"Einfach die Hallen aufzumachen und einen Konsumententag dranzuhängen, funktioniert definitiv nicht", betont Ispo-Chef Tobias Gröber.
Die Rückkehr der Premium nach Berlin wirbelt die Modemessen-Landschaft wieder einmal durcheinander. Wie läuft es eigentlich in anderen Branchen? Zum Beispiel im Sport. Tobias Gröber von der Ispo Munich über Fokussierung, B2B und Craftbier-Brauereien.
TW: Anders als die Premium ist die Ispo an die Münchner Messehallen gebunden. Fluch oder Segen?
Tobias Gröber: Wir agieren auch an anderen Standorten mit der Marke Ispo. Wir sind in Shanghai, wir sind in Beijing. Und wir sind mit kleineren Veranstaltungen unterjährig auch mal an anderen Locations unterwegs. Gleichzeitig bieten wir mit dem Messegelände in München Kontinuität und haben Zugriff auf die Flächen – was für eine Messe auch wichtig ist.
Wie weit sind Sie mit der Planung Ihrer nächsten Messen? Vor der Ispo Munich im November findet die Outdoor by Ispo im Juni statt – und das in einer neuen Location.Im Sommer bespielen wir sogar zwei neue Locations. Einmal das gesamte MOC inklusive der bestehenden und freien Showrooms sowie Flächen in der gegenüberliegenden Motorworld. Damit haben wir allein über die Showrooms im MOC einen guten Grundstock an Brands. Und alle machen sich jetzt intensiv Gedanken darüber, wie sie ihre Teilnahme gestalten können – auch die, die schon im MOC vertreten sind. Wir merken auf jeden Fall, dass die Branche ausgehungert ist nach physischen Treffen.
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Schlägt sich die hohe Zustimmung, die Sie für die neuen, früheren Termine bekommen haben, auch schon in Buchungen nieder?Zahlen kann ich Ihnen noch nicht nennen, für den Sommer sind wir jetzt gerade erst gestartet. Für die Ispo Munich im November sind wir tatsächlich heute schon über dem Anmeldestand, den wir für Januar hatten. Da wir im November wegen einer Parallelveranstaltung nur zehn Hallen belegen können, gehe ich eher davon aus, dass es eine Warteliste geben wird.
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Sie haben sowohl für die Outdoor by Ispo als auch für die Ispo Munich Größenlimitierungen eingeführt und die Laufzeit verkürzt. Ein Reaktion auf sinkende Messe-Budgets?Auch. Aus unserer Sicht ist die Zeit des Gigantismus vorbei. Die Budgets sind einfach nicht mehr so groß wie früher. Gleichzeitig wird die Fokussierung dazu führen, dass sich die Marken intensiver damit auseinandersetzen werden, welche Kernaussage, welche Quintessenz sie in den Vordergrund stellen. Ähnlich wie bei der IAA Mobility, bei der Marken über ein Concept Car und ein Vision Car vermitteln, wofür sie künftig stehen. Konsumenten entscheiden sich heute bewusster für Marken, weil sie für gewisse Werte stehen oder für gewisse Initiativen. Die beiden Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit,
Patagonia und
Vaude, verkaufen Jacken, aber sie stehen auch für Werte. Und das ist es, was die Marken in Zukunft auch gegenüber den Händlern und vor allem für die Konsumenten herausarbeiten müssen.
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Aber wie kann das dann aussehen? Viele haben ähnliche Werte. Und dann werden vielleicht nicht vergleichbare Produkte ausgestellt, aber vergleichbare Ideen.Ja, was aber auch grundsätzlich nicht weiter schlimm ist. Und die beste Idee wird sich durchsetzen. Insofern ist es ein neuer kreativer Wettbewerb, sich mit dem Konsumenten, mit dem Markt und der Zukunft auseinanderzusetzen. Marken, die über das Produkt hinaus zusätzlichen Wert bieten, sei es für die eigene Gesundheit, für die eigene Community oder für den Planeten, haben definitiv größere Chancen als die, die nur über den Preis und die Wassersäule argumentieren. Da müssen sich die Marken differenzieren. Sei es über Kernprodukte, über Botschafter oder über unterschiedliche Initiativen, das ist für jede Marke anders. Aber das ist ein spannender Prozess.
Wie weit sind Ihre potenziellen Aussteller bei diesem Prozess?Es gibt welche, die in der öffentlichen Wahrnehmung weit vorne sind. Aber tatsächlich hat das Gros der Branche schon genügend Inhalte und Initiativen, scheut sich teilweise aber noch, aktiv damit nach draußen zu gehen. Dieses Selbstvertrauen können und müssen wir ihnen geben. Die Branche ist schon sehr weit. Und sie hat die Chance und das Potenzial, andere Industrien zu inspirieren und anzuführen.
Verschiedene Branchen zu vernetzen liegt im Interesse einer großen Messegesellschaft. Wie setzen Sie das konkret um?Wir können zum Beispiel technische Lösungen, die in einer Branche schon vorhanden sind, in unsere Plattformen einbauen. Einbauen heißt, entweder entsprechende Produkte auf anderen Messen zu zeigen oder aber Innovation Journeys zu organisieren und Teilnehmer einer Branche mit Teilnehmern anderer Branchen zusammenbringen, die sich sonst nicht oder sehr schwer treffen oder kennenlernen würden. Und damit schneller Innovationen von einer Branche in die andere Branche zu bekommen.
Werden auf den Messen auch Verbraucher unterwegs sein? Die Öffnung einer B2B-Messe ist ein sensibles Thema.Die Outdoor by Ispo wird auf Wunsch der Aussteller ausschließlich ein B2B-Event sein. Einfach die Hallen aufzumachen und einen Konsumententag dranzuhängen, funktioniert aber auch für die Ispo Munich definitiv nicht. Die Produkte sind da die falschen und das Personal eigentlich auch. Das muss also ein eigenständiges Konzept sein und sich abgrenzen von dem, was auf der B2B-Fläche passiert. Aber wir kommunizieren ja ohnehin das ganze Jahr über mit Konsumenten. Wir haben in den vergangenen sieben Jahren eine große Online-Community aus Consumer Experts aufgebaut. Unternehmen, die bei uns Mitglied werden, können auf dieses Panel das ganze Jahr über zugreifen, zum Beispiel für Produkt-Tests, -Entwicklungen oder für Befragungen. Außerdem sind Consumer Experts mittlerweile Teil der Ispo Award Jury. Nicht zuletzt sind mittlerweile 50% der Ispo.com-Leserschaft Konsumenten.
Wird es eine räumliche Trennung zwischen der B2B- und der B2C-Veranstaltung geben?Es kann vielleicht mal Überschneidungen geben, aber wir denken eher an Off-Locations.
Es wird also viel um Events gehen?Wir prüfen jetzt, was sinnvoll ist. Das größte Pfund, das wir heute haben, ist unsere Online-Konsumenten-Community, der Ispo Collaborators Club. Das heißt, wir können herausfiltern, welche Konsumenten zum Beispiel reichweitenstarke Social Media-Kanäle haben. Mit denen könnte man zum Beispiel zusammenarbeiten.
Das ist ja aber etwas grundlegend Anderes als zu sagen, Tore auf für alle ...... und am Ende wollen eigentlich alle nur ein Schnäppchen machen. Das funktioniert nicht.
Welche Funktion kann und muss eine Messe heute erfüllen?Für uns sind das drei Dinge. Return on Invest, Return on Relationship und Return on Media and Outreach. Dabei setzt jede Firma andere Prioritäten. Es gibt Aussteller, denen geht es vor allem um den Return on Invest, den Verkauf. Die wollen Orders schreiben oder zumindest verkaufsvorbereitende Gespräche führen. Das ist diesen Unternehmen vielleicht wichtiger als das Beziehungsnetz, was aber letztlich die Kraft und Stärke der Marke auch ausmacht. Und andere wollen massiv auf Media und Outreach gehen.
Und damit wollen Sie auch D2C-Brands auf die Messe kriegen?Die werden wir nicht auf eine B2B-Fläche kriegen, das ist klar. Aber eine Marke wie
Salewa oder auch die ganze Oberalp-Gruppe, die sind Mitglied in unserem Collaborators Club und greifen das ganze Jahr über auf unsere Community zu. Die nutzen also die Ispo-Welt anders. Aber auch das ist Teil unseres Geschäftsmodells 'Wir verbinden', und zwar in dem Fall die Marke mit den Konsumenten. Ich bin auf jeden Fall froh, dass wir nicht nur auf dem Quadratmeter-Bein stehen.
Wie groß ist denn das Quadratmeter-Bein?Das ist natürlich immer noch der größte Anteil im Revenue-Stream. Aber den würde es nicht mehr geben, wenn wir nicht dieses Ökosystem drumherum gebaut hätten. Dabei ist digital eine perfekte Brücke zum physischen Erleben. Aber nur digital oder nur analog funktioniert einzeln nicht.
Auch die Ispo hatte in den vergangenen Jahren mit großen Herausforderungen und dem Verlust wichtiger Aussteller zu kämpfen. Wie kann es eine Messe schaffen, auch ohne die größten Player der Branche relevant zu bleiben?Klar gibt es die großen Marken, aber auch die unzähligen kleineren bringen die Branche voran. Man kann das vergleichen mit dem, was bei den Bierbrauern passiert. Neben den Konzernen gibt es eine Reihe von Craftbier-Brauereien, die überall aufpoppen und auch sehr gut überleben können. Das Gleiche passiert jetzt gerade in der Hartware, speziell in der Ski-Hartware, wo du viele kleinere Manufakturen hast. Das sind alles Unternehmen, die auch uns gut brauchen können. Wir leben vor allem von den kleinen und mittleren Unternehmen. Und da gibt es sehr, sehr viele Tausende weiterhin.