Der Online-Outdoor-Spezialist Bergfreunde geht beim Klimaschutz mit großen Schritten voran. Das ist für einen Händler allerdings deutlich einfacher als für die Marken.
Grundlage der Bewertung sind Daten von über 2000 deutschen Unternehmen zum Ausstoß von Treibhausgasen (THG) sowie öffentlich zugängliche Informationen, etwa aus Nachhaltigkeitsberichten. Im Zentrum der Analyse stand die Frage, welchen Unternehmen es am besten gelingt, CO2-Emissionen zu reduzieren, ohne dadurch Umsatz- oder Produktionswachstum einschränken zu müssen.
Bergfreunde hat die durchschnittliche Intensität seiner CO
2-Emissionen in den vergangenen drei Jahren um 60% reduziert. Damit steht der Outdoor-Spezialist in diesem Jahr auf Rang eins des Rankings "Klimabewusste Unternehmen Deutschlands". Vorjahressieger Zalando rutscht damit auf Platz 2.
Mehr zum Thema
Von der Analyse bis zum Ausgleich
Der lange Weg zur Klimaneutralität
Die Reduktion von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen gehört zu den Mammutaufgaben der Modebranche und ist ein wichtiger Pfeiler der Nachhaltigkeitsstrategie. Aber die Thematik ist komplex und der Grad zum Greenwashing schmal.
Auf Platz drei steht mit
Puma ein weiteres Branchenunternehmen. Dass es für produzierende Unternehmen sehr viel komplexer ist, ihre Emissionen zu reduzieren, weiß auch Bergfreunde-Geschäftsführer
Matthias Gebhard. "Wir sind sehr stolz über dieses Ergebnis, aber wir sind erst auf dem Weg, noch nicht am Ziel", erklärt er.
"Für uns als nicht Energie-intensives Unternehmen ist es vergleichsweise einfach, unsere Emissionen drastisch zu reduzieren. Damit wollen wir anderen Unternehmen Mut machen, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen. Klimaschutz ist uns sehr wichtig, auch weil er die Grundlage unseres Business ist. Wir wollen durch unser Engagement zeigen, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sind, sondern unerlässliche Parameter, um in Zukunft gesund leben und erfolgreich arbeiten zu können. Wir sehen diese Auszeichnung als Ansporn für weitere Klimaschutz-Maßnahmen."
Der Online-Händler erzielte einen großen Effekt durch sein vollautomatisiertes, energiesparendes Logistikzentrum und durch die komplette Umstellung auf regenerative Energien. Bergfreunde kommt bei derzeit vergleichsweise niedrigen Emissionen (Scope 1 und 2) von 30 Tonnen CO
2 auf eine Emissionsintensität von 0,20 (Emissionen im Verhältnis zum Umsatz).
Daraus berechnet sich der für das Capital-Klima-Ranking relevante Compound Annual Reduction Rate-Wert (CARR) von 60,2%. Dieser Wert macht 80% des Endergebnisses aus, weitere 20% entfallen auf das Erfüllen von Zusatzkriterien. Dabei wirkt sich bei Bergfreunde positiv auf das Ergebnis aus, dass das Unternehmen bereits Scope 3-Daten erhebt und Klimaschutzziele gemäß der Science Based Target-Initiative formuliert.
SCIENCE BASED TARGETS (SBT)
SBTs machen den Beitrag eines Unternehmens zum Erreichen der Pariser Klimaziele messbar und transparent. Formuliert werden können diese wissenschaftsbasierten Ziele erst, wenn man weiß, wie viele Emissionen im Unternehmen verursacht werden. Dabei wird unterschieden zwischen Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen. Scope 1-Emissionen sind direkte Emissionen, die etwa die Heizung am Firmensitz und der Fuhrpark verursachen. Scope 2-Emissionen sind unter anderem indirekte Emissionen aus zugekauftem Strom. Unter Scope 3 fallen alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen, etwa bei der Herstellung von Produkten. Bei Handelsunternehmen entfällt darauf der Löwenanteil. Validiert werden die Ziele von der Science-Based Targets Initiative (SBTi).
Der Vergleich von Emissionsreduzierungen ist allerdings nur bedingt aussagekräftig. Denn für Unternehmen, die schon vor Beginn der Klimabilanzierung ihre Emissionen möglichst stark reduziert haben, ist ein hoher CARR-Wert sehr viel schwieriger zu erreichen. Das erklärt unter anderem, warum
Vaude in diesem Ranking nur auf Rang 25 steht, obwohl das Unternehmen als Nachhaltigkeits-Pionier gilt und
seit diesem Jahr komplett klimaneutral produziert – allerdings inklusive der nach wie vor notwendigen Kompensationen durch den Kauf von Zertifikaten.
Adidas belegt Rang 12.
Mehr zum Thema
TW-Glossar
Von Ablasshandel bis Net Zero: Die wichtigsten Begriffe zum Thema Klimaneutralität
"Klimaneutral ist längst ein Buzzword im fossilen Marketingsumpf", sagt Claudia Kemfert, Professorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Wissenschaftlern zufolge gibt es mittlerweile 30 verschiedene Arten von "Klimaneutralität". Tatsächlich ist der Definitionsdschungel ähnlich groß und unüberschaubar wie der Siegelwald beim Thema Nachhaltigkeit generell. Die TW hat die wichtigsten Begriffe zusammengestellt.
Bergfreunde beschäftigt am Verwaltungsstandort Kirchentellinsfurt und am Logistikstandort Ergenzingen bei Tübingen insgesamt 500 Mitarbeiter,
der Umsatz betrug 155 Mio. Euro im Jahr 2020. Geschäftsführer sind Matthias Gebhard und Ronny Höhn.
Seit 2019 ist das Unternehmen klimaneutral, und zwar rückwirkend bis zum Gründungsjahr 2006. Als erster deutscher Online-Händler der Outdoorbranche wurden die CO
2-Reduktionsziele der Bergfreunde von der Science Based Targets Initiative (SBTi) validiert. Das Unternehmen verpflichtete sich damit, das 1,5-Grad-Ziel der Vereinten Nationen mit messbaren Maßnahmen zu unterstützen.
Bis spätestens 2030 will Bergfreunde alle direkten Emissionen (Scope 1 und 2) um 70% senken sowie 75% der eigenen Lieferanten bis zum Jahr 2026 dazu veranlassen, sich ebenfalls wissenschaftsbasierte Klimaschutzziele zu setzen.
Zudem initiierte das Unternehmen im September 2021 die unternehmensübergreifende Klimaschutzinitiative
"Outdoor Retailer Climate Commitment" (ORCC).
Mehr zum Thema
Outdoor Retailer Climate Commitment
Neue Seilschaften
Fünf der größten europäischen Outdoor-Händler machen gemeinsame Sache. Fürs Klima. Sie verpflichten sich zu ehrgeizigen Zielen – und nehmen ihre Lieferanten in die Pflicht. Was das genau heißt, haben wir die Geschäftsführer der Online-Retailer Bergfreunde und Bergzeit, Matthias Gebhard und Martin Stolzenberger, gefragt.