Die fünf On-Chefs v.li.: Olivier Bernhard, Martin Hoffmann, David Allemann (klatschend), Marc Meurer und Caspar Coppetti (mit Kappe) beim Lauf an die New Yorker Börse.
2021 war sowohl in Bezug auf die Zahl der Börsengänge als auch beim Emissionsvolumen das stärkste IPO-Jahr weltweit seit dem Jahr 2000. Von den rund 2300 Parkettneulingen haben wir die drei spannendsten aus der Fashion-Branche eingekreist.
1. Mytheresa
Im Januar ging der Luxusmode-Händler
Mytheresa mit einer deutlich höheren Bewertung an die Börse als ursprünglich geplant. Das Unternehmen, das von CEO Michael Kliger geführt wird, wurde mit einem Ausgabepreis von 26 Dollar (23 Euro) je Anteilsschein in New York gelistet. Die Konsortialbanken hatten zuvor eine Spanne von 16 bis 18 Dollar angegeben. Mytheresa wurde demnach mit 2,3 Mrd. Dollar bewertet – und nicht mit rund 1,5 Mrd. Dollar wie zuvor. Den ersten Börsentag beendete die Aktie bei 31 Dollar. Das entspricht einem Plus von 19%.
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Mytheresa lüftet seine Finanzgeheimnisse
Der Online-Händler Mytheresa hat den Antrag für den Börsengang in New York eingereicht. Das Unternehmen gewährt tiefe Einblicke und legt offen, wie viel es mit treuen Kunden verdient, wie viel es für Marketing ausgibt und wie wichtig die Top-Brands sind. Die Highlights aus dem Prospekt.
Mytheresa lockt die Anleger mit der Aussicht, vom Boom des E-Commerce zu profitieren, den die Covid-19-Pandemie befeuert hat. Zudem baut Michael Kliger darauf, sich einen möglichst großen Teil des Online-Luxusmarktes zu sichern, der bis 2025 auf rund 115 Mrd. Euro wachsen soll. Während Konkurrenten wie Farfetch gewaltige Volumen über ihre Plattformen schleusen, steht Mytheresa ähnlich wie Net-a-Porter oder Mr Porter für ein kuratiertes, selektives Sortiment. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern dieses Modell weiter skalierfähig ist. Gerade in den wichtigen Luxusmärkten China und den USA hat Mytheresa erheblich Nachholbedarf.
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Der Luxusmode-Online-Händler Mytheresa hat das Börsendebüt gemeistert. Auf das Unternehmen warten große Aufgaben in Amerika und Asien. Kann es sich durchsetzen?
2. About You
Im Juni geht
About You aufs Parkett. Zum ersten Mal leuchtet unter dem Kürzel YOU an der Frankfurter Börse der Kurs von About You auf. Die Aktie des E-Commerce-Unternehmens klettert von 23 auf 25,60 Euro. Starker Start. Der Börsengang ist ein großer Moment für About You. Der Online-Händler wird mit 3,9 Mrd. Euro bewertet. Zieht man die Gebühren für Berater ab, fließen dem Unternehmen 627 Mio. Euro zu, die in die internationale Expansion und die Technologie gesteckt werden können. Trotz des Meilensteins in der Firmengeschichte hat sich das Top-Management um Tarek Müller dazu entschieden, auf eine Show zu verzichten. Keine Party in Frankfurt. Auf der Internetseite der Börse Frankfurt wird kein Video abgespielt und auch keine Preisfindung live eingeblendet. Das Bild für die Presse, auf dem das Führungstrio Tarek Müller, Sebastian Betz und Hannes Wiese vor der Kurstafel die Glocke läuten, ist nachgestellt.
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Das E-Commerce-Unternehmen About You geht am Mittwoch an die Börse. Die TW hat den gerade veröffentlichten Börsenprospekt durchgearbeitet - und spannende Fakten entdeckt. Auch zu den wirklichen Anteilsverhältnissen.
Ob die neuen Anleger, die die Aktie gezeichnet haben, auf mittlere Sicht zufrieden sein werden, hängt davon ab, inwiefern es About You gelingt, sich möglichst klar von
Zalando abzuheben. Zalando ist deutlich größer und spielt preislich im gleichen Segment. Dafür richtet sich About You mit einer sehr persönlichen Ansprache über 10.000 Influencer an eine jüngere Zielgruppe. Die Leitidee: Mode nicht über das Produkt, sondern über Personen zu verkaufen. Am Anfang stand die Beobachtung, dass sich einige Kandidatinnen der Castingshow Germany's Next Topmodel (GNTM) durch Teilnahme an dem Format beachtliche Social-Media-Reichweiten aufgebaut haben. Eine Opportunität, die nicht ungenutzt bleiben sollte: About You lud die Kandidatinnen, die zu Influencerinnen geworden waren, ein, Produkte aus dem About You-Sortiment zu kuratieren oder selbst welche zu entwickeln und ihren Followern anzupreisen.
IPOs in der Modebranche: Wie erfolgreich waren die Börsengänge?
Schnell tragen die sogenannten Creator-Kollektionen einen zweistelligen Anteil zum Gesamtumsatz von About You bei, neben den Models kommen Musiker und sonstige Cool Kids dazu. Befeuert wird das Businessmodell durch diverse medienwirksame Event- und Show-Formate, allen voran die About You Awards und die About You Fashion Week. Zur besten Sendezeit auf Pro Sieben übertragen, erreicht das Unternehmen zuweilen um 30% Marktanteil (und damit Marktführerschaft) bei den 14- bis 19-Jährigen.
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About You muss an die Börse. Der IPO soll 600 Mio. Euro in die Kasse spülen. Der Zeitpunkt ist gut. Hungrige Investoren haben E-Fashion wieder auf dem Radar. Aber: Sie wollen keine Zalando-Klone. Was macht den Unterschied? Eine Analyse zum IPO.
Das größte Asset im direkten Vergleich zu Zalando? About You hat sich früher und konsequenter von seinem Kerngeschäft, dem eigenen Handel, emanzipiert. War von Beginn an Plattform mit entsprechendem Ökosystem an Dienstleistungen, seit 2017 Provider, seit 2019 mit dem Marketing-Automation-Anbieter Adference eng verzahnt. Wie viel About You als Provider verdient, wurde im Zuge des geplanten Börsengangs bekannt: Die Technologie-Sparte, die
jüngst in der neu gegründeten Tochtergesellschaft Scayle gebündelt wird, erwirtschaftete, Stand Juni, 84 Mio. Euro und ist mit einer Ebitda-Marge von 12% deutlich profitabler als das Handelsgeschäft.
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Mehr Kunden, mehr Märkte. Dank der Expansion in neue Länder konnte About You im ersten Quartal stark wachsen. Das Geschäft bleibt aber defizitär. Das sind die wichtigsten Kennzahlen.
3. On
Seit September ist der Schweizer Running-Spezialist On gelistet. Der mit Spannung erwartete IPO stieß auf reges Interesse der Investoren. Vorher jedoch sorgte eine Gruppe Jogger für Aufmerksamkeit: Die fünf On-Chefs haben sich gemeinsam mit insgesamt 100 Mitgliedern der On Running-Community auf den Weg zur New Yorker Börse gemacht, um die Glocke zu läuten. Ganz easy - und doch so symbolschwer.
TW Podcast: Warum ist On das Tesla der Sportindustrie, Caspar Coppetti?
Zunächst wurde ein Ausgabepreis von 18 bis 20 Dollar angepeilt, letzten Endes lag er bei 24 Dollar. Kurz nach offiziellem Handelsstart schoss der Kurs um 50% auf 35,92 Dollar hoch. Nur elf Jahre nach der Gründung ist On damit ein mit mehr als 6 Mrd. Dollar bewerteter Börsenkonzern geworden. Und der Run auf On-Schuhe ist ungebrochen. 2020 hat das Unternehmen satte 425 Mio. Franken (397 Mio. Euro) erlöst – das waren 59% mehr als im Vorjahr.
On gilt als eine der am stärksten wachsenden Laufschuhmarken international. Das Erfolgsgeheimnis: ein Schuh, der mehr kann als andere – und der irgendwie auch mehr ist als ein Schuh. Eher ein Gefühl. "Cloud" taufen ihn die Schöpfer. Der Name wird Programm. Laufen wie auf Wolken. Gewiefte Technologie und akribische Materialwissenschaft machen es möglich. Die Mechanik des Schuhs ist der Augapfel der Firma. Hart abstoßen, weich landen, so der Slogan. "Man schlüpft hinein und fühlt sich wohl", schwärmen Händler. Und plötzlich ist On Running mittendrin im Wettbewerb mit den Großen, mit Nike und Adidas, mit Asics, Puma oder New Balance.
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Der Schweizer Running-Spezialist On wächst trotz der Herausforderungen in der Supply Chain weiter rasant. Der Umsatz konnte im dritten Quartal um 68% auf umgerechnet 207 Mio. Euro gesteigert werden – über alle Kanäle, Regionen und Produktkategorien hinweg.
Keine Kompromisse, so auch beim Preis. "Wir haben ein Premium-Produkt, das kostet", sagt Co-CEO Caspar Coppetti. Bei 140 Euro geht es los, nur nach oben sind die Korridore offen. Die Positionierung ist klar. Dass man am Anfang keine Ahnung hatte, wie das Business funktioniert, habe sich als glückliche Fügung erwiesen. "Wir mussten viel fragen und gut zuhören." Ein zentraler Wunsch des Handels: längere Produktlebenszyklen. "Die meisten wollen gar nicht alle paar Wochen neue Modelle." Der Kosmos hat sich schon längst geöfnet – in Richtung Fashion, Streetwear, Lifestyle.
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"Wir haben eine Marge wie eine Luxusmarke"
Mit einem spektakulären Börsendebüt schreibt der Running-Spezialist On die Erfolgsstory weiter, die erst vor elf Jahren in Zürich begonnen hat. Das soll alles nur der Anfang gewesen sein: "Wir werden nicht ruhen, bis wir die Nummer Eins sind", kündigt Mitgründer Caspar Coppetti an.