Sports Direct-Gründer Mike Ashley ist neuer Großaktionär bei Hugo Boss. Wer ist der Mann, der es vom Inhaber zweier Sportläden zum Milliardär gebracht hat?
Daniel kommt, Mike ist schon da. Daniel Grieder, den der Aufsichtsrat von Hugo Boss soeben zum CEO bestellt hat und der seinen Posten im Juni 2021 antritt, kann sich schon mal auf einiges gefasst machen. Mike Ashley, der es vom Inhaber zweier Sportläden zum Milliardär gebracht hat und der die britische Frasers Group führt, hat einen Anteil von 5% an Hugo Boss erworben.
„Wir glauben an die langfristige Zukunft und beabsichtigen, ein konstruktiver Gesellschafter zu sein, der für die Aktionäre von Hugo Boss und Frasers Wert schafft“, teilt seine Gruppe mit, die früher Sports Direct hieß.
Konstruktiv? Im Fall von Ashley heißt das, dass er sich bei Hugo Boss einmischen wird. Alles andere würde nicht zu ihm passen. Der 55-Jährige, dem auch der Fußballclub Newcastle United gehört, wird in seiner Heimat Großbritannien bewundert und gefürchtet. Er ist als gewiefter Dealmaker berühmt geworden. Er ist bekannt dafür, auf günstig bewertete Übernahme-Ziele Jagd zu machen – und dabei keine Rücksicht auf Befindlichkeiten zu nehmen.
Ashley strebt nach oben
2018 kaufte er die britischen
House of Fraser-Häuser. Die Department Store-Gruppe, die er für 90 Mio. Pfund (100 Mio. Euro) aus der Insolvenz übernommen hat, will er in ein „Harrods der High Street“ verwandeln. Flankieren will er das mit seiner Luxusmode-Filialkette
Flannels, die neben Hugo auch Gucci führt. „Ich muss zugeben, dass ich diese Premium-Invests am Anfang für eine Art Alibi-Strategie gehalten habe, um die Gruppe aufzuwerten“, sagt ein Marktbeobachter. „Aber Ashley meint es offenbar ernst.“
„Das Investment spiegelt unsere Geschäftsbeziehung mit Hugo Boss wider, die sich immer mehr vertieft.“
Mike Ashley
Mit Kapitalbeteiligungen an Premium- und Luxusmarken will Ashley sich im Top-Genre einen Namen machen – und darüber gleichzeitig die Verhandlungsmacht von House of Fraser und Flannels gegenüber den Brands erhöhen. Trotz des schwierigen Marktumfeldes erwarb Ashley im Februar für geschätzt 20 Mio. Pfund eine Beteiligung von 12,5% an der Luxustaschen-Marke Mulberry. Jetzt hat er 108 Mio. Euro für 5% an Hugo Boss folgen lassen.
Geschicktes Timing
Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt. Das deutsche Modeunternehmen ist an der Börse mit 2 Mrd. Euro aktuell niedrig bewertet und steckt mitten im Umbruch. CEO Mark Langer scheidet im Herbst aus, Ex-Tommy-Hilfiger-CEO Grieder wird nächstes Jahr sein Nachfolger. Übergangsweise wird Finanzvorstand Yves Müller die Geschäfte führen. Grieders verspäteter Antritt sorgt bei Beobachtern und Experten für Unbehagen. Schließlich steht der Konzern aktuell vor großen Herausforderungen.
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Dem designierten Hugo Boss-Chef Daniel Grieder wird viel zugetraut. Doch sein Antritt im Juni 2021 erfolgt später als erwartet. Das löst bei Beobachtern und Experten ziemliches Unbehagen aus.
Im Gesellschafterkreis rumort es. Die italienische Marzotto-Familie, die mit 15% der größte Einzelaktionär von Hugo Boss ist, ist wegen des tiefen Aktienkurses unzufrieden und spricht laut TW-Informationen mit Investoren. Der Aktionärsaktivist Bluebell Capital, hinter dem der frühere Bulgari-CEO Francesco Trapani steckt, äußert in Briefen an den Aufsichtsrat Kritik und legt in der Presse nach.
Von der Eigentümerstruktur bis hin zur Strategie, bei Hugo Boss ist vieles offen. Ashley nutzt den Moment aus, um bei der Orientierungsfindung mitzureden. „Das Investment spiegelt unsere Geschäftsbeziehung mit Hugo Boss wider, die sich immer mehr vertieft“, richtet er aus.
Ein Selfmade-Mann, wie er im Buche steht
Ashley ist ein Kämpfer. Die Schule verließ er als 16-Jähriger und eröffnete 1982 mit einem Darlehen seiner Eltern zwei Sportläden in und um London. Ab den 90er-Jahren eröffnete er etwa hundert Läden in Großbritannien. Zunächst unter dem Namen Sports Soccer, später unter Sports World. Die Kette war bekannt für Niedrigpreise und aggressive Promotions. 2007 erfolgte das Börsen-Debüt von Sports Direct. „Wir wollen der führende und profitabelste Sportartikelhändler weltweit werden“, war im Börsenprospekt zu lesen.
Auf Worte ließ er Taten folgen. Mit einer vehementen Discount-Strategie machte Ashley Sports Direct zum Marktführer. Prestige-Marken wie
Adidas,
Nike oder
Reebok nutzte er als Lockvogel. Wenn die Kunden dann erst mal im Laden waren, kauften sie auch Ashleys eigene Labels, die ihm bessere Gewinnmargen brachten. Er übernahm Firmen in Serie und expandierte ins Ausland. Im Geschäftsjahr 2018/19 erzielte die Gruppe bei einem Umsatz von 3,7 Mrd. Pfund einen Vorsteuergewinn von 179 Mio. Pfund.
Kritik an Adidas & Co
Dass er allerdings im Sport-Business auf diese Big Brands angewiesen ist, wurmt ihn. Oft und gerne streitet er mit ihnen, stört sich an deren Vertriebspraktiken. Besonders großen Anstoß nahm Ashley 2013 an der Entscheidung von Adidas, das Chelsey-Trikot nur noch über eigene Kanäle zu vertreiben. Und erst im vergangenen Herbst forderte Sports Direct eine offizielle Überprüfung des Sportmarktes und der marktbeherrschenden Stellung der großen Sport-Brands. Das hatte zwar keine Konsequenzen, fand aber ein großes Medienecho.
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Das Bild, das langjährige Wegbegleiter von dem Selfmade-Mann zeichnen, ist vielschichtiger als das des ruppigen Geschäftemachers. Er habe immer den Eindruck gehabt, dass Ashley vor allem dazugehören wollte, sagt einer, der ihm häufig begegnet ist. Ein gewiefter Händler, zweifelsohne, der allerdings Dinge eher aus dem Bauch heraus entscheidet als auf Grundlage einer durchdeklinierten Strategie.
Und er hat schon einmal für Furore gesorgt mit dem Kauf eines Aktienpakets: 2007 investierte Ashley einen guten Teil seines Gewinns aus dem Sports Direct-Börsengang in den Kauf von Adidas-Papieren. Die verkaufte er allerdings wenige Wochen später schon wieder – und erhöhte damit sein Privatvermögen Medienberichten zufolge um einen Schlag auf 29 Mio. Pfund.
Das Sport Eybl-Debakel
Nicht alles, was Ashley anpackt, gelingt ihm. 2013 stieg der Brite bei dem österreichischen Sporthändler Eybl ein. Und erlitt ein ziemliches Debakel. „Er dachte, er könne Österreich mal eben im Sturm erobern“, berichtet Intersport-Vorstand
Mathias Boenke, damals Intersport Austria-Chef. Ashley habe sich mit einer Delegation von Leuten ein Paar Läden der Mitbewerber angeschaut und sei dann zu dem Schluss gekommen, dass man die über Preise kaputtmachen könne. „Das versuchte er dann auch, unter anderem mit gnadenlosen Rabattaktionen wie ‚50 % auf alles‘“, sagt Boenke. Der Plan ging nicht auf. Die Zahl der Eybl-, später Sports Direct-Filialen halbierte sich auf 26.
Dabei war Ashley mit dieser Strategie von Premium auf Preis zu schwenken, schon einmal auf die Nase gefallen, als er die Kunden der Premium-Destination Lillywhites mit Wühltischen verprellte.
Kein leiser Investor
Eine Schlammschlacht lieferte sich Ashley mit
Debenhams. Seine Sports Direct-Gruppe sicherte sich knapp 30% an der Kette. Danach pochte Ashley erfolglos auf Einfluss. Nachdem er die 150 Mio. Pfund-Investition schließlich wegen der Insolvenz von Debenhams abschreiben musste, griff der Unternehmer den Verwaltungsrat frontal an. Den Bankrott bezeichnete er als einen „nationalen Skandal“. Er bezichtigte seine Gegner des Diebstahls und wünschte deren Berater „ins Gefängnis für ihre Betrügereien“.
Einen Skandal löste er vor kurzem indes selbst beinahe aus. Ashley ließ seine 540 Sports Direct-Stores trotz Covid-19-Lockdown zuerst offen. Mit der Begründung, Trainingsbekleidung und Sportgeräte würden für die „tägliche Übung“ benötigt. Das Land empörte sich. Und Mike blieb nichts anderes übrig, als sich ausnahmsweise zu entschuldigen.