Was macht eigentlich Gerd Heider?

„Die Branche hat nicht viel dazu gelernt“

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Gerd Heider: "Die Entwicklung bei Basler ist natürlich eine Tragödie. Das Unternehmen wurde vier Mal verkauft. Die falschen Berater haben damals Druck ausgeübt und den Kern der Marke verwässert."
Gerd Heider: "Die Entwicklung bei Basler ist natürlich eine Tragödie. Das Unternehmen wurde vier Mal verkauft. Die falschen Berater haben damals Druck ausgeübt und den Kern der Marke verwässert."

Er war Mister Basler, ein geschätzter Fachmann, der große Erfolge vorweisen konnte. Als er das Unternehmen mit 65 Jahren verließ, war es kerngesund. Heute, 15 Jahre später, ist Gerd Heider der Branche immer noch verbunden. Er ist mit dem Herzen dabei und ärgert sich über die eine oder andere Tragödie, die die Marktentwicklung mit sich gebracht hat.

TextilWirtschaft: Herr Heider, wie geht es Ihnen heute?
Gerd Heider: Sehr gut, vielen Dank. Ich lebe immer noch am Rand des Spessarts bei Aschaffenburg, lese regelmäßig die TW, reise mehrmals im Jahr durch Italien und genieße meine Freiheit. Die Branche hat mir viel Spaß gemacht, auch die Zusammenarbeit mit der TW. Herrn Polte habe ich immer etwas verehrt. Ein belesener Journalist. Er hat mir imponiert.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?
Ich bin noch sehr fit, kann viel machen. Ich nehme immer noch Italienisch-Unterricht. Die Liebe zu Italien und dem mediterranen Lebensstil wächst immer weiter. Und ich freue mich über Zeit mit meinem Sohn und meiner Tochter. Zwei Enkelkinder machen auch viel Freude. Ich habe zur rechten Zeit aufgehört, aktiv zu arbeiten. Das war eine richtige Entscheidung. Aber bis heute hänge ich mit dem Herzen an der Branche.

In diesem Jahr hat Gerd Heider (hier mit seiner Frau Brigitte) seinen 80. Geburtstag gefeiert.
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In diesem Jahr hat Gerd Heider (hier mit seiner Frau Brigitte) seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei Basler?
Das ist natürlich eine Tragödie. Als ich ging, war die Nachfolge mit Ingo Hesse und Jens Eilhardt perfekt geregelt. Wir haben 176 Mio. Euro Umsatz und 26 Mio. Euro Gewinn aufweisen können. Durch die Attraktivität der Marke war der Hunger von Finanzinvestoren zu groß. Das Unternehmen wurde vier Mal verkauft. Die falschen Berater haben damals Druck ausgeübt und den Kern der Marke verwässert.

Viele der damaligen Kunden gibt es ja auch nicht mehr.
Stimmt, zwei Drittel der ehemaligen Kundenliste existieren nicht mehr. Corona beschleunigt dieses Abschmelzen noch weiter. Aber es gibt nach wie vor großartige Händler wie Engelhorn, L&T oder Garhammer. Diese Häuser besuche ich sehr gerne. Da stimmt einfach alles. Aber daneben gibt es nicht viel Positives. Überall hängt viel zu viel Ware, es wird zu früh geliefert, zu früh reduziert. Man hat aus Fehlern nicht viel gelernt in den letzten 15 Jahren. Immer die gleichen Themen.

Gerd Heider und Basler
Gerd Heider war Basler. Kaum ein anderer deutscher Modemanager wurde so eng mit einem Unternehmen in Zusammenhang gebracht. Der im August 1941 in Aschaffenburg geborene Heider kam 1966 in die Firma. Er war gut präpariert, hatte zuvor eine kaufmännische und eine Schneider-Lehre gemacht. Die Firma Fritz Basler war 1936 in Berlin gegründet worden und machte Mäntel in Übergrößen. Nach dem Mauerbau musste die Firma Berlin mit der Produktion verlassen und orientierte sich nach Aschaffenburg, wo es damals noch 300 Kleiderfabriken gab. Als Heider 1966 kam, hatte die Firma gerade in Goldbach gebaut und machte rund 12 Mio. DM Umsatz. 1992 kommt die entscheidende Wende. Die Familie Basler verkauft das Unternehmen an die Mode Holding München. 1996 verkauft die MHM an die Modegruppe Hucke, Heider geht in den Hucke-Vorstand. 2002 verkauft Hucke an die Frankfurter Investorengruppe Alpha. Heider bleibt über alle diese Veränderungen hinweg. 2005 verlässt er das Unternehmen mit einem Rekordergebnis. In den 38 Jahren, in denen er im Unternehmen war, ist der Umsatz von 12 Mio. DM auf 153 Mio. Euro gewachsen und war immer eines der bestverdienenden Unternehmen der deutschen Bekleidungsindustrie. 2017 ist Basler nur noch ein Schatten seiner selbst und wird abgewickelt. Die Markenrechte gehen an die Tristyle Holding. Deren Versandunternehmen Peter Hahn nutzt Basler als exklusive Eigenmarke.

Würden Sie heute mit Basler noch Erfolg haben?
Wenn ich heute 40 oder 50 Jahre alt wäre, würde ich noch viele Chancen sehen. Vor allem in Sachen Passform. Man würde weniger Umsatz als früher machen, aber könnte sehr gut arbeiten. Man muss wie ein Einzelhändler denken. Als solcher würde ich gute Jeans kaufen, tolle Shirts, schöne Blusen, moderne Jacken. Keine Coordinates. Es muss sein wie in einem Restaurant. Früher kam es auf volle, große Teller an, heute will man nur noch die kleine, besondere Portion.

Welche Brands gefallen Ihnen?
Marc Cain ist besonders, hält auch das Qualitäts-Niveau. Auch Sportalm finde ich sehr spannend. Moncler für Jacken und unbedingt Raffaello Rossi für Hosen würde ich kaufen. Natürlich bin ich auch ein Fan von Zara, die einen tollen Job machen. Es ist ein Glück, dass Zara bei den größeren Größen nicht mithalten kann.

Geburtstagswanderung: Gerd Heider mit seinen Kindern Andrea und Christian.
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Geburtstagswanderung: Gerd Heider mit seinen Kindern Andrea und Christian.

Worauf kommt es bei erfolgreichen Brands an?
Man muss seine Zielgruppe ganz genau kennen. Deren Lebensstil muss man verinnerlichen. Was machen die Frauen in der Freizeit, wo arbeiten sie? Bei Basler haben wir immer vor dem Jugendwahn gewarnt. Es gibt die Kundin jenseits der 50, die Größe 42, 44, oder 46 trägt. Diese Mode muss man modern anfassen. So wie es Peter Hahn perfekt macht. Einige andere haben Schwierigkeiten. Zu schnell die Zielgruppe zu verändern, ist immer tödlich. In erfolgreichen Unternehmen geben immer nur sehr wenige Leute den Ton an. Wenn zu viele verantwortlich entscheiden, geht es schief.

Was geben Sie der Branche noch mit auf den Weg?
Man muss sich mit seiner Ware auch mal rar machen, ehrlich und klar agieren. Echte Preise wären ein Fortschritt anstatt der wenig authentischen Eckpreislagen.

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