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Garment-to-Garment-Recycling: Aus alten Trikots werden neue

Puma geht nächsten Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft

Puma
So sehen Pumas Re:Jersey-Trikots aus. Wann chemisch recycelte Produkte in den Verkauf kommen, kann CSR-Chef Stefan Seidel noch nicht sagen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran und sehen auf jeden Fall das Potenzial für eine Skalierbarkeit."
So sehen Pumas Re:Jersey-Trikots aus. Wann chemisch recycelte Produkte in den Verkauf kommen, kann CSR-Chef Stefan Seidel noch nicht sagen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran und sehen auf jeden Fall das Potenzial für eine Skalierbarkeit."

Die Premiere wird vor dem Anstoß gefeiert: Wenn am 23. April Manchester City in der englischen Liga gegen Watford spielt, trägt das Puma-Team Manchester City beim Aufwärmen die ersten Trikots, die Puma aus alten Trikots hergestellt hat. Auch AC Mailand, Borussia Dortmund und Olympique de Marseille werden sie vor ihren Ligaspielen im April und Mai überstreifen.

Eine aufmerksamkeitsstarke Aktion für ein zukunftsweisendes Projekt. Puma testet im Rahmen des Pilotprojekts Re:Jersey einen innovativen Produktionsprozess, um mithilfe von chemischem Recycling neue Fußballtrikots aus alten herzustellen. Stefan Seidel, Head of CSR, erklärt im TW-Gespräch, warum dieses Projekt so wichtig ist.

TextilWirtschaft: Sind diese Trikots die ersten Puma-Produkte, die aus recycelten Polyester-Textilien hergestellt wurden?
Stefan Seidel: Ja. Wir haben schon sehr viele Produkte mit recyceltem Polyester und unser Ziel ist ein Anteil von 75% recyceltem Polyester bis 2025. Dieses Polyester kommt allerdings aus Plastikflaschen. Deswegen ist dieses erste Garment-to-Garment-Projekt wirklich zukunftsweisend.

Dass es jetzt ausgerechnet diese Fußball-Trikots sind, hat vor allem Marketing-Gründe, oder? Es hätten ja auch andere Produkte sein können.
Wir haben für andere nachhaltige Leuchtturm-Projekte auch schon andere Themen gewählt, der Re:Suede zum Beispiel ist kein Performance-Produkt. Aber als Sportmarke mit einer langen Heritage im Fußball sind unsere Fußballclubs natürlich unser Aushängeschild. Von daher macht es Sinn, mit den Clubs zu diesem spannenden Thema zu kooperieren.

Skalierbar ist die Technologie allerdings heute noch nicht, oder?
Das Projekt ist Teil unseres Circular Labs, in dem wir Forschung betreiben. Die Ergebnisse dieser Forschung kommunizieren wir dann über diese Leuchtturm-Projekte. Wir haben jetzt erst einmal eine begrenzte Stückzahl produziert und an die Clubs ausgeliefert. Die Idee ist natürlich schon, diese Zielvorgabe von 75% recyceltem Polyester graduell auch in Richtung chemisches Garment-to-Garment-Recycling zu führen.

Wann wird man diese Produkte kaufen können?
Das können wir noch nicht sagen. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran und sehen auf jeden Fall das Potenzial für eine Skalierbarkeit.

Ein Großteil Ihres Sortiments besteht aus Polyester oder Polyester-Mischungen. Diese Textilien können Sie, Stand heute, gar nicht anders wieder zu Textilien verarbeiten als über chemisches Recycling, richtig? Wo liegen da die größten Herausforderungen?
Das Bottleneck sind Unternehmen, die dieses chemische Recycling umsetzen, also den Prozess der Depolymerisation. In diesem Projekt arbeiten wir mit unserem Bekleidungshersteller in der Türkei, mit dem Hersteller des Garns in Spanien und mit einer Firma in Spanien, die die Depolymerisation betreibt. Wir sind da aber auf vielen Ebenen unterwegs. Wir beobachten zum Beispiel ein entsprechendes Projekt von Worn Again, die an einer anderen Lösung für chemisches Recycling arbeiten. Und auch in Deutschland sind wir in Gesprächen mit einem Start-up, das an vielversprechenden Depolymerisations-Technologien arbeitet.

Alle in Europa. Gibt es dieses Know-how nur hier?
Wenn wir skalieren wollen, muss das ein globales Projekt werden. Anbieter von chemischem Recycling gibt es auch in Japan und China. Wir sind dabei, zu sondieren, ob wir auch in anderen Märkten aktiv werden. Aber Europa ist einer unserer größten Märkte und die Heimat unseres Unternehmens, deswegen der Start in Europa.

Vor welche Herausforderungen stellen Sie Stickereien und Embleme auf den Trikots? Damit haben Sie als Ausgangsmaterial kein Monomaterial, oder?
Da der Prozess einen gewissen Grad an Verunreinigung vertragen kann, ist das kein Problem. Durch den chemischen Prozess der Depolymerisation brechen sie die Stoffe auf in die einzelnen Bestandteile, Verunreinigungen werden ausgefiltert – so wie auch die Farbe. Deswegen sehen sie bei dem Produkt, das aus dem depolymerisierten Polyester hergestellt wird, keinen Unterschied zu konventionellem Polyester. Das ist chemisch identisch.

Damit auch qualitativ identisch?
Ja.

Wie oft kann man den Prozess wiederholen?
Anders als mechanisches Recycling kann man chemisches Recycling im Prinzip beliebig oft wiederholen.

Im Prinzip?
Wir sprechen hier von Forschung, von Innovation. Deswegen würde ich das so formulieren.

Die Trikots bestehen nicht zu 100% aus alten Trikots, sondern zu 25% aus Seaqual-Garn. Warum?
Aktuell brauchen wir noch eine Beimischung, um den Prozess effizienter zu gestalten. Dabei handelt es sich bei Seaqual auch um recyceltes Polyester. Aber die Perspektive ist schon, zu einem 100%igen Garment-to-Garment-Recycling zu kommen.

Wie viele Trikots haben Sie denn jetzt in diesem ersten Schritt recycelt? Wo kommen die her?
Wir reden da schon über Tonnen, nicht über Kilos. Für diesen ersten Schritt haben wir defekte Produkte (B-Grades) verwendet. Das hat den Vorteil, dass wir die Zusammensetzung kennen. Im nächsten Schritt werden wir die Trikots von den Clubs wieder einsammeln und sind dabei, ein Take back-System aufzubauen. Bis 2025 wollen wir ein solches Rücknahmesystem in allen großen Märkten aufgesetzt haben, das ist Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie.

Rechnet sich chemisches Recycling auch ökonomisch?
Bei diesem Projekt ging es uns primär darum, die Machbarkeit zu zeigen. Da stehen die Kosten erst einmal nicht im Vordergrund. Für die Skalierbarkeit sind sie natürlich entscheidend. Dabei ist die Vergleichbarkeit zu konventionellem Polyester immer sehr stark vom Ölpreis abhängig. Dem zugrunde liegt immer auch die Frage, wie wir uns langfristig von ölbasierten Rohstoffen unabhängig machen können. Und da kommen wir sehr schnell zum chemischen Recycling von Polyester und müssen die Rohstoffe in einen Kreislauf bringen.

Ein 100%iger Kreislauf ist aber illusorisch, oder?
Auf Produktebene nicht. Aber es gibt natürlich etwas Schwund an der Gesamtmenge des Materials, wenn es recycelt wird. Daher müssen wir überlegen, was wir mit dem Delta machen, erste Optionen gibt es mit biobasierten Alternativen zu Polymeren. Da sprechen wir aber über einen mittel- bis langfristigen Horizont.

Die ersten chemisch recycelten Puma-Produkte sind ein wichtiger Meilenstein. Vergleichbar mit…?
Zum Beispiel mit der Eröffnung unseres neuen Headquarters 2009. Schon damals klimaneutral, auch dank der Photovoltaik-Anlage, die wir hier zum ersten Mal umgesetzt haben. Und um den Vergleich weiterzuführen: Mittlerweile kaufen wir nur noch Grünstrom in den Märkten, in denen das möglich ist. Und wo es nicht möglich ist, kaufen wir entsprechende Zertifikate. Da haben wir also das Scaling umgesetzt und den CO2-Fußabdruck unseres Unternehmens massiv verkleinert.




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