Zwei Szenarien für die Auswirkungen von Corona

„In der Summe werden die Ausgaben deutlich sinken”


V oder L - das sind die zwei möglichen Ausprägungen der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, die nach Ansichten der Forscher des Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in den kommenden Monaten möglich sind. Welches wahrscheinlicher ist, lässt das Forschungsinstitut in seiner Frühjahrsprognose offen.

Die Politik sollte jetzt weiter entschlossen handeln: Brücken mit Liquiditätshilfen und Kurzarbeit bauen, die Bereitschaft für einen erheblichen Nachfrageimpuls erklären und eine Koordination zwischen den Regierungen organisieren“, sagte Claus Michelsen, Konjunkturchef des DIW anlässlich der Vorstellung des Gutachtens.


Auf die Frage wie groß er die Gefahr einer Rezession einschätze, antwortete er: "Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist sehr hoch. Wir erwarten, dass die deutsche Wirtschaft mindestens in den kommenden beiden Quartalen schwere Zeiten durchleben wird. Es kommt nun darauf an, wie lange und wie weit sich das Virus verbreitet und ob es vielleicht im dritten Quartal zu einer Normalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten kommt oder sich die Pandemie über den Sommer hinzieht. Das sind wichtige Parameter, die wir derzeit kaum einschätzen können."

Bezüglich des Konsums rechnen die Wirtschaftsforscher mit starken Folgen durch die Ausbreitung des Virus. „Es ist davon auszugehen, dass es in vielen Bereichen zu Verschiebungen kommt – weg von Aktivitäten, die in der Öffentlichkeit stattfinden, hin zu solchen, die die Menschen im kleineren Kreis nutzen können“, heißt es beim DIW. „In der Summe werden die Ausgaben deutlich sinken.“ Was auch auf eine gedämpftere Entwicklung der Einkommen zurückzuführen sein wird.


Angestellte würden aufgrund von Kurzarbeit weniger verdienen, bei vielen Selbstständigen fehlten jetzt Aufträge. Ebenso würden die Einkommen aus Vermögen – mit Blick auf die Entwicklung der Aktienmärkte – vorübergehend wegbrechen. „All das dürfte bereits im März eine Rolle spielen, alles in allem aber vor allem im zweiten Quartal durchschlagen.“

Wie stark die Wirtschaft gebeutelt wird, hänge letztlich von der Ausbreitung des Virus ab. Da es kaum möglich ist, dies vorherzusehen, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut zwei Szenarien für die kommenden Monate entwickelt. Entsprechend des prognostizierten Wirtschaftsverlauf haben die Forscher die Szenarien V und L entwickelt.

Szenario V - schnelle Normalisierung

Dieses Szenario unterstellt eine ähnliche Entwicklung der Verbreitung wie bei vorigen Epidemien, zum Beispiel der Schweinegrippe, Sars oder der Vogelgrippe: Nachdem es einmal steil bergab ging, gab es relativ schnell wieder einen steilen Aufwärtstrend. Nach der Eindämmung des Virus würden sich Produktion und Konsum relativ schnell wieder normalisieren. "Selbst in diesem - Stand jetzt eher optimistischem - Szenario würde die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr unterm Strich aber schrumpfen, um 0,1%", schätzt das DIW. "Die Corona-Krise würde in diesem Fall eine um rund 1,3 Prozentpunkte geringeres Wachstum nach sich ziehen."

Szenario L - langwierige Produktionsstörungen, nachhaltiger Nachfragerückgang

Falls das Virus aber zeitlich und räumlich größere Kreise zieht als frühere Epidemien, wäre auch der negative Einfluss deutlich größer - selbst wenn der Höhepunkt irgendwann überschritten ist. Haushalte und Unternehmen wären dann nachhaltig verunsichert, so das DIW. Ausgaben und Investitionen würden zurückgestellt werden, was die Abwärtsdynamik beschleunigen und eine Erholung verzögern würde. "Es geht steil bergab. Produktion und Konsum normalisieren sich nicht, sondern verharren auf dem geringeren Niveau. Die Rezession würde dann erheblich schwerer ausfallen", prognostiziert das DIW.  

 

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