Fabian Weiss inszeniert sich gern auf Instagram. Influencer möchte er aber keiner sein.
Viele Beiträge stehen nicht auf seinem
Instagram-Account, doch auf den meisten Bildern, auf denen Fabian Weiss zu sehen ist, hat er sich instagramable in Szene gesetzt.
Influencer will der Mode-Management-Student aber nicht sein. "Ich sehe das alles zunehmend kritisch und bin vielen Influencern wieder entfolgt." Zu viel Marketing, zu homogene Bilder, viele zeigen auch ihre Kinder. Das findet er nicht gut. Und dann noch die vielen eigenen Labels, die Influencer gründen, zumeist unter der Flagge der Nachhaltigkeit. Aber kann das x-te neue Mode-Label den Sustainability-Gedanken glaubhaft transportieren? Das fragt sich der 24-Jährige.
Beim Video-Call trägt er eine Bluse im wilden Leopardenmuster. "Mode war für mich immer eine Möglichkeit zu zeigen, dass ich schwul bin, ohne es auszusprechen", sprudelt es aus ihm heraus. Er mag es auffällig und bunt. Viele glauben deswegen auch, dass er Modedesign studiert. Aber er hat sich für BWL und Fashion Management an der DHBW in Heilbronn entschieden. "Wenn es in Richtung Design geht, geht es auch schnell in Richtung brotlose Kunst. Außerdem reichte mein Talent dafür nicht aus", sagt Weiss. Er hat sich mit vielen Studenten Dualer Studiengänge unterhalten und sich schließlich für dieses Konzept entschieden. "Wir sind nur 23 Leute, der Prof kann individuell auf jeden eingehen. Und ich fand gut, mit 24 fertig zu sein, denn nach drei Jahren hat man den Bachelor."
Zwischen Zweifeln und unbezahlten Praktika
Doch dieser pragmatischen Entscheidung gingen erst einmal einige Irrungen und Zweifel voraus. 2017 hat er nämlich nach einem Semester ein Jurastudium an der Frankfurter Goethe-Uni abgebrochen. "Ich saß da und stellte fest, das ist nichts für mich. Danach hatte ich erst einmal eine kleine Identitätskrise."
Mode habe ihn schon immer interessiert und so beschloss Fabian Weiss, sich erst einmal für Praktika zu bewerben. Aber es hagelte Absagen. "Viele sagten mir: Du passt in die Fashionbranche, aber nicht zu uns." Auch Kaviar Gauche hatte ihn eigentlich abgelehnt. Auf deren abschlägige Mail hat Weiss aber noch mal geantwortet, und am nächsten Tag bekam er den Anruf, dass er anfangen könnte. Innerhalb einer Woche suchte er sich ein Zimmer in Berlin und startete seinen neuen Job bei dem angesagten Designer-Label in der Hauptstadt für die nächsten fünf Monate.
"Es war ein bisschen wie bei 'Der Teufel trägt Prada': Ich war Mädchen für alles. Ich habe Cola gekauft, Stefanie Giesinger empfangen, Vogues verschickt, und am Ende war ich bei einer Schau in Paris", erzählt er lachend. Running Order planen, unsichtbare Wäsche für die Models besorgen, beim Umziehen helfen: Obwohl die Fashion Show purer Stress gewesen sei und in der Zeit kaum an Schlaf zu denken war, habe es ihn danach gepackt. "Es gibt wenig Geld und kaum Perspektiven, aber ich habe gemerkt, das ist meine Welt. Ich habe eine totale innere Zufriedenheit gespürt."
Fabian Weiss über sein Praktikum bei Kaviar Gauche: "Es war ein bisschen wie bei 'Der Teufel trägt Prada'."
Allerdings erhielt seine Euphorie über die Modewelt auch einen Dämpfer. "Ich dachte, als Brand macht man immer nur das, was zur Marke passt, aber viele Entscheidungen sind sehr zahlengetrieben."
Apropos Zahlen: Bitter für die meisten Studenten – Praktika werden fast nie vergütet. "Ohne Unterstützung der Eltern könnte man das gar nicht schaffen. Dabei wäre uns schon mit 300 Euro geholfen", schickt er auch einen Appell in Richtung Arbeitgeber.
Start mit dem dualen Studium
Zurück in der Heimat Heilbronn hat Weiss dann erstmal als Weihnachtsaushilfe bei Orsay gejobbt und sich an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg beworben. 2018 legte er dann los. Das Studienmodell zeichnet sich aus durch abwechselnde Theorie- und Praxisphasen. Und ein Praktikum wollte er gern bei der TextilWirtschaft absolvieren. Die wiederum hat er bei Kaviar Gauche entdeckt. Das Label hatte die Ausgabe aufgehoben, als es selbst auf dem Titel war. Weiss begann zu blättern, und sein Interesse wuchs. "In meiner Naivität bin ich dann zu einem Kiosk gegangen und hab nach der TW gefragt", erzählt er und schüttelt lachend den Kopf.
Bevor er im Juni 2018 in die Frankfurter Redaktion kam, absolvierte er noch ein Praktikum bei dem Regional-Magazin Moritz. "Das hat auch Spaß gemacht. Journalismus liegt mir dann, wenn es um Mode geht." Bei der TW arbeitete er in der Wirtschafts- und Mode-Redaktion und durfte mit auf die Messen nach Berlin und Düsseldorf. "Ich war wirklich beeindruckt – die Leute reden gleich ganz anders mit einem, wenn es heißt, man kommt von der TW", schildert er seine Beobachtungen.
Fabian Weiss mit Kommilitoninnen von der DHBW Heilbronn.
Sein Studium bestehe zu 70% aus BWL- und zu 30% aus Mode-Inhalten. Da geht es dann zum Beispiel um Brand-Management, Visual Merchandising, Social Media-Marketing und Design. Viele Kommilitonen ziehe es in den Vertrieb oder den Einkauf, u.a. bei der Katag, Zinser oder Breuninger, erzählt Weiss. Er kritisiert, dass der Studiengang sich stark auf den nationalen Handel fokussiere.
Weiss, der sich am ehesten im Marketing sieht, will über den Tellerrand hinausschauen. Deshalb hat er auch ein Austauschsemester in Dänemark gemacht, und das Masterstudium für Internationales Fashion Management absolviert er jetzt in Antwerpen. Die Bachelor-Arbeit hat er bei dem Lederwarenanbieter Philipp Bazlen in Metzingen geschrieben über die Chancen einer Unisex-Kollektion der Gürtelmarke B-Belt.
Herzensthema Gender-Marketing
Gender-Marketing liegt ihm am Herzen. Neben Nachhaltigkeit. Er sagt, Unternehmen müssen wissen, was in der eigenen Lieferkette passiert und mehr Transparenz für den Kunden schaffen. Für den Handel fordert er neue Ideen. Zum Beispiel für genderfluide Abteilungen. "Ich kaufe gern bei den Frauen ein, die Menswear-Abteilungen sind mir oft zu monoton. Aber es gibt Tage, da macht es mir mehr aus, wenn die Leute mich komisch angucken. Dann kaufe ich lieber online", erzählt er ganz offen. Auch anderen gehe das so. "Es gibt halt die strikte Trennung für DOB und HAKA, und für weniger modisch interessierte Kunden ist das sicher auch richtig als Orientierung." Aber eine genderlose Area sei genauso wichtig für homosexuelle, binäre oder transsexuelle Menschen. Hier wünscht er sich mehr Sichtbarkeit. Und das nicht nur im Pride-Month.
Seine im Studium gesammelten Erfahrungen schreibt Weiss auch in einem Blog auf, um anderen Studierenden Tipps zu geben. Wie sie an Praktika kommen, wo sie Hilfe kriegen, wie man ein begleitendes Unternehmen für die Bachelor-Arbeit findet. Solche gebündelten Infos hätte er sich auch gewünscht, sagt Weiss.
Am Ende des Video-Interviews, noch mal zur Faszination der Fashion-Welt befragt, resümiert er: "Es gibt nichts, was mit Mode vergleichbar wäre. Mode ist eine Form des Ausdrucks, Kleider machen Leute: In einem Anzug hat man doch gleich eine ganz andere Haltung als in der Jogginghose", sagt Weiss. Er besitzt übrigens keine Jogginghose. Die eignet sich auch weniger für eine schöne bunte Selbstinszenierung.
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