TextilWirtschaft: Wie laufen die Geschäfte?
Andreas Feldenkirchen: Ausnehmend gut. Nach einem wirklich phänomenalem Weihnachtsgeschäft hatte ich einen Einbruch im Januar befürchtet. Aber den gab es nicht. Auch der Februar war sehr gut. Nur während des Sturms Ende Februar und die zwei Tage nach dem Kriegsbeginn am 24. Februar war es ruhiger und die Stimmung gedrückter. Es waren aber nur die äußeren Umstände, die auf die Abverkäufe drückten.
Wie war die vergangene Woche?
Wir hatten einen tollen Start in den März, aber die letzte Woche lief schlecht. Es war die zweite Ferienwoche hier in Hamburg, in denen es immer ruhiger ist. Seit Montag ist wieder Schule und ich bin gespannt wie die Woche sich entwickelt. Dieser Samstag wird sehr wichtig.
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Interview mit Retail-Profi und Berater Andreas Feldenkirchen
„Über Kapital finanzierte Unternehmen werden auf der Strecke bleiben“
Jetzt erst recht. Im Oktober eröffnete Retail-Profi und freier Unternehmensberater Andreas Feldenkirchen mit Matter Urban Market seinen eigenen Laden in Hamburg. Wie er der aktuellen Herausforderung begegnet, auf welches Geschäftsmodell er setzt und wie Handel heute noch profitabel sein kann, erklärt Feldenkirchen im Gespräch mit der TW.
Was verkauft sich gut? Welche Produkte, Styles, Materialien, Preislagen?
Entsprechend unseres Claims "You don't know what you are looking for until you'll find it here" suchen unsere Kunden bei uns nichts, sie finden etwas. Aktuell läuft Sweat phänomenal. Wir starten bei Sweatshirts mit 70 Euro, im Kern liegen wir bei 100 bis 140 Euro. Die funktionieren gut. Aber auch Jersey wird nachgefragt. Im Moment sind es noch die Longsleeves. Auch die
Sneaker von Autry und Karhu sind Dauerbrenner. Kleider, beispielsweise aus Seide, werden bereits vereinzelt gekauft. Lockere Schnitte wie Kaftanstyles funktionieren besonders gut. Auch Mützen finden immer noch guten Absatz.
Und was läuft noch nicht so wie gewünscht?
Was wir aktuell noch nicht gut verkaufen ist Outerwear. Das ist besonders schade, da dort hohe Budgets drinstecken. Die Winterstyles haben wir extrem gut verkauft, aber ungefütterte Jacken und Shells trägt im Moment noch niemand.
Wie wirkt sich der Ukrainekrieg auf das Einkaufsverhalten aus?
Ich kann nur erahnen, dass auch die Einkaufslust durch den Krieg eingetrübt wird. Wie führen viele Gespräche mit unseren Kunden und stellen fest, dass die Leute abschalten wollen und auch können. Sie wollen Entertainment und kurz aus der Realität aussteigen, sind dann aber nicht unbedingt in Kauflaune. Wir merken, dass unsere Kunden überlegter konsumieren, sie sind krisenbewusster geworden. Nach dem Motto: Es kann ja nicht sein, dass ich mir für 300 Euro Sneaker kaufe, während Menschen 1300 Kilometer von mir entfernt wirkliche Probleme haben. Gekauft wird zwar, aber dann nicht drei Paar Schuhe, weil man alle Farben so schön findet, sondern eben nur ein Paar.
Store des Tages Herbst 2020: Matter Urban Market in Hamburg
Sie sind mit dem Store mitten in der Pandemie gestartet. Wie ist es Ihnen ergangen?
Nachdem ich im Oktober 2020 eröffnet habe, musste ich bereits nach 59 Tagen wieder schließen wegen des Lockdown. Die darauffolgenden Monate bis März 2021, in denen ich nichts verkaufen konnte, haben meine finanziellen Reserven sehr strapaziert. Ab August 2021 lief es dann super. Wir haben so erfolgreich verkauft, dass ich mir bei allen Anbietern Skonto ziehen kann, und das anderthalb Jahre nach Eröffnung.
Sie haben sich für Matter Urban Market bewusst für eine Stadtteillage in Hamburg entschieden. Haben Sie das schon mal bereut?
Nicht einen Tag. Im Gegenteil, mit der 2G-Regelung für den Handel gab es lange Warteschlangen vor den Geschäften in der Innenstadt. Gepaart mit langweiligen Warensortimenten, haben sich die Leute eher in den
Stadtteilen aufgehalten. Wir konnten 25 Kunden gleichzeitig in den Laden lassen und hatten maximal 90 Sekunden Wartezeit. Durch unser breites Angebot an verschiedenen Warengruppen und einem hohen Anteil von Non-Fashion-Produkten konnten wir besonders im Weihnachtsgeschäft punkten.
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Store des Tages Herbst 2020
What's the matter beim Hamburger Matter Urban Market
"Retail braucht Seele", sagt Andreas Feldenkirchen, der am 22. Oktober seinen neuen Store Matter Urban Market in Hamburg eröffnet hat. Und die hat der Retail-Profi den 230 Quadratmetern mithilfe eines luftig leichten, modularen Ladenbaus und einem vielfältigen Sortiment aus Mode, Sneakern und Lifestyle, Papierwaren und Wohnaccessoires, Food, Spirituosen und Kunst sowie einem integrierten Café eingehaucht.
Sie haben Ihr Geschäft auf mehreren Standbeinen aufgebaut. Wie haben sich diese entwickelt? Das Café konnten wir in der Pandemie nicht realisieren, zu groß war der Aufwand mit den Kontrollen. Daher bieten wir seit der Eröffnung Kaffee to go an. Dabei geht es aber mehr um Service als um Umsätze. Ein wichtiges Standbein ist die Galerie, damit setzen wir aktuell rund 400 Euro wöchentlich um. Ab Mitte April kuratiere ich selbst. Den Auftakt macht eine Solo-Ausstellung von Eike König. Wenn die Einschränkungen fallen, möchte ich auch das Marketdays in den Fokus nehmen.
Die Preise für Energie und alltägliche Dinge steigen. Welchen Einfluss hat das auf die Preisgestaltung im Store?Den Preisanstieg merken wir sehr deutlich. Einige Produkte sind schon bei der Re-Order teurer geworden. Spätestens zum Herbst werden die EKs deutlich um 10 bis 15% erhöht. Ich gebe das eins zu eins an den Kunden weiter. Ich kann das auch gar nicht anders machen. Aber ich überlege mir sehr genau, ob ich das Label wirklich noch auf der Fläche brauche, oder ob ich da aussteige. Schließlich gibt es viele gute Brands auf dem Markt. Anbieter, die ich zu teuer finde, kaufe ich nicht mehr.
Über Andreas Feldenkirchen
Mode und Retail sind Andreas Feldenkirchen bestens bekannt. Schon während seines BWL-Studiums arbeitete der Norddeutsche nebenbei im Einzelhandel in den Bereichen Verkauf, Einkaufsassistenz und Merchandising. Und die Leidenschaft für das stationäre Geschäft lässt ihn seitdem nicht mehr los. Verschiedene leitende Positionen bei Ipuri folgten, bevor er sich 1999 mit der Feldenkirchen KG in Hamburg selbstständig macht und seinen ersten Modeladen eröffnet. Das Unternehmen wächst auf vier Geschäfte im Laufe der Jahre. "Vom Handel erst einmal satt" schließt Feldenkirchen 2012 seine Läden und widmet sich fortan der Unternehmensberatung, mit der er bereits 2006 nebenbei gestartet war.
Diese langjährige Tätigkeit und seine grundsätzliche Lust am Einzelhandel machte ihn aber wieder hungrig auf einen eigenen Laden. Den hat Feldenkirchen nun wieder: Am 22. Oktober 2020 eröffnete der Matter Urban Market in Hamburg Hoheluft-West seine Türen.
Was unternehmen Sie, um die Geschäfte in den kommenden Wochen trotz möglicherweise gedämpfter Konsumstimmung stabil zu halten?
Ich setze auf drei Säulen. Erstens arbeite ich mit Lieferanten zusammen, die auch in der Saison Stock haben, sodass ich 10 bis 15% der Ware nachziehen kann. Denn erst wenn ich es auf der Fläche habe, weiß ich, was ein Bestseller wird, nicht ein halbes Jear vorher. Zweitens setze ich auf Flächenvermarktung mit lokalen Makern. So habe ich gerade 24m² inklusive Fenster an eine hiesige Töpferei vermietet. Das kommt sehr gut an und ist eine Win-Win-Situation für beide, wenn das Marketing stimmt. Drittens kreiere ich neue Looks im Laden über Hartware wie Papeterie oder andere Accessoires, die für einen überschaubaren EK enorme Wirkung auf der Fläche erzeugen. Die steuere ich temporär ein.