kleiner Shareholder, dass wir mit dem neuen Großaktionär und dem neuen CEO Mark Daley sowie dem smarten Europa Manager Leif Erichson wieder nach vorn kommen und verlorenes Terrain zurückgewinnen. Das hat die TW gerade gemeldet. Esprit hat per 30.6.2021 nach Jahren und trotz Pandemie wieder schwarze Zahlen geschrieben.
Sie haben eine eigene Stiftung gegründet. Wie stark sind Sie heute involviert in Ihre JAF-Foundation?
Ich hatte großes Glück und konnte harte Arbeit investieren, um gutes Geld bei Esprit zu verdienen. Mein Credo im Leben lautet, wenn es Dir gelingt, im Leben durch deine Arbeit, dein Wissen, deine Beziehungen und dein Glück viel Geld zu verdienen, verpflichte dich, den Großteil des Vermögens in eine eigene Stiftung einzubringen und den Menschen, durch die ich Geld verdient habe, dieses wieder zurück zu geben. Wenn Sie auf die Webseite meiner Stiftung gehen (jaf-foundation.org) sehen Sie am besten, welche Themen und Organisationen ich unterstütze. Letztendlich ist doch klar: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren in ihrem Leben?
Viele Ansatzpunkte aus der Esprit-Zeit sind auch noch heute für junge Menschen übertragbar. Man muss schon den Mut haben, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen und irgendwann auch ins kalte Wasser springen und einfach anfangen für die Idee zu leben, für die man brennt.
Was haben Sie persönlich aus der aktiven Tätigkeit bei Esprit für Ihr weiteres Leben mitgenommen?
Ohne Fleiß kein Preis – sicher ein alter Satz, hinter dem aber einfach der feste und unerschütterliche Wille steckt, Erfolg zu haben. Und dies geht nur mit harter Arbeit und eventuell auch mit starken und seriösen Partnern, die die gleiche Philosophie verfolgen und den gleichen harten Willen zur Arbeit haben.
Wie blicken Sie heute auf die Modebranche in Deutschland und auch international?
Es ist immer noch eine hochinteressante Branche mit 1000 Möglichkeiten zum Erfolg. Wichtig ist natürlich die richtige Nase für das Produkt zu haben und dann auch rechtzeitig neue Ideen aufzugreifen wie zum Beispiel der Zara-Gründer Amancio Ortega, der im Norden von Spanien seinen ersten kleinen Store hatte und dadurch früh erkannt hat, dass man vertikal vorgehen muss. Oder Jeff Bezos, der in einer Garage mit Büchern online gestartet ist und heute ein ganz großer Player ist, und viele andere, die immer unter dem Motto gearbeitet haben: Produkt, Produkt, Produkt.
Interessiert Sie persönlich Mode?
Im Alter von 83 ist man zwar immer noch neugierig, hat aber genug Klamotten im Schrank.
Wie planen Sie Ihre Zukunft? Haben Sie noch Themen auf der Bucket-List?
Immer neugierig sein, bewusst sportlich und gesund leben, den Planeten versuchen zu schützen und sich mit ihm beschäftigen.
TextilWirtschaft: Ihr Leben nach Esprit scheint ruhiger zu sein. Stimmt das oder ist der Umgang mit der Natur komplizierter?
Peter Buckley: Die Arbeit mit der Natur ist lebensbejahend. Wir arbeiten mit dem Leben selbst, um die Menschen zu ernähren und Schönheit zu schaffen, da wir viele Blumen anbauen. Um Ihre Frage zu beantworten, ich habe das Gefühl, dass meine Arbeit und mein Leben jetzt besser synchronisiert und harmonischer sind.
Wie sind Sie Bauer geworden? War es Ihr Wunsch, in die USA zurückzukehren?
Ich habe es geliebt, das Esprit-Geschäft mit unseren wunderbaren Mitarbeitern und meinem Geschäftspartner Jürgen Friedrich aufzubauen. Aber kurz nach der Geburt unserer Söhne in Düsseldorf entschieden wir uns, nach Kalifornien zurückzukehren. Meine Mission war es dann, zumindest für sie eine bessere Welt aufzubauen. Wir gründeten eine Schule (Greenwood School), zudem das Center For Ecoliteracy (ecoliteracy.org) und bauten ein Zuhause für die Umweltbewegung namens David Brower Center (browercenter.org). Gleichzeitig beschäftigte ich mich mit der Naturschutzarbeit meines Freundes und Partners Doug Tompkins in Südamerika, die bis heute andauert, auch nach Dougs Tod vor einigen Jahren. Ich bin zur Landwirtschaft gekommen, weil sie ein großer Teil der Lösung unserer aktuellen ökologischen Krise ist. Ich denke, jeder versteht die Freude, einen Samen zu pflanzen und zu sehen, wie Leben wächst. Ich beschloss, viele Samen zu pflanzen. Interessanterweise kommt die meiste Befriedigung wieder aus der Arbeit mit jungen engagierten Leuten, genauso wie in meiner Zeit bei Esprit.
Wie ist Ihr Leben heute?
Ich könnte für mein Leben nicht dankbarer sein, genauso wie für die Zeit in Deutschland. Für mich ist die größte Befriedigung, wenn ich mir etwas vorstelle, das dann auch zu realisieren, wie zum Beispiel unsere Farm. Das Schöne an der Landwirtschaft ist, dass man nie aufhört zu lernen. Hobbys habe ich nicht wirklich. Wir bauen auf der Front Porch Farm über 100 verschiedene Pflanzen an, daher genießen wir es definitiv, mit den frischesten Zutaten zu kochen, die man sich vorstellen kann.
Sie waren mit Esprit außerordentlich erfolgreich. Was war rückblickend der Grund?
Ich kann mir den Erfolg von Esprit ohne Jürgen und Karin nicht vorstellen. Es war mein großes Glück, sie als Partner gehabt zu haben. Sie sind beide einfach außergewöhnlich. Esprit hat eine großartige Belegschaft angezogen, von der jede Person sich verpflichtet hatte, ihre Arbeit auf hohem Niveau zu leisten. Typisch ‚schnelles Wachstum‘ ist das, was Modeunternehmen am häufigsten zerstört, aber das haben wir zu unserem Vorteil gemacht. Man vergisst leicht, dass Esprit 1979 das einzige Sportswear-Unternehmen war, das in Markenbildung investierte. Diese Investitionen ebneten den Weg zum Erfolg. Dennoch steht das Produkt an erster Stelle und das war Karins Brillanz.
Verfolgen Sie noch das Geschehen in der Modebranche?
Ehrlich gesagt war ich nie an Mode interessiert, was ein Glück war. Karin wird das bestätigen. Gelegentlich bekomme ich Nachrichten von der alten Esprit-Crew, worüber ich mich immer freue.
Interessieren sich Ihre Kinder für Ihr heutiges Business?
Unsere Kinder sind alle im Design tätig, aber in sehr unterschiedlichen Bereichen. Lake (31) ist Creative Director in New York, Woods (32) ist COO eines High-Tech-Start-ups und Coleman (33) hat eine Surffirma aufgebaut, Ride-Engine.
Kommen Sie manchmal zurück nach Deutschland?
Nein. Ich bedauere, dass ich mir nicht mehr Zeit genommen habe, Deutschland zu genießen und zu erkunden, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Wir wohnten in der Düsseldorfer Altstadt, daher vermisse ich die Kopfsteinpflastergassen, die Gaslaternen und den Markt am Carlsplatz. Auch ein Altbier im Uerige in der Bergerstraße.
Was haben Sie in Zukunft noch vor?
Ich arbeite weiter daran, ein besserer Surfer und Farmer zu werden. Das reicht mir schon.
Karin Koeppel war die geniale Designerin hinter dem Aufstieg von Esprit. Sie startete 1977 direkt nach dem Studium an der Modeschule Eller als Design-Unterstützung in Düsseldorf für das Team in San Francisco und stieg 1994 als Geschäftsführerin mit Geschäftsanteilen aus. In ihrer Esprit-Zeit arbeitete sie quasi rund um die Uhr. Was macht Karin Koeppel heute?
TextilWirtschaft: Sie haben in Ihrer Esprit-Zeit in Düsseldorf gewohnt. Wo leben Sie heute?
Karin Koeppel: Ich wohnte in Düsseldorf aber war während der Esprit-Zeit eigentlich immer unterwegs, viel in Hongkong und Indien, wo wir viel gearbeitet und produziert haben. Nach meinem Ausstieg habe ich mich bald wieder zurück in meine bayrische Heimat begeben und lebe heute in München, pendele zwischendurch nach Saint-Tropez.
Wie haben Sie den Übergang ins Private damals gestaltet?
Mit dem Esprit-Team und auch den Kunden waren wir immer so etwas wie family and friends. Das war damals ein wichtiger Teil der Firmenphilosophie. Das habe ich später nahtlos mit meiner Familie fortgeführt, habe mich um meine Eltern, Nichten und Neffe gekümmert und freundschaftliche Beziehungen vertieft, zu denen ich in Esprit-Zeiten nicht gekommen bin. Also hat sich mein Leben nicht so stark verändert, es hat sich ähnlich angefühlt. Aber ganz ohne Hektik und Stress.
Haben Sie seitdem Ihren Job vermisst?
Für mich war wichtig, dass ich den Zeitpunkt für den Rückzug selbst bestimmt habe. Esprit war wie ein Kind für mich, es war aber auch eine extrem stressige Zeit. Ich wollte nicht wieder in eine solche Lage geraten und mich verausgaben. Denn wenn ich etwas anpacke, dann ganz. Vor ein paar Jahren habe ich es mir noch einmal kurz bewiesen. Ich habe einem Freund bei seiner Kollektion in Indien geholfen. Ich war zehn Tage in New Delhi, damals die erste und die letzte im Büro. Das hat mich glücklich gemacht. Und ich kann es noch, wow. Aber ich lebe jetzt ein anderes Leben.
Was hat damals zu dem großen Erfolg von Esprit beigetragen?
Ich kam durch Jürgen Friedrich zu Esprit. Es gab damals eine deutsche Designerin in San Francisco und man wollte eine Assistentin in Deutschland als Unterstützung. Wir konnten uns aber schnell abnabeln und eine eigene Kollektion für Europa entwickeln. Dadurch gab es zwei modische Richtungen und Kunden in Australien und Kanada konnten wählen, aus welcher Kollektion sie kaufen wollten. Das hat uns angespornt. Der Esprit-Gründer Doug Tompkins hat bewusst diese Konkurrenz geschaffen.
Wie hat das Dreierteam mit Peter Buckley und Jürgen Friedrich in Düsseldorf funktioniert?
Wir haben uns voll vertraut und respektiert, keiner hat dem anderen in sein Gebiet hineingeredet. Jürgen war für den Vertrieb verantwortlich, Peter für das tägliche Business, ich für das Design. Und hinter uns stand Doug, der Visionär mit seinen Ideen. So etwa mit dem ersten Flagship-Store in Los Angeles, was damals völlig unbekannt war. Oder mit der Real People-Kampagne von Oliviero Toscani, was Jahre später für viele Unternehmen wie Gap und Benetton eine Inspiration war.
Was ist Ihr besonderes Talent?
Ich sehe ein Teil an einer Frau oder in einem Laden und weiß sofort, daraus lässt sich etwas machen. Ich habe einen Blick dafür und noch nie die Idee gehabt, mich im Design neu erfinden zu müssen. Es geht um den kommerziellen Blick, darum, die Kundin glücklich zu machen. Dabei stehen Qualität und Passform in meinen Augen ganz vorne. Dazu muss man Perfektionist sein. Ich lasse da nicht locker bis es 100% ist. Ich habe alle Fittings selber abgenommen und die Leute damit auf die Palme getrieben.
Wie gestalten Sie heute Ihre Zeit?
Ich reise nach wie vor sehr viel, um Neues zu entdecken, mich mit Kulturen zu beschäftigen. Oft mit meinen Nichten oder meinem Neffen. Indien ist für mich immer noch eines der interessantesten Länder der Welt. Darüber hinaus pflege ich meinen internationalen Freundeskreis. Mein provenzalischer Garten ist eine Freude und hier lebe ich meinen Gestaltungssinn aus. Genauso wie beim Kochen.
Hegen Sie noch die Leidenschaft für Mode?
Das ist Teil meiner DNA, aber hat heute eine andere Bedeutung. Ich gehe einmal in der Saison durch die Läden und schaue mir alles an. Ich kaufe gerne auf meinen Reisen ein, mein Lieblingsort ist der Chatuchak-Markt in Bangkok. Dort kann ich einen ganzen Tag verbringen. Auch in Mexiko findet man wunderbare Märkte und kleine Läden. Ich mochte immer die Arbeit von Ralph Lauren, auch weil er persönlich seinen Lifestyle verkörpert. Mit der heutigen Schnelligkeit in der Mode kann ich nichts anfangen. Wenn sich alle anderen immer mehr aufbrezeln, mag ich eine gute Jeans, eine weiße Bluse und ein Paar tolle Ohrringe.
Was macht eigentlich...Familie Eickhoff?
"Glücklich, dem Zeitkorsett entronnen zu sein"