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Interview mit Footpatrol-Einkäufer John Brotherhood

„Wir müssen die Vielfalt hochhalten”

Footpatrol
John Brotherhood ist Einkäufer und Brand Manager von Footpatrol: "Der Sneaker-Markt, die Szene und Kultur wächst konstant und entwickelt sich massiv."
John Brotherhood ist Einkäufer und Brand Manager von Footpatrol: "Der Sneaker-Markt, die Szene und Kultur wächst konstant und entwickelt sich massiv."

Es ist eine der Top-Adressen in Sachen Sneaker: Footpatrol. Gerade wurde der Londoner Store nach Umbau wiedereröffnet. Seit einigen Monaten gibt es zudem einen zweiten Store in Paris. Einkäufer und Brand Manager John Brotherhood spricht im TW-Interview über Hypes, Hightech und die Top-Modelle im Sneaker-Business.

Bereits im Jahr 2002 eröffnete der erste Store unter dem Namen Footpatrol. Damals in St. Annes Court, Soho, London. Schon damals, lange vor dem großen Hype um Drops, Collabs und Limited Editions, setzten die Macher auf Turnschuhe, die es nicht an jeder Ecke gab. Zum Sortiment gehörten damals seltene Styles und neuwertige Vintage-Modelle aus alten Lagerbeständen, ausschließlich der drei Marken Nike, Adidas und Puma.

Schnell wurde der Laden eine etablierte Adresse in der Sneaker-Szene. Mit der Zeit habe die Sammelleidenschaft der Kunden jedoch nachgelassen und die Big Brands änderten ihre Rhythmen, weg von kleinen Mengen hin zu größeren Volumina. Parallel dazu seien die Mieten in London rasant angestiegen, wie der heutige Footpatrol-Brand Manager und Einkäufer John Brotherhood berichtet.

Bevor Footpatrol also zu dem werden konnte, was es heute ist − eine der profiliertesten Sneaker-Destinationen in Europa − ging es erst einmal gar nicht weiter: Im Jahr 2008 erfolgte das vorläufige Aus für den Laden. Rund ein Jahr später wurde das Konzept jedoch wiederbelebt. Die britische JD Group (u.a. JD Sports, Size? Finish Line), investierte und brachte das Konzept wieder in zum Leben.

2010 erfolgte dann die Eröffnung an der heutigen Adresse im trendigen Soho Londons. Der Neustart erfolgte mit Support des neuen Mutterunternehmens, mehr Marken kamen ins Sortiment, eine neues Team wurde aufgebaut. „Wir wollten den Fokus klar auf den Konsumenten richten”, sagt Brotherhood zur Strategie beim Neustart. Epizentrum dafür soll der Store sein - „ein Raum, in dem jeder, ob jung oder alt, mit Sneaker-Wissen oder, vorbeischauen kann um sich zu informieren, mit uns auszutauschen, zu diskutieren und einzukaufen.”



Nach acht Jahren Präsenz in London (und im Netz) erfolgte nun kürzlich nächste Schritt: Im Mai 2018 eröffneten die Macher einen Store in der Pariser Rue du Temple 45 im historischen Marais-Viertel. Nicht weit vom Centre Pompidou, „von dem es ja heißt, dass es das Design des Nike Air Max 1 inspiriert hat”, sagt Brotherhood. Der Einkäufer und Markenchef des Konzepts hat detaillierten Blick aufs Business. Was sind die Top-Themen im Turnschuh-Kosmos? Wie ticken die Kunden und welche Kicks geben heute und in Zukunft den Ton an?

Footpatrol: Premiere in Paris



TextilWirtschaft: Herr Brotherhood, wie war das Jahr 2018 für Footpatrol?
John Brotherhood: 2018 war für uns ein großartiges Jahr, der Markt ist robust und das Geschäft eilt von Stärke zu Stärke. Wir sind im vergangenen Jahr in neue Gebiete aufgebrochen, haben unsere Londoner Store runderneuert, das Team ausgebaut und viele spannende Projekte verwirklicht. Der Sneaker-Markt, die Szene und Kultur wächst konstant und entwickelt sich massiv. Wir sind gespannt, in welche Richtung sich die Szene 2019 bewegt.


Welche Produkte und Marken kamen bei Ihren Kunden besonders gut an?
Die beiden großen Marken Nike und Adidas haben die Führungsrolle in Sachen Innovation und Produktneuheiten. Bei Nike hat insbesondere das Projekt mit Virgil Abloh einen starken Hype entfacht und viel für die Marke getan, daneben läuft Yeezy mit Kanye weiterhin sehr gut.


Waren das die größten Hypes?
Im vergangenen Jahr gab es so viele Hype-Releases. Neben Off-White und dem Yeezy war der Sean Wotherspoon Air Max 1/97 ein riesiges Thema. Auch der React Element 87 war sehr aufregend, da es eine neue Silhouette mit neuer Technology ist.


Was kommt 2019? Welche Trend werden stärker, welche schwächer?
Wir sehen, dass sich viele Marken stark mit dem 90er-Running-Trend und hochtechnischen Laufschuhen befassen. Daneben gibt es eine Mini-Renaissance von 70er-Laufstyles. 4D-Technologien sind außerdem noch ganz am Anfang, je weiter diese der Technik voranschreitet, desto größer wird ihr Einfluss werden. Und was schwächer wird? Ich glaube nicht, dass bestimmte Trends verschwinden, sondern eher die eine oder andere Marke. Für einige kleine Anbieter wird es deutlich schwieriger, mit den großen mitzuhalten.


Was wollen die Kunden? Gibt es hier Verschiebungen in Ihren Ansprüchen?
Sie wollen den Zugang zu besonderen, profilierten Produkten. Und wir müssen sicherstellen, dass wir ein robustes und angemessenes System haben, dass jeder die Chance bekommt, das kaufen zu können, was er begehrt. Das Kundenerlebnis ist eines unserer Top-Themen 2019, insbesondere die Frage, wie wir die Customer Journey verbessern können. Wir invenstieren hier viel in Technologie, um sicherzustellen, dass unser Multichannel-Geschäft auf Linie gebracht ist und sich immer wieder an die sich kontinuierlich verändernde Retail-Landschaft anpasst.


Welche konkreten Neuerungen planen Sie im laufenden Jahr?
Wir planen immer etwas - lassen Sie sich überraschen, und unsere Räume nicht aus den Augen!


Wie sieht es mit dem deutschen Markt aus?
Wir haben keinen konkreten Expansionsplan was das anbelangt, wollen aber in jedem Fall die Kunden in den modischen Schlüsselstädten auf der ganzen Welt erreichen. Wir haben es jedoch nicht eilig dabei - und machen den Schritt nur, wenn die Umstände die richtigen sind. Deutschland hat bereits eine wirklich starke Sneaker-Szene und steht aktuell nicht an vorderster Front wenn es um neue Territorien geht. Das heißt nicht, dass wir Deutschland nicht als Schlüsselmarkt sehen. Denn das tun wir.

Welche Rolle erfüllen Ihre Stores hauptsächlich?
Sie verbinden uns mit der Community und ermöglichen es uns, mit unseren Kunden in Austausch zu gehen, wie es über digitale Plattformen nicht möglich ist. Wir glauben, dass das der wichtigste Aspekt für unser Geschäft ist.


Welche Rolle erfüllen im Gegenzug die digitalen Kanäle?
Über Social Networks können wir ein breiteres Publikum ansprechen, vor allem auch Konsumenten in Städten, Ortschaften und Ländern, die nicht so einfach in unsere Stores kommen können. Das erlaubt es uns, Footpatrol im Sneaker-Kosmos als globale Marke aufzubauen.


Welche Sozialen Netzwerke sind dabei am wichtigsten?
Instagram ist für uns die Haupt-Plattform. Hier haben wir die meisten Follower und das höchste Engagement. Die Leute wollen Produkte, die wir tagtäglich neu bekommen, sehen und nicht nur darüber lesen. Das alles ist eine sehr visuell getriebene Angelegenheit. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir Bilder, Videos und Kampagnen selbst produzieren. Außerdem ist Instagram im Vergleich zu anderen Social Networks recht einfach gehalten, man verliert sich ja sonst leicht im unendlichen Strom der Inhalte.

Footpatrol Instagram


Welche Services haben für Ihre Kunden den höchsten Stellenwert - online und im Store?
Im Store zählt für uns jeder Kunde. We versuchen unser bestes, sicherzustellen, dass sich wirklich jeder, der uns besucht willkommen fühlt uns Spaß hat. Das ist das wichtigste, was unsere Kunden von einem Store-Besuch mitnehmen sollen.


Und online?
Da geht es hauptsächlich darum, schnell und einfach die Schuhe kaufen zu können die man haben möchte. Das ist in der heutigen Welt konstanter technischer Neuerungen und einer hohen Nachfrage sehr herausfordernd. Hier arbeiten wir kontinuierlich daran, das Einkaufserlebnis dahingehend zu optimieren.


Welche Anforderungen müssen Sie erfüllen, um die Top-Produkte der starken Marken zu bekommen?
Da geht es nicht unbedingt um bestimmte Services, sondern es ist eher eine unausgeprochene Übereinkunft, dass wir danach streben, die Markenwerte hoch zu halten und eine Retail-Umgebung zu schaffen, die dem Produkt die Bühne gibt, die es verdient und dem Konsumenten den Raum, den er braucht, um sich mit dem Produkt zu interagieren.


Wie wichtig ist das Thema selektiver Distribution für Sie?
Um die Nachfrage hochzuhalten ist ein selektiver Vertrieb für Stores wie unseren unerlässlich. Es ist unabdingbar, dass Marken hier die Kontrolle darüber haben und ein facettenreiches Angebot bieten. Sonst würden alle Läden gleich aussehen und das gleiche anbieten.


Was sind die stärksten Marken bei Footpatrol?
Nike, Adidas, Converse und Vans führen in Sachen Umsatz, Sortimentsanteil und Innovation die Liste an. Aber das sind nicht die einzigen Indikatoren für Stärke. Manchmal kommen die stärksten Produkte auch von kleinen Namen - deshalb müssen wir die Vielfalt in unserem Business hochhalten.


Wie sehen Sie die Release-Rhythmen der Marken? Was ist Ihrer Meinung nach eine gute Taktung?
Die Kalender sind notwendig, um die Volumina der Produkt-Launches über das Jahr sinnvoll zu verteilen. Es wäre großartig, wenn man die Konsumenten einen Monat Zeit hätten, Neues aufzunehmen und zu verarbeiten. Leider sind wir jetzt bei einem Wochen-Rhythmus angekommen und bei Jährlichen Jubiläen, die auch noch hinzu kommen.


Ein Launch, der unter vielen herausstach, war kürzlich Ihre Kooperation mit Givenchy.
Wir haben das Projekt für die Wiedereröffnung des Londoner Stores aufgesetzt und die Styles auch im Pariser Laden verkauft. Wir wollten einfach etwas anderes machen und an etwas unerwartetem arbeiten.


Welche Style sind neben solchen besonderen Spitzen für Ihr Sortiment besonders relevant?
Retro-Running ist in beiden Stores sehr wichtig. Das war bei uns auch schon immer so und wir glauben, dass sich das 2019 fortsetzt.
Highlight des Jahres: Der Schuh in Kooperation mit Givenchy. Der Name JAW weist auf die Hai-Silhouette hin. Und auch der Schuh ist ein seltenes Exemplar: Auf 100 Stück war die Kooperation limitiert.
Footpatrol
Highlight des Jahres: Der Schuh in Kooperation mit Givenchy. Der Name JAW weist auf die Hai-Silhouette hin. Und auch der Schuh ist ein seltenes Exemplar: Auf 100 Stück war die Kooperation limitiert.

Wie ist das Verhältnis Sneaker zu Bekleidung?
Footpatrol war schon immer eine Anlaufstelle für Schuhe. Entsprechend macht Footwear den Löwenanteil der Umsätze aus und hat auch die höchste Dynamik. Wir führen zwar auch Bekleidung der Marken sowie von unserer eigenen Linie sowie einige ausgewählte Accessoires. Alles außer Schuhe steht jedoch nur für einen geringen Prozentsatz am Gesamtgeschäft.


Sneaker und Streetwear sind seit einigen Saison nicht mehr nur für überschaubare Fangemeinde relevant. Vor allem das Luxus- und Designer-Genre zielt mehr und mehr auf diese Ästhetik. Ist das ein kurzer Trend oder eine Langfrist-Bewegung?
Die Verschmelzung von Fashion-Influencern und Sneaker-Marken läuft jetzt schon seit einigen Jahren. Leider erzeugt nicht alles so viel Resonanz wie Virgil und Nike letztes Jahr. Aber dieser Trend wird sich definitiv weiter fortsetzen und wenn die Marken sich weiter darauf fokussieren bleibt es garantiert auch Teil unseres Sortiments.


Auf der anderen Seite scheint auch die Bedeutung von Performance Wear wieder zuzulegen. Welche Rolle spielt der Aktivsport für Footpatrol?
Performance-Ideen, insbesondere Technologie-Fortschritte in der Schuh-Industrie, sind die entscheidenden Dinge, die uns und unsere Kunden am allermeisten begeistern. Laufschuhe erfreuen sich steigender Popularität. Basketball ist in unserem Pariser Store stärker als in Großbritannien. Es gibt also auch hier noch regionäle Unterschiede, welche Style wo und wie laufen.
Footpatrols Mutter
Die britische JD Group ist Mutterkonzern unterschiedlicher Handels-Formate, mit den Schwerpunkten Sport und Outdoor, darunter neben Footpatrol vor allem JD und Size?, die auch in Deutschland vertreten sind, Chausport (Frankreich), Sprinter (Spanien), Perry Sport und Aktiesport (Niederlande) und Sport Zone in Portugal. Insgesamt werden nach eigenen Angaben über 2400 Läden geführt. Im Jahr 2018 konnte die Gruppe die Umsätze um 33% auf 3,16 Mrd. Britische Pfund steigern (rund 3,5 Mrd. Euro). Mitte 2018 übernahm JD Sports die Geschäfte in Deutschland in Eigenregie und kündigte an, nach Österreich und die Schweiz zu expandieren. 57% an der JD Sports Fashion Plc hält die britische Pentland Brands Plc (u.a. Ellesse, Kangaroos).



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