Warum zwei junge Menschen ihre festen Jobs aufgegeben, um ein Schuh-Label zu gründen

"Nie wieder anders"

Desenrasco GmbH
Bianca Both und ihr Freund Matthias Janßen haben den für sie perfekten Schuh gefunden.
Bianca Both und ihr Freund Matthias Janßen haben den für sie perfekten Schuh gefunden.

Bianca Both und ihr Freund Matthias Janßen aus dem ostfriesischen Leer haben das Schuh-Label Desenrasco gegründet. Die Produkte sollen vor allem zeitlos, langlebig und reparabel sein. Eher ungewöhnlich für Newcomer: der direkte Start mit Wholesale.

Was macht man mit Mitte/Ende 20, wenn man feste Jobs hat und privat vergeblich auf der Suche nach dem perfekten Schuh ist? Genau – man gründet einfach sein eigenes Label. Bianca Both (25) und ihr Freund Matthias Janßen (29) aus dem ostfriesischen Leer haben genau das getan. "Wir sind komplette Quereinsteiger. Ich komme aus dem Immobilienbereich, mein Partner aus der Automobilbranche. Vertrieb können wir aber beide", berichtet Both lachend. Ihr Antrieb für die Gründung: "Wir haben nach einem langlebigen Schuh gesucht, der belastbar und reparaturfähig ist, in zeitlosem Design, rahmengenäht. Als jahrzehntelanger Begleiter."

Both war zuvor bei der AOK in der Bereichsleitung Objektmanagement tätig, davor in der Stabsstelle Immobilien und Hotelmanagement bei der der Briese Schifffahrt GmbH. Janßen arbeitete zuletzt als Regionalleiter bei der Credit Life AG und bei dem VW-Partner Gebrüder Schwarte Leer GmbH. Studiert haben sie in Rostock Wirtschaftspädagogik.

Beide sind große Portugal-Fans und wurden per Zufall während eines Urlaubs 2019 auf eine Schuhmanufaktur dort aufmerksam. "Die hatten sich auf einem Markt vorgestellt. Uns hat die Machart der Schuhe gefallen", erinnert sich Both. Das Musterpaar tragen sie immer noch. Das war vor drei Jahren. Den Gedanken, selbst ein Unternehmen zu gründen, hegten sie da noch nicht. "Wir hatten beide gute Jobs. Aber eigentlich wollten wir gern etwas machen, hinter dem wir beide zu 100% stehen."

Desenrasco bietet eine Kollektion mit Chelsea-Boots, Schnürstiefeletten und Schnürhalbschuhen für Männer und Frauen in verschiedenen Farben. Händler können aus 15 Modellen auswählen und die Schuhe individuell modifizieren in Farbe, Leder und Sohlenart.
Desenrasco GmbH
Desenrasco bietet eine Kollektion mit Chelsea-Boots, Schnürstiefeletten und Schnürhalbschuhen für Männer und Frauen in verschiedenen Farben. Händler können aus 15 Modellen auswählen und die Schuhe individuell modifizieren in Farbe, Leder und Sohlenart.
Im Dezember 2021 war es soweit. Die Desenrasco GmbH wurde gegründet. Der portugiesische Name für Label und Unternehmen stehe sinngemäß für ein leichtes Leben und die kreative Art, Probleme zu lösen. Entstanden ist mithilfe von portugiesischen Designern eine kleine ganzjährige Kollektion mit Chelsea-Boots, Schnürstiefeletten und Schnürhalbschuhen für Männer und Frauen in verschiedenen Farben. "Wir wollten Alltagsbegleiter, die nicht geschont werden müssen. Wir sind weit weg von Sneakern, aber auch weit weg von steifen Business-Schuhen", sagt Both.

Gefertigt werden sie aus Leder, ein Material, über das sie und ihr Freund lange nachgedacht haben. "Leder ist umstritten, aber für uns ist Langlebigkeit auch ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt. Das Material stammt von Schlachtern von den Azoren. Und wir kennen die Gerbereien." Es werden ausschließlich pflanzliche Gerbverfahren genutzt. Die Sohlen sind aus Leder oder Vollgummi von der italienischen Firma Vibram. "Wir haben dafür viele Materialien getestet, auch Recycling-Materialien, doch da war uns der Abrieb zu hoch."

Die Desenrasco-Schuhe werden in einer Manufaktur in Portugal hergestellt.
Desenrasco GmbH
Die Desenrasco-Schuhe werden in einer Manufaktur in Portugal hergestellt.

In die Themen haben sie sich selbst eingearbeitet, für den Start in die Selbstständigkeit nahmen Both und Janßen eine Gründerberatung in Anspruch und erhielten einen kleinen Gründerzuschuss vom Amt. Den Rest haben sie aus eigener Tasche bezahlt. Und das alles mitten im Pandemiegeschehen? "Die Umstände sind nie perfekt", sagt Both schlicht. Die Kosten seien noch überschaubar: "Wir produzieren derzeit nur nach Vororder und haben Vorläufe von zwei bis drei Monaten." Im Unternehmen machen die beiden Gründer alles selbst; von der Buchhaltung bis zum Vertrieb.

Im Gegensatz zu vielen anderen Start-ups verkaufen sie ihr Label nicht nur über einen Online-Shop, sondern auch im Wholesale. "Das erfordert viel Fleiß in der Kalt-Akquisition." Both und Janßen sind einfach in den Fachhandel gegangen und haben ihre Schuhe vorgestellt. "Wir bekommen gutes Feedback, aber natürlich sind die Zeiten im Moment nicht leicht. Viele Händler haben Angst, neue Anbieter zu testen. Doch die, die unser Konzept verstehen, sehen das Produkt als Chance." Wer generell stark auf Beratung setze, könnte die hochpreisigen Schuhe gut verkaufen und sichere sich zudem eine gute Marge. Wie genau die ausfällt, will Both nicht verraten. Aber bei der Preisfindung stand nicht nur das Produkt im Fokus, die beiden Newcomer haben den Handel mit einbezogen. Das Ergebnis sind VKs zwischen 299 und 359 Euro.

„„Wir wollten Alltagsbegleiter, die nicht geschont werden müssen. Wir sind weit weg von Sneakern, aber auch weit weg von steifen Business-Schuhen.“ “
Biana Both, Desenrasco

25 Händler in Norddeutschland wurden im März erstmals beliefert. Darunter sind das Schuhhaus Klahsen in Aschendorf und Schockmann Schuhe in Hamburg sowie kleine Boutiquen, aber auch Orthopädie-Geschäfte. "Wir machen vor Ort Termine aus", erzählt Both, einen Showroom gibt es also noch nicht.

Zunächst haben die Gründer die meiste Energie in den Wholesale gesteckt. Seit Januar ist der Online-Shop live, für den nun eine Marketing-Mitarbeiterin eingestellt wurde, um die Inhalte zu pushen. Dabei gibt es für die Verbraucher und Verbraucherinnen weniger Varianten als für den Handel. Der könne aus 15 Modellen auswählen und die Schuhe individuell modifizieren in Farbe, Leder und Sohlenart. Das Angebot soll weiter ausgebaut werden, sagt Both. Das Wettbewerbsumfeld variiere je nach Handelspartner. Both nennt Marken wie Red Wing, Trippen, Ten Points, T Cordwainer und Think!. "Je nachdem, ob wir in einer Boutique, im Schuhgeschäft, im Nachhaltigkeitsbereich oder im Heritage-Laden unterwegs sind. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass wir selten andere Marken verdrängen, sondern eher komplementär und als Ergänzung einkauft werden."

Das weitere Ziel lautet nun organisches Wachstum. Zunächst auf Deutschland fokussiert, mittelfristig auch im europäischen Ausland. In diesem Jahr liegen sie schon über dem Umsatzplan, sagt Both, konkrete Zahlen möchte sie nicht nennen. Ihr Resümee nach dem ersten halben Jahr Selbstständigkeit? "Nie wieder anders", sagt Both sofort. Für die beiden stehe fest, dass sie nie wieder in ein Angestelltenverhältnis zurück wollen. "Wir bereuen die Entscheidung keinen Tag."




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