Presize ermöglicht Modekunden, ihre Körpermaße über das Smartphone zu ermitteln. Anschließend konnten sie bei Handelspartnern von Presize nach Produkten suchen, die ihnen ziemlich genau passen - bis jetzt.
Der Münchner Virtual Dressing-Anbieter Presize zieht sich aus dem B2B-Geschäft zurück. Die Investoren, darunter Carsten Maschmeyer, Chris Brenninkmeyer und Ex-Hermès-Chefin Christina Rosenberg bleiben aber allesamt an Bord. Die Hoffnungen der Virtual Dressing-Interessenten ruhen nun auf Zalando, H&M und Start-ups wie Beawear. Am weitesten ist die Technik im Schuhbereich entwickelt. Der große Durchbruch lässt aber weiter auf sich warten. Ein Grund ist die Kostenlos-Kultur bei den Retouren.
Der deutsche Markt für Virtual Dressing bleibt trotz seines großen Potenzials ein hartes Pflaster. Das Münchner Start-up Presize, das durch die Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen" bekannt geworden ist und anschließend namhafte Manager und Unternehmer wie Carsten Maschmeyer, Chris Brenninkmeyer und die ehemalige Hermès-Chefin Christina Rosenberg als Investoren gewonnen hat, stellt sein B2B-Geschäft Ende März ein.
Das teilte Mitgründer Leon Szeli der TextilWirtschaft mit und bestätigte damit die Aussagen von zwei Modeherstellern, welche die Virtual Dressing-Technik von Presize in ihre Online-Shops integriert hatten.
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"Wir stellen unser Geschäftsmodell um und planen, unsere Technologie nicht mehr direkt B2B-Partnern anzubieten", sagt Szeli. Auf welche Weise Presize seine Technik künftig zur Verfügung stellen will, soll erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden. Wie viele der zurzeit 55 Beschäftigten weiter an Bord bleiben können, stehe noch nicht fest.
Presize zählte zuletzt über 50 Kunden. Dazu gehörten unter anderem die Hemdenhersteller
Eterna und
Seidensticker, der Multichannel-Händler
Keller Sports, der Dirndl-Hersteller
Krüger, das Bestseller-Label Vero Moda, die Ahlers-Marke
Pierre Cardin, das Womenswear-Label
Rich & Royal und die Outdoor-Marke
Vaude.
Vor dem Bodyscan müssen die User Angaben zu ihren Körpermaßen machen.
Rich & Royal, Krüger und
Vero Moda berichteten in
von Presize veröffentlichten Case Studies, dass sich ihre Umsätze durch den Einsatz der KI-gestützten Technik deutlich erhöht habe. Gleichzeitig sei die Retourenquote merklich gesunken (siehe Kasten).
Den größten Effekt verzeichnete Rich & Royal: Wie die E-Commerce-Chefin Katja Galal Ende vergangenen Jahres auf Anfrage der TextilWirtschaft mitteilte, fallen die Online-Warenkörbe bei Nutzern der digitalen Größenberatung um 16% höher aus als bei herkömmlichen Kunden. "Sie kaufen mehr und behalten die Produkte auch." Nach Angaben von Mitgründer Leon Szeli sind im Schnitt Umsatzsteigerungen von 10% möglich.
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"Wir waren überrascht, wie einfach die Einrichtung des Tools war", berichtete die E-Commerce-Chefin von Vero Moda, Metta Vanger Rask Borch, in einer Fallstudie (siehe Kasten). Zu den jüngsten Erfolgszahlen will sie keine Angaben machen. In Schweigen hüllten sich auch die Presize-Nutzer Eterna, Keller Sports, Rich & Royal und Krüger Dirndl.
Die Case Studies von Presize
Nach dem Ende einer sechsmonatigen Messphase stellte Presize fest, dass sich im Online-Shop des Dirndl-Herstellers Krüger der Nettoumsatz nach Retouren um 8,3% erhöht hatte. Die Retourenquote war um 3,3% gesunken.
Bei einem A/B-Test, den Presize beim Bestseller-Label Vero Moda durchgeführt hat, sahen 70% der User (Gruppe B) den digitalen Größenberater, die restlichen 30% (Gruppe A) nicht. Am Ende der sechsmonatigen Messphase kam Presize zu dem Ergebnis, dass die Konversionsrate in Gruppe B fast 2% höher ausfiel als in Gruppe A. Der Umsatz nach Retouren lag rund 7,5% über dem der Vergleichsgruppe. Die Retourenquote war 2,2% niedriger.
Ein ähnlicher A/B-Test beim Damenmode-Label Rich & Royal ergab, dass der Umsatz vor Retouren in Gruppe B rund 50% über dem der Vergleichsgruppe lag. Die Retourenquote fiel 3% niedriger aus.
Die Modeunternehmen hatten ein sogenanntes Add-on von Presize in ihre Online-Shops integriert. Anschließend fand sich auf ihren Produktseiten direkt neben der Größenauswahl ein Button mit der Aufschrift "Finde meine Größe". Nachdem der Nutzer Basisinformationen wie Gewicht und Größe angegeben hatte, konnte er entweder weitere Fragen zum eigenen Körper beantworten oder ein kurzes Smartphone-Video aufzeichnen, in dem er sich einmal um sich selbst dreht.
Nach dem Vermessen wurde eine Größenempfehlung für den User berechnet. Die Daten wurden dann anonymisiert und der Kunde erhielt eine Size-ID. Diese konnte genutzt werden, um in den Online-Shops, die Presize nutzen, eine Größenempfehlung zu erhalten.
Für den Bodyscan müssen die Presize-User ihr Smartphone an die Wand lehnen und sich dann einmal um die eigene Achse drehen.
Integrations- oder Fixkosten gab es für die Unternehmen nicht. Stattdessen hat Presize in A/B-Tests gemessen, ob die Conversion Rate gestiegen und die Retourenquote gesunken ist. Nur, wenn der retourenbereinigte Umsatz signifikant zulegte, erhielt Presize einen Anteil an den Erlösen, die ohne das Tool nicht erzielt worden wären, berichtet Szeli.Die dadurch erzielten Einnahmen bezifferte er auf eine sechsstellige Summe pro Monat. Zum gesamten Umsatz der vergangenen zwei Geschäftsjahre wollte sich der Presize-Geschäftsführer nicht äußern.
Das Gleiche gilt für die Gründe für den Rückzug aus dem B2B-Geschäft mit Virtual Dressing. An der Technik hat es vermutlich nicht gelegen, da sich die Anwender – wenn auch meist anonym – nur positiv über das Tool äußerten, und Presize für seine virtuelle Anprobe-Anwendung 2020 den Bayerischen Innovationspreis erhalten hat. Somit lässt sich nur spekulieren, warum Presize mit seinem Geschäftsmodell gescheitert ist. Möglicherweise war das Gebührenmodell zu großzügig für die Kunden ausgelegt.
Der Auftritt von Presize in der "Höhle der Löwen"
Presize-Geschäftsführer Szeli betont, dass es nicht an den finanziellen Mitteln gelegen habe: "Der Zugang zu Wagniskapital für Start-ups im E-Commerce- und KI-Bereich ist so gut wie nie zuvor. Als 2,5 Jahre altes Venture Capital-finanziertes Start-up nicht profitabel zu sein, ist nicht ungewöhnlich und entspricht unserem Businessplan. Sie sind hier auf der falschen Spur, falls sie denken, dass uns gerade das Geld ausgeht."
Szeli hatte Presize im April 2019 zusammen mit Tomislav Tomov und Awais Shafique gegründet. In der TV-Show "Die Höhle der Löwen" konnten die Jungunternehmer 2020 den Versicherungsmilliardär Carsten Maschmeyer als Investor an Bord holen. Anschließend stiegen auch Chris Brenninkmeyer aus der C&A-Familie sowie die ehemalige Hermès-Chefin und derzeitige Hugo Boss-Aufsichtsrätin Christina Rosenberg bei Presize ein. Hugo Boss-COO Heiko Schäfer kam als Berater hinzu.
Hauptgesellschafter sind laut Handelsregister die Gründungsgeschäftsführer Szeli und Tomov sowie Mitgründer Shafiqu mit jeweils 20,88% der Anteile. Den zweitgrößten Anteil hält der Berliner Frühphasen-Investor
Seed & Speed (14,36%), der von Maschmeyer gegründet wurde und seitdem von ihm als Managing Director geleitet wird.
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Es folgt mit 4,25% der Stuttgarter Wagniskapitalgeber Plug & Play Germany, der auch bei Dropbox,
Pay Pal und N26 investiert ist. Der Münchner Technologie-Investor TUM kommt auf 4,17%, Chris Brenninkmeyer auf 2,74%, Christina Rosenberg auf 1,54%. Laut Geschäftsführer Szeli verlieren die Investoren durch die jüngste Entscheidung kein Kapital. Sie blieben auch – trotz der jüngsten Neuorientierung des Start-ups – allesamt an Bord.
Nach dem Rückzug von Presize aus dem B2B-Geschäft ruhen die Hoffnungen der Virtual Dressing-Interessenten nun besonders auf
Zalando. Der Berliner Online-Modekonzern hat Ende 2020
das Schweizer Start-up Fision übernommen, das eine 3D-Body Scan-Lösung entwickelt hat. Zalando und Fision basteln seitdem an einer virtuellen Umkleidekabine, die Kunden dabei helfen soll, Kleidungsstücke in der für sie perfekten Größe und Passform zu finden. Basis ist eine Fision-App, die den Köper abscannt und vermisst. Ein Starttermin der neuen Virtual Dressing-Lösung steht noch nicht fest.
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Nina Pütz. Zalando bietet bereits Dienstleistungen wie Logistik, Fulfillment, Marketing und Cloud Computing auf dem freien E-Commerce-Markt an. Eine Virtual Dressing-Lösung dürfte mehr als konkurrenzfähig sein, da der börsennotierte Konzern über große finanzielle Mittel für die Entwicklung neuer Technologien verfügt.
Durchaus Potenzial hat auch die App, die das Konstanzer Start-up Beawear im Januar auf den Markt gebracht hat. Diese ermöglicht Modekunden, einen sogenannten digitalen Zwilling zu erstellen. Das heißt, der Bodyscan der Kunden wird durch Gaming-Features in einen virtuellen Avatar verwandelt, der beliebig gestaltet werden kann.
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Das Start-up Beawear aus Konstanz hat eine patentierte 3-D-Bodyscan-Technologie entwickelt, mit der über jedes mobile Endgerät ein virtueller Avatar zur Online-Anprobe erstellt werden kann. Damit sollen algorithmisch Artikel empfohlen werden, die auf der individuellen Körperform und nicht auf der Größe basieren. Das Plug-and-Play-Tool kann in jeden Online-Shop integriert werden.
In einem zweiten Schritt filtert dieser Digital Twin dann sozusagen als Gatekeeper die passenden Größen der Partnershops für die Kunden heraus. So werden algorithmisch Artikel empfohlen, die auf der individuellen Körperform und nicht wie bisher nur auf der Größe basieren.
Erster Anwender ist der Münchner Fair Fashion-Filialist
Thokk Thokk, der Beawear in seinen Online-Shop integriert hat. Drei weitere Online-Händler werden derzeit an das System angebunden. Darüber hinaus hat das Start-up Plug-ins für Shopping-Software-Plattformen wie Shopify, Shopwear, Magento, Oxid, Plentymarket und Woo Commerce programmiert. So können die Nutzer dieser Plattformen die Virtual Dressing-Lösung relativ einfach in ihre Shops einbauen. Die Gebühren reichen je nach Unternehmensgröße von rund 900 bis 2500 Euro im Monat.
Beawear ermöglicht Modekunden, einen digitalen Zwilling zu erstellen, dem sie virtuell Kleidung anziehen können. Ähnlich wie einem Avatar in einem Computerspiel oder auf einer Metaverse-Plattform.
Im Schuhsektor bieten unter anderem das Konstanzer IT-Unternehmen Formigas, das Kölner Start-up One Fid und der Dubliner Anbieter Tryfit Technologies Scanning-Apps an. Die Anwendung von Formigas heißt Shoe Fitter. Sie erstellt
ein millimetergenaues 3D-Modell der Füße, das anschließend mit den Metadaten des gewünschten Schuhs verglichen wird, wodurch eine entsprechende Größenempfehlung gegeben werden kann. Anwender sind u.a. der Sicherheitsschuhersteller Le Maitre und das Berliner Schuh-Label Sorbas.
Die App von Tryfit ist seit Juni vergangenen Jahres beim Gesundheitsschuh-Hersteller Joe Nimble im Einsatz. Um ihren Fuß zu vermessen, müssen die Nutzer diesen lediglich auf ein weißes Din-A4-Papier stellen und die App auf ihrem Smartphone öffnen. Anschließend unterstützt das Programm mithilfe von Führungslinien den Anwender dabei, die Kamera in der richtigen Einstellung über den Fuß zu bewegen und ihn dadurch zu scannen.
Das so errechnete 3D-Modell des Fußes können die Kunden in ihrem App-Account hinterlegen. So haben sie die Möglichkeit, Veränderungen ihres Hallux-Winkels über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Im nächsten Ausbauschritt soll die App um Fitnessübungen ergänzt werden, mit der sich Fußfehlstellungen wieder reduzieren und die Beweglichkeit des Großzehen verbessern lassen sollen.
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ShoeFitter ist eine neue App, die das erklärte Ziel hat, die Retourenquoten im Schuh-Online-Handel zu senken. Sie macht sich die neue Gesichtserkennungstechnologie an Smartphones zunutze.
One Fid hat seine Technik Mitte 2020 beim Schuhfilialisten
Shoepassion implementiert, sowohl in den Stores als auch im Online-Shop. Die Messdaten, die in den Stores erhoben werden, können auch im Online-Shop genutzt werden. Dieser empfiehlt den Kunden, die ihre Füße haben vermessen lassen, passende Modelle und Schuhgrößen. Dazu wurden alle Leistendaten der angebotenen Schuhe digitalisiert.
Der Fußscanner von One FID steht unter anderem im Shoepassion-Store im Berliner Einkaufszentrum Bikini.
Dadurch hat es Shoepassion eigenen Angaben zufolge geschafft, seine Retourenquote um bis zu rund 22% zu senken. Ein direkter Vergleich der Rücksenderaten sei nicht möglich. Als Grund nennt Geschäftsführer Daniel Pokorzynski verschiedene Einflussfaktoren wie die Trennung nach Bestands- und Neukunden, Rabattphasen oder das verwendete Endgerät. Exakt 22% hatte Shoepassion im April vergangenen Jahres vermeldet, allerdings
nur für den Zeitraum November 2020 bis Januar 2021.
Seit September 2021 gibt es den Fußscanner von Shoepassion auch als App, die freilich längst nicht so genau misst wie das Gerät in den Filialen.
Die Konversionsrate habe sich seit Einführung der Technik "bis in den zweistelligen Prozentbereich" verbessert. Den über die Lösung generierten Umsatz beziffert Shoepassion auf eine Summe im sechsstelligen Bereich. Die Nutzungszahlen sind allerdings noch bescheiden: "Seit Mitte 2021 wurde eine mittlere vierstellige Zahl an Größenempfehlungen von Shoepassion ID über Desktop und Mobile generiert", berichtet Geschäftsführer Pokorzynski.
Seit Juli vergangenen Jahres bietet Shoepassion auch eine mobile Version seiner Technik mit dem Namen Shoepassion ID an. Mit der Anwendung, die auf Smartphone-Browsern läuft, können die Füße freilich längst nicht so genau gemessen werden wie in den zehn Stores des Berliner Einzelhändlers.
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Erfolgreicher Launch: Die digitale Fußvermessungs- und Schuhgrößenempfehlung Shoepassion ID konnte nach eigenen Angaben die Retourenquote im Online-Geschäft um 22% senken.
Auf eine rein stationäre Lösung setzt der Fast Fashion-Filialist H&M, der im Herbst vergangenen Jahres
Bodyscanner in zwei Berliner Stores und einer Hamburger Filiale getestet hat. Damit konnten die Kunden virtuelle Avatare, auch digitale Zwillinge genannt, erstellen. Diese ermöglichten den Verbrauchern, ausgewählte H&M-Produkte auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten anprobieren zu können. Dafür mussten sie eine Virtual Dressing-App auf ihre mobilen Endgeräte herunterladen. Über die Nutzungszahlen macht die zuständige Tochtergesellschaft H&M Beyond auch nach mehreren Anfragen bislang keine Angaben.
Wann kommt endlich der Durchbruch?
Virtual Dressing gehört zu den größten Talenten im deutschen Online-Modehandel. Seit mindestens zehn Jahren kommen immer wieder neue Lösungen auf den Markt, mit denen Kunden virtuell ausprobieren können, ob ihnen das ausgewählte Kleidungsstück passt oder gefällt. Bislang konnte sich aber keine dieser vielen Anprobier-Anwendungen im breiten Markt durchsetzen. Eine Art Pay Pal fürs virtuelle Anprobieren mit Millionen von Nutzern und Tausenden von Händlern lässt also immer noch auf sich warten.
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H&M testet seine frisch entwickelte Virtual Dressing-Lösung demnächst in drei deutschen Läden. Dort haben die Kunden fast drei Wochen lang die Möglichkeit, digitale Zwillinge von sich anfertigen zu lassen. Mit diesen können sie ausgewählte Produkte des Filialisten virtuell zu Hause anprobieren.
Dabei tut technische Hilfe im Online-Modehandel Not. Schließlich sind die hohen Retourenquoten von durchschnittlich 50% der Renditekiller Nummer eins. Einer Shopify-Studie aus dem Jahr 2020 zufolge sind fast zwei Drittel der Mode-Retouren auf Passformprobleme zurückzuführen. Und nach Branchenschätzung kostet eine Mode-Retoure den Händler im Schnitt fünf bis zehn Euro.
Die E-Fashion-Expertin Nina Pütz führt den ausbleibenden Durchbruch des Virtual Dressing in Deutschland vor allem auf die Kostenlos-Kultur im E-Commerce zurück: "Solange ich alles kostenlos zurückschicken kann, warum sollte ich mir dann Gedanken machen? Ich bestelle mir das einfach in zwei Größen. Und schicke eine zurück. Kostet mich ja nichts!", sagt die CEO des Online-Payment-Anbieters Ratepay, die zuvor den Online-Shopping-Club Brands4friends und die Mode-Sparte von Ebay Deutschland geleitet hat.
In den USA sei die Situation eine ganz andere, weil die Rücksendungen den Kunden Geld kosten. "Da fragt sich der Verbraucher schon, ob er das Teil in mehreren Größen oder überhaupt bestellen soll." In der Folge seien die US-Kunden eher bereit, virtuelle Anprobe-Techniken auszuprobieren als die deutschen Verbraucher.