Burton sieht großes Potenzial in Europa.
Wo sich einst haufenweise Pilze türmten, stehen jetzt Snowboards: Der im September eröffnete Hub von Burton befindet sich direkt am Münchner Viktualienmarkt. Eben dort, wo früher Händler ihre Ware lagerten. Zuletzt war ein Weinlokal in den teils denkmalgeschützten Räumlichkeiten in der Frauenstraße beheimatet. Die holzgetäfelten Wände mit den Garderobenhaken weisen noch darauf hin.
Aber nicht nur dieses Überbleibsel hat der Hub mit dem Vormieter gemein. Wie im Restaurant geht es den Machern um das Beisammensein. Deswegen spricht Franck Waterlot, Vice President Sales und Marketing bei Burton Europe, auch nicht von einem Store, sondern eben von einem Hub, in dem Laden, Office und Showroom – und damit das Team, die Handelspartner und die Verbraucher – auf insgesamt 400m² zusammentreffen.
Store des Tages: Burton in München
Zum Gespräch sitzen wir mit dem gebürtigen Franzosen an einem langen Holztisch mitten im Showroom, der sich gemeinsam mit den Hartwaren im Untergeschoss befindet. Auch wenn es zunächst nicht so wirkt, kann der massive Tisch in wenigen Schritten abgebaut werden. Der Grund: Idee des Hubs ist auch, mit Hilfe von Events eine Community vor Ort aufzubauen. So bietet die Fläche ohne Tisch etwa Platz für Yogakurse. Im Sommer seien auch Camping-Events in den Bergen geplant. Im Apparel-Verkaufsraum gibt es einen Tresen, damit auch mal bei einem Bier ein Schwätzchen gehalten werden kann. „Wir machen hier unglaublich viel, das nicht direkt mit Verkauf zu tun hat“, unterstreicht Waterlot. Es gehe darum, wieder stärker mit den Kunden ins Gespräch zu kommen, auf Handels- wie auf Verbraucherseite, sagt er.
Für manche ein überfälliger Schritt. Denn aus dem Boardsport-Fachhandel muss sich Burton mitunter den Vorwurf gefallen lassen, den Bezug zu eben diesem verloren zu haben. So ärgert sich etwa ein Händler aus Süddeutschland über die Konditionen. Zudem bräuchten gut informierte Snowboarder Burton nicht mehr. Die Position als Marktführer, etwa in puncto Bindung, habe das 1977 von Jake Burton gegründete amerikanische Unternehmen demnach verloren. Lobende Worte gibt es hingegen von Blue Tomato, einem der führenden Boardsport-Filialisten hierzulande. Vor allem dafür, dass die Marke für Anfänger bis Profis und für Jung bis Alt die richtige Ausrüstung biete.
Wie dem auch sei, das Beispiel Yogakurs deutet an, dass Burton noch, aber nicht mehr ausschließlich als Snowboard-Spezialist wahrgenommen werden möchte. Waterlot erläutert: „Zwischen den Sportarten stehen nicht mehr so dicke Wände wie früher.“ Vor dreißig Jahren hätten sich Snowboarder bewusst abgegrenzt. Das sei heute nicht mehr der Fall.
Die Hubs sollen dabei helfen, diese neue Ausrichtung erlebbar zu machen. In Europa gibt es neben jenem in München jeweils einen in Innsbruck und einen in Zürich. Geplant ist, in jedem relevanten Markt einen Hub zu eröffnen. Diese sollen nicht nur den räumlichen Gegebenheiten anpassen, sondern über passende Events auch gezielt die lokale Szene ansprechen.
„Wir suchen die Märkte nach ihrer Verbindung zum Wintersport aus“, sagt der Manager. Aus diesem Grund eröffnet dieses Jahr auch ein weiterer Hub in Stockholm, obwohl es sich bei Frankreich oder Großbritannien um größere Märkte handele. Bis zu fünf weitere sollen in den kommenden drei Jahren in Europa folgen. Neben den Hubs gibt es klassische Stores, die größtenteils über Partner geführt werden. Davon befanden sich zum Jahresende zehn in Europa – fünf weitere sollen 2019 hinzukommen –, elf in Asien und 25 in den Vereinigten Staaten, inklusive Outlets.
Franck Waterlot, Vice President Sales und Marketing bei Burton, will mit den Hubs wieder näher ran an die Community.
Einzig in Deutschland kann sich Waterlot auf Grund der Größe sogar einen zweiten Hub vorstellen, beispielsweise in Berlin. Konkrete Pläne gibt es aber nicht. Deutschland ist mit 13
% Umsatzanteil der stärkste Markt in Europa, das für rund ein Drittel der weltweiten Bruttoeinnahmen steht. Konkrete Zahlen kommuniziert das Unternehmen, das noch heute im Besitz der Gründer ist, nicht.
Stattdessen spricht Waterlot von dem großen Potenzial, das er noch in Europa sieht. Und damit ist er nicht allein. Gründer Jake Burton und seine Frau Donna Carpenter, die gemeinsam mit John Lacy an der Spitze des Unternehmens steht, ziehen jetzt für ein Jahr nach Zürich, um das Business hier zu stärken, bei Events Gesicht zu zeigen.
Eine wichtige Rolle in Europa spielt der Whole
sale, der 85
% zum hiesigen Umsatz beisteuert. 1200 europäische Accounts zählt Burton. Textil und Hartware tragen etwa gleich viel zum Umsatz bei. Deutschland steht für 200 Partner, von Zalando über Sport Schuster in München bis hin zu Karstadt. Von Premium bis Mainstream. Auf diese Weise werden die Accounts auch im Vertrieb segmentiert.
Was den Vertrieb angeht, wurde in der jüngsten Vergangenheit viel verändert. 25 Jahre lang lag die Distribution hierzulande in Händen von Handelsagenturen. Seit etwa einem Jahr beschäftigt Burton selbst Area Manager und hat mit Benjamin Schwarz einen neuen Country Manager.
Um nachhaltig zu wachsen, hat sich Burton in den vergangenen zwei Jahren von 15
% der europäischen Händler getrennt, die laut Waterlot lediglich für ein bis zwei Prozent der Umsätze standen. Fazit: Dieses Geschäftsjahr werde das Europa-Business laut Waterlot mit einem einstelligen Zuwachs im mittleren Bereich abschließen, im kommenden Jahr soll es im hohen Bereich liegen. Hohes zweistelliges Wachstum habe Burton indes im E-Commerce verzeichnen können, sowohl über den eigenen Webshop als auch über die der Handelspartner. Fast ein Drittel des Wholesale-Business spielt sich denn auch online ab. Um das Wachstum weiter zu befeuern, investiert Burton in die Erstellung digitaler Inhalte. 2018 sind bereits 300 Videos entstanden, in denen unter anderem Produkte erklärt werden, 2019 soll diese Zahl verdreifacht werden.
Zur Orderrunde Herbst/Winter 2019/20 wurde darüber hinaus die Apparel-Kollektion für den europäischen Markt überarbeitet. „Die Schnitte dürfen hier nicht so baggy sein wie in den USA, sondern taillierter und ein wenig kürzer“, beschreibt Waterlot. Zudem brauche es mehr Prints und Pop Colours. Damit zielt Burton auch auf die Frauen ab, deren Umsatzanteil von 35% noch ausbaufähig sei. Kids stehen für 10
%. Dieses Jahr soll eine Jacken-Kampagne, die sich nur an Frauen richtet, das Wachstum befeuern.