Odlo stärkt mit der Janus-Übernahme seine Woll-Sparte. Künftig sollen alle Odlo-Woll-Produkte in Norwegen gefertigt werden.
Wer die Janus-Fabrik im norwegischen Bergen besucht, den erwartet die Atmosphäre "echter, norwegischer Textilindustrie". Das verspricht zumindest die Tourismus-Seite der Hafenstadt an der Westküste Norwegens. Inklusive Fabrikverkauf im ursprünglichen, aus Holz gebauten Teil der Fabrik aus dem Jahre 1895, der idyllisch am Fluss liegt.
Norwegen-Romantik wird bei der Entscheidung über den Kauf des Unternehmens keine Rolle gespielt haben. Allerdings hätte der neue Eigentümer, der Sportbekleidungs-Anbieter Odlo, die Firma Janus vielleicht nicht auf dem Schirm gehabt, wenn an der Odlo-Spitze mit Knut Are Høgberg und Hugo Maurstad nicht zwei Norweger stünden. Høgberg ist seit 2018 CEO,
Maurstad seit 2020 Inhaber des Unternehmens, das selbst norwegische Wurzeln hat.
"Produktverfügbarkeit ist der Schlüssel. Und das lässt sich besser managen, je mehr Kontrolle man über die Supply Chain hat", ist Odlo-CEO Knut Are Høgberg überzeugt.
Bekannt ist Janus für seine Woll-Unterwäsche vor allem auf dem Heimatmarkt. "Wir können von Janus sicher einiges lernen über den norwegischen oder generell nordischen Markt", so Høgberg. "Da sind wir aufgrund unseres starken Fokus auf Zentraleuropa in den letzten Jahren nicht mehr ganz so stark. Und umgekehrt."
Doch der Kauf einer neuen Marke war nur einer der Gründe für die Übernahme. "Wir kaufen eine Lieferkette. Wir kaufen Know-how für Wolle und investieren in die Entwicklung von Wollstoffen und Wollprodukten", erklärt der Odlo-CEO.
Die bisherigen Janus-Inhaber Arne Fonneland und Janne Vangen Solheim bleiben an Bord.
Janus ist der größte norwegische Hersteller von Wollprodukten. Diese Expertise holt sich Odlo ins Haus. "Unsere Lieferketten ergänzen sich sehr gut. Wir haben unsere Fertigung in Rumänien und jetzt in Norwegen die Strickerei und Färberei. Wir werden in der Lage sein, eine hauseigene Lieferkette zu schaffen, insbesondere für Wolle. Wir bei Odlo verstehen uns als Ingenieure für Garne, für Stoffe, für Bekleidung. Dabei gehen wir mit diesem Schritt weiter als die meisten unserer Wettbewerber, indem wir die Lieferkette rückwärts integrieren."
Fokus auf Europa-Fertigung
Eigene Produktionsstätten sind bei Odlo eine wichtige Säule. Fast zwei Drittel aller Produkte wurden 2020 in Europa hergestellt, über die Hälfte davon in den eigenen Werken in Portugal und Rumänien. Die Fertigung in Portugal wurde allerdings 2021 geschlossen, dafür werden die Kapazitäten in Rumänien ausgebaut.
Mit der Herstellung hochwertiger Wollprodukte für Kinder und Erwachsene unter der Marke Janus sowie der Fertigung für andere Unternehmen erzielt Janus einen Umsatz von rund 250 Mio. Norwegischen Kronen (25 Mio. Euro). Odlo plant, die Produktion auf Espeland zu erhöhen, indem die Wollfertigung von den derzeitigen Lieferanten in Portugal und China dorthin verlagert wird.
In Norwegen freut man sich "auf die neuen Möglichkeiten, Menschen und Märkte, mit denen wir in Zukunft zusammenarbeiten werden, ebenso wie auf den Klang mehrerer neuer Maschinen", sagt Janne Vangen Solheim. Die Janus-Mehrheitseigentümerin bleibt CEO der Gruppe und wird nach Abschluss der Transaktion, die für das erste Quartal erwartet wird, zusätzlich Mitglied im Odlo-Beirat. Für das Tagesgeschäft von Janus bleibt Arne Fonneland verantwortlich. Auch er wird gleichzeitig Teil des Odlo-Führungsteams.
Die Höhe des Kaufpreises nennen die Beteiligten nicht. Solheim und Fonneland werden allerdings einen "beträchtlichen Betrag" des Verkaufserlöses in Janus reinvestieren, "um Kontinuität und die bestmögliche Integration der beiden Unternehmen zu gewährleisten", wie es heißt. Für die Mitarbeiter von Janus sollen sich keine Änderungen ergeben.
Planbarkeit und Verfügbarkeit
"Wir beobachten Janus schon seit mehreren Jahren und waren immer von der Qualität der Produkte beeindruckt", so Maurstad. Die Übernahme werde Odlos Position auf dem Markt für Wollprodukte stärken "und viele neue und spannende Wachstumsmöglichkeiten schaffen".
Von einer starken europäischen Lieferkette erhofft sich Odlo unter anderem bessere Planbarkeit – ein Punkt, der vor allem seit Corona ins Bewusstsein rückt. "Produktverfügbarkeit ist der Schlüssel. Und das lässt sich besser managen, je mehr Kontrolle man über die Supply Chain hat." Doch Høgberg sieht auch die Chance auf kürzere Kollektionszyklen und mehr Möglichkeiten etwa für Kapsel-Kollektionen.
Wie flexibel man mit einer eigenen Fertigung sei, zeige ein aktuelles Projekt, bei dem aus Stoffresten in Rumänien eine kleine KOB-Kapsel-Kollektion entsteht. Von der ersten Idee bis zum Verkauf im eigenen Online-Shop in Kürze werden nur wenige Monate vergangen sein. Der Vertrieb solcher Produkte, wie sie künftig auch in Norwegen entstehen könnten, sei nicht grundsätzlich auf den eigenen E-Commerce beschränkt, betont Høgberg.
Keine grundsätzliche Abkehr von synthetischen Fasern
Als eine grundsätzliche Hinwendung zu natürlichen Fasern, weg von synthetischen Fasern, will er die Akquisition nicht verstanden wissen. Allerdings bedeutet diese Übernahme eine Stärkung des Woll-Angebots von Odlo mit Baselayern aus 100% Merino und Woll-Mischungen. "Wir sind nicht mit einem bestimmten Stoff verheiratet."
Eine Neu-Entwicklung namens Performance Woll bringt Odlo schon zum kommenden Herbst auf den Markt, die in Zusammenarbeit mit NuYarn entwickelt wurde. NuYarn ist eine Kombination aus natürlichen (Merinowolle) und synthetischen Fasern (Polyamid), die die Eigenschaften von synthetischen Fasern – Feuchtigkeitstransport, schnelles Trocknen, Dehnbarkeit und Haltbarkeit – mit denen von Merinowolle – natürliches Gefühl und Haptik, Wärme, Geruchs- und Klammbeständigkeit – vereinen sollen.
NuYarn ist eine neuartige patentierte Technologie, Garn zu spinnen, bei der die natürlichen Vorteile der Wolle fast vollständig erhalten bleiben sollen. Solche Entwicklungen sollen mit den norwegischen Woll-Profis an Bord weiter vorangetrieben werden.
Diskussion über Nachhaltigkeit synthetischer Materialien
Immer wieder diskutiert wird die Frage, ob natürliche Fasern immer die nachhaltigeren Alternativen sind. Høgberg sieht das wie viele seiner Kollegen - und anders als NGOs wie die Changing Markets Foundation, die den Einsatz synthetischer Fasern per se anprangern.
Eine Modellrechnung von Patagonia etwa hatte ergeben, dass beim Ersatz aller synthetischen Materialien durch natürliche Stoffe Patagonias CO2-Emissionen und Wasserverbrauch um 15 bis 20% steigen würden.
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"Ich denke, man kann nicht sagen, dass das eine so viel besser ist als das andere. Wir versuchen sicherzustellen, dass wir alle Alternativen so nachhaltig wie möglich machen", sagt der Odlo-Chef. "Wir haben vor drei, vier Jahren damit begonnen, unseren Anteil an recycelbaren Stoffen zu erhöhen, und befassen uns nun auch mit Kreislaufwirtschaft. Dabei haben wir noch einen weiten Weg vor uns, aber wir machen uns auf die Reise." Besagte Kapsel-Kollektion ist ein Schritt, ein anderer die Einführung eines Rücknahmeprogramms in den eigenen Stores.
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Konkrete Pläne für weitere Akquisitionen gebe es nicht. "Aber unsere Eigentümer sind offen. Ich denke, wir haben bei Odlo bereits eine sehr starke Infrastruktur in Bezug auf unsere Lieferkette, einschließlich unseres Lagers und unserer Stores. Die gesamte Infrastruktur von Odlo ist also für ein Unternehmen unserer Größe ziemlich stark. Es könnten sich Möglichkeiten ergeben, in Zukunft auch mit anderen zusammenzuarbeiten, um das zu auszuschöpfen."
- Odlo wurde 1946 in Oppegård von Odd Roar Lofterød gegründet. Seit 1986 hat das Unternehmen seinen Hauptsitz in Hünenberg, Schweiz, und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter.
- Odlo produziert und vertreibt Sportbekleidung in sechs verschiedenen Kategorien: Funktionelle Sportunterwäsche, Laufen, Training, Radfahren, Langlauf und Outdoor.
- Die Marke Odlo wird in mehr als 35 Ländern vertrieben. In Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Österreich und Italien ist das Unternehmen eigenen Angaben zufolge Marktführer für Sportunterwäsche.
- Das Unternehmen erzielt einen Jahresumsatz von rund 120 Mio. Schweizer Franken (117 Mio. Euro) mit einem EBITDA von 10 Mio. Schweizer Franken.