Intersport-Vorstände Frank Geisler (links) und Mathias Boenke: "Running und vor allem Fitness waren und sind sehr gefragt, jetzt ziehen Bike und Outdoor an."
Die Corona-Krise ist, Running- und Bike-Hype zum Trotz, auch an der Sportbranche nicht spurlos vorbeigegangen. Im Interview sprechen die Intersport-Vorstände Frank Geisler und Mathias Boenke über Limitplanung, Platz für Bikes und IT-Investitionen.
Von welchem Szenario sind Sie ausgegangen?Boenke: Mitte April sind wir davon ausgegangen, dass die Händler im Mai und Juni maximal 50% des Vorjahresumsatzes machen würden und bis Ende des Jahres im besten Fall auf 80% des Vorjahres kommen. Auf dieses Szenario haben wir uns eingestellt, dementsprechend die Ware mit der Industrie gemanagt. Tatsächlich wurden diese Erwartungen weit übertroffen.
Wie weit?Konkrete Zahlen können wir noch nicht nennen. Wir werden zwar in Deutschland die zwei Monate nicht ausgleichen können, aber wir sehen, dass Gesundheit und damit auch Sport einen höheren Stellenwert bekommen hat, und wir sind zuversichtlich, dass das so bleibt. Allerdings haben wir über die Kategorien und regional sehr große Unterschiede. Teamsport und Swim tun sich nach wie vor sehr schwer, ebenso wie Tourismus-Gebiete, Einkaufszentren oder Citylagen. Mit unseren Fokuskategorien verzeichnen wir allerdings eine sehr positive Entwicklung: Running und vor allem Fitness waren und sind sehr gefragt, jetzt ziehen Bike und Outdoor an. Jedoch macht uns der Winter Sorgen. Insgesamt ist da noch sehr viel Unsicherheit in der Planung. Hier sind wir in Gesprächen mit unseren Industriepartnern, um gemeinsam Ideen und Konzepte zu entwickeln, wie wir das Warenrisiko gemeinsam teilen können.
Welche Rolle wird Bike in Zukunft bei Ihren Händlern hierzulande spielen?Einige sind ja schon mit dem Thema Bike gestartet, sind da auch sehr erfolgreich. Aber man muss ganz klar sagen, dass wir da sehr hohe Erwartungen haben an Händler, die wir unterstützen. Das müssen wir auch, um gemäß unserer Best in Sports-Strategie auch Best in Bike sein zu können. Einfach ein paar E-Bikes in den Laden zu stellen, um schnell was mitzunehmen, ist nicht nachhaltig. Wer Bike richtig machen will, braucht Kapital, die richtige Mannschaft und Platz im Geschäft.
Was raten Sie Ihren Händlern im Hinblick auf Sommer 21?Geisler: Limitplanung war noch nie so schwer wie jetzt. Wir empfehlen den meisten, sich die vergangenen drei Jahre anzuschauen und darauf die Planung aufzubauen. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, mit unserem Lager einen gewissen Puffer zu bieten und dann auch schnell mit unseren aktuellen Zahlen an die Lieferanten zu gehen. Dieses aktive Handeln ist für alle Beteiligten immens wichtig geworden.
Boenke: Wir haben schon vor Corona unseren Händlern gesagt: Fokussiert euch auf Outdoor, Running, auf Fitness und auf Winter. Unsere Strategie heißt: „Best in Sports“. Daran hat auch Corona nichts geändert. Vielmehr halten wir an der Repositionierung der Marke
Intersport fest. Und die große Mehrheit der Händler fordert von uns, dass es da jetzt weitergehen muss. Das heißt, in Richtung Markt tun wir genau das, was wir in den vergangenen 18 Monaten besprochen haben: das Wachstum unserer Online-Plattform zu beschleunigen und damit den Ausbau unserer Omni-channel Marktführerschaft zu pushen.
Sie hatten vor, einen monatlichen Gemeinschaftsbeitrag bei Ihren Mitgliedern, sprich Eigentümern, für notwendige IT-Investitionen einzusammeln. Diesem Plan erteilte ein Drittel der Mitglieder auf der Generalversammlung unmittelbar vor dem Shutdown eine Absage. Wie wollen Sie diese Investitionen jetzt finanzieren?Geisler: Zunächst einmal stellen wir bei allen unseren Mitgliedern fest, dass die Akzeptanz für eine beschleunigte Digitalisierung nie so groß war wie heute. Das ist sicher ein positiver Effekt. Jetzt gilt es aber eben, entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen und auszuschöpfen. Gleichzeitig drehen wir jetzt wirklich alles auf links, machen unheimlich viele Pitches, Vergleiche mit anderen Anbietern am Markt. Eine Fleißarbeit, aber notwendig.
Im Modehandel ist die Pleitewelle in vollem Gange, auch im Sport sind große Händler betroffen. Wie viele Opfer wird die Krise in Ihren Reihen fordern?Eine Insolvenz ist ja nicht grundsätzlich schlecht, sie ist ein Mittel, um eine Sanierung voranzutreiben. Opfer sind die, die es dann am Ende nicht schaffen. Schwer zu sagen, was uns da erwartet. Bis heute haben zwei unserer Mitglieder Insolvenz angemeldet – weniger als befürchtet. Und schaut man jetzt mal auf die bevorstehenden Schließungen – Karstadt Sports, McTrek, Runners Point – dann werden da grob geschätzt 500 Mio. Euro Marktvolumen frei. Wir müssen unseren Händlern, die schon an den Standorten vertreten sind, die Möglichkeit geben, möglichst viel davon abzugreifen.
Ebenfalls unmittelbar vor dem Lockdown haben Ihre Systempartner, also die Intersport-Mitglieder, die keine Genossen sind, ein unerfreuliches Schreiben aus Heilbronn erhalten. Ihre stillen Einlagen würden verwendet, um Intersport-Verluste auszugleichen. Warum gerade die?Diese Aussage ist in der Form nicht ganz richtig und dementsprechend kurz einzuordnen. Die Systempartner (SPI) haben Sport Voswinkel im Geschäftsjahr 2015/2016 ein Darlehen gewährt und die stillen Gesellschafter der SPI wurden selbstverständlich über die Darlehen an Voswinkel informiert. Sport Voswinkel hat in dem betreffenden Geschäftsjahr 2015/2016 ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Die Darlehensgewährung erfolgte somit ordnungsgemäß im Rahmen der Geschäftsführung unter Berücksichtigung der damals bekannten Fakten und Umstände, ist also nicht zu beanstanden gewesen.
Im Rahmen der späteren Insolvenz von Voswinkel haben sowohl die Genossenschaft als auch die Systempartner Verluste erlitten. Die Verluste der Genossenschaft werden selbstverständlich auch von dieser getragen. Die Verluste der SPI wiederum sind gemäß der gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu verteilen. In aller Transparenz: 70% der Verluste verbleiben bei der SPI, 30% entfallen auf die stillen Gesellschafter; analog zur Gewinnverteilung, mit der Ausnahme, dass Verluste nur bis zur Höhe der Einlage verrechnet werden. Das heißt auch, eine Nachschusspflicht ist ausgeschlossen.
Noch ein Hinweis zu den „guten Jahren“: Die Vorteile aus der in der Vergangenheit positiven Entwicklung und dem Wachstumskurs von Voswinkel kamen sowohl der Genossenschaft als auch den Systempartnern zugute. Auch die stillen Gesellschafter haben von hohen ZR-Volumina und günstigen Konditionen profitiert und natürlich auch von den Zinseinnahmen, die vor der Insolvenz vereinnahmt wurden. An dieser Stelle nur der Hinweis, dass in den vorangegangenen 10 Geschäftsjahren die SPI in Summe fast 10 Mio. Euro an Gewinnen an die stillen Gesellschafter ausgeschüttet hat.