Schweizer Brand trifft Schweizer Sportikone: Fabian Cancellara beim Dreh des Kampagnenvideos
Bike-Hype. Der Fahrrad-Markt boomt. Daran wollen auch Fashion-Brands partizipieren. Jüngstes Beispiel: Strellson. Am 31. März ist die mit Ex-Rennradprof Fabian Cancellara entstandene Kapsel an den Start gegangen. Im TW-Interview erzählen Marino Edelmann, Managing Brand Director von Strellson, und der zweifache Olympiasieger wie die Zusammenarbeit abgelaufen ist, welche Kunden sie für sich gewinnen wollen und warum zu lange Socken ein No-Go sind.
Wie stark waren Sie in die Kollektionsentwicklung involviert, Herr Cancellara? Und wie lief das Ganze ab?Cancellara: Wir hatten mehrere Gespräche, dabei haben wir uns unter anderem darüber unterhalten, wie sich die Mode in den vergangenen Jahren entwickelt hat, wie komfortabel etwa der Anzug mittlerweile ist und so sind wir letztlich auf die Idee der Fahrrad-Kapsel gekommen. Die Expertise von der Welt, die Strellson kennt, haben wir mit meiner Expertise zusammengebracht. Keiner von uns ist gekommen und hat gesagt, ich will das oder wir müssen das so machen. Das, was wir beide gerne haben, hat zu einem Endergebnis geführt, das ich richtig cool finde. Ich bin begeistert und sogar berührt. Denn es ist etwas Einzigartiges entstanden. Es ist eine richtige Zusammenarbeit und ich freue mich auf die nächsten Schritte, die kommen.
Edelmann: Weder Fabian noch ich haben Lust darauf, mit Leuten zu arbeiten, auf die wir keinen Bock haben. Wenn man sich versteht, macht es Spaß, sich zusammenzutun. Wir haben dann einfach mal geguckt, was wir anbieten können, aber auch was sich Fabian von der ganzen Geschichte vorstellt. So ist das ein gegenseitiges Lernen voneinander.
Herr Cancellara, im Radsport fährt man ja auch häufig als Team. Konnten sie bestimmte Rollen aus dieser Erfahrung auf das jetzige Projekt übertragen?Cancellara: Als Athlet war ich ja immer der Leader, aber hier war ich ein Teil vom Team. Jeder hat seine Rolle eingenommen, ein Mix von verschiedenen Stärken, vom Produkt bis zum Marketing. Den Erfolg macht aus, dass Du die richtigen Leute am Tisch hast. Über Farben muss zum Beispiel nicht mit mir gesprochen werden. Da haben andere viel mehr Ahnung. Und es soll ja auch weiterhin zur Strellson-DNA passen. Wir waren da aber immer absolut offen in der Kommunikation. Spannend war es auch, als es um die Größen ging. Denn meine Beine entsprechen einfach nicht der Norm. Strellson weiß aber, was auf dem Markt abgeht, wie die Passformen sein müssen. Daher war für mich auch Thema, dass nichts gemacht werden soll, was nur mich fitted.
Warum passt Fahrrad zur Strellson-DNA, Herr Edelmann?Edelmann: Das Thema ist derzeit sehr relevant und angesagt – Du bekommst ja gerade kaum noch Räder und durch Corona hat das Ganze noch mal einen Boost bekommen. Vom aktiven Rennradfahren, wo Menschen wirklich Strecke zurücklegen, bis hin zum mobil sein in der Stadt mit E-Bikes. Es ist einfach ein ganz großes Trendthema – das durch die aktuellen Gas-, Öl- und Benzinpreise sicher nicht an Relevanz verliert. Es trifft den Zeitgeist und wir wollen mit der Kollektion immer am Zeitgeist sein. Hinzu kommt: Wenn ich eine Idee habe, die ich gut finde, muss ich sie ja dennoch so verpacken können, dass sie dem Markt schmeckt. Und das kam dann mit Fabian: Einerseits, weil er Schweizer ist, was wir als Marke ja auch unterstreichen wollen, und andererseits, weil er absolute Glaubwürdigkeit in dem Bereich hat. So wird die Sache rund. Einfach so hätten wir wohl eher keine Bike-Kapsel gemacht, mit ihm als Face hat das viel mehr Kraft.
"Wir können Dinge ausprobieren, spitzere Themen vorantreiben, die bei Erfolg und gutem Feedback Bestandteil der Kollektion werden können", sagt Marino Edelmann, Managing Brand Director von Strellson, über die Arbeit an der Kapsel.
Ist es denn die erste Sportbekleidungskollektion für Strellson?Grundsätzlich haben wir die Kollektion in den letzten zweieinhalb Jahren mehr in Richtung Performance geschoben – und Performance ist ja nicht nur ein Thema, das sich auf Sportswear bezieht, sondern auch die Anzüge werden sportiver, elastischer, bequemer. Entsprechend haben wir vor zwei Jahren schon die Flex Cross-Kapsel innerhalb der Kollektion gelauncht und damit Produkte, die nicht unbedingt beim Running oder im Gym funktionieren, aber schon einen aktiven Lebensstil unterstützen. Das heißt, wenn wir von einer reinen Sports-Kapsel sprechen, dann ist es jetzt die erste, aber die Richtung der Kollektion geht bereits länger dahin.
Und mündet möglicherweise in Strellson Sports?Ich bin kein großer Freund von Zweitlinien. Das macht sicherlich Sinn, wenn man eine gewisse Größe hat, um verschiedene Flächen zu penetrieren. Ich würde unsere Kollektion aber lieber immer modern und am Puls der Zeit halten, weshalb sie jetzt sicherlich große Sportswear-Einflüsse hat. Ich schließe aber nicht aus, dass sie in zwei, drei Jahren vielleicht doch wieder ganz woanders ist. Das ist das, was mir besonders viel Spaß macht, was aber auch für eine Marke essenziell ist: Dass wir einfach immer wieder überlegen, wohin die Richtung geht und das in der Strellson-Kollektion abbilden.
Strellson x Fabian Cancellara: Die Looks
Richtet sich die Kollektion vor allem an den Strellson-Kunden oder dient sie dazu, eine neue Zielgruppe zu erschließen?Wir versuchen schon auch die großen Fans von Fabian zu bekommen. Er hat 300.000 Follower bei Instagram, ist durch große Auftritte bekannt – natürlich wollen wir da potenzielle Kunden zu uns holen, weil wir nicht nur Fahrradklamotten verkaufen, sondern auch sehr gute Anzüge, die den Ansprüchen dieser sportaffinen Gruppe sicher gerecht werden. Zudem geht es darum, die Marke in einem anderen Licht zu zeigen.
Apropos zeigen, wie wird die Kapsel in den Stores präsentiert?Wir haben Original-Fahrräder von Fabian bekommen, mit denen er bei der Tour de France und bei Olympia gefahren ist. Die bauen wir in den Läden auf. Das in Kombination mit den Trikots sieht auf der Fläche richtig spannend aus.
Was ist sonst geplant in puncto Marketing?Zum Launch hatten wir ein großes Video, das wir über alle digitalen Kanäle spielen. Take-outs daraus nutzen wir zum Anteasern. Und während des Videodrehs wurde ein Shooting gemacht. Im ersten Schritt konzentrieren wir uns in der Vermarktung auf die Schweiz, Fabian ist hier ja eine Ikone. Da haben wir jetzt schon super viel Feedback bekommen. Aber wir lancieren das generell stark in der DACH-Region.
Wird es auch Events geben?Ja, wir starten eine große Content-Aktion: Alle Handelspartner, die die Kapsel haben
(Anm. d. Red.: Engelhorn, AR Cycling, Daiii und The Roger’s), werden ihre Top-Kunden zu Ausfahrten mit Fabian einladen. Ihnen erzählt er von seiner Karriere, erklärt, wie man gut und schnell die Tour hinter sich bringt. Es ist wichtig für eine Marke, dass Du mehr machst als nur Produkt.
Mit dem wachsenden Hype ums Rad gibt es auch immer mehr Influencer, die sich dem Thema widmen, etwa Radprofi Rick Zabel und 8000Watt. Werden Sie auch mit ihnen zusammenarbeiten?Wir hatten darüber nachgedacht, aber dann entschieden, dass es viel cooler ist, sich an die Menschen zu wenden, die den Radsport so leben, dass sie sich einfach ein- bis zweimal die Woche aufs Rad schwingen und Gas geben. Diese zehn bis zwanzig Kunden, die dann zum Beispiel zu einer Ausfahrt mit Fabian kommen und Tipps von ihm erhalten, machen eine einzigartige Erfahrung. Das finde ich zehn Mal cooler als einen bezahlten Influencer, der ein T-Shirt von uns anhat. Das finde ich nicht authentisch, nicht gelebt. Wir haben uns also bewusst für diesen Weg und gegen Influencer entschieden, weil wir ja auch wissen, wie schnelllebig das Geschäft ist. Montags ist das Produkt in einer Story und dienstags schon wieder weg.
Cancellara: Die Menschen, die da kommen, sind genau die Klientel, die wir ansprechen wollen – und die tragen ihr Erlebnis weiter. Go to the base. Da sind dann auch die treuen Kunden. Überhaupt ist es meine Motivation, Menschen in den Sport reinzubringen. Ich habe als junger Bursche mit Passion angefangen. Es ist zum Beruf geworden, aber die Passion ist immer noch da. Und es war für mich eine Lebensschule. Von daher bin ich überzeugt: Egal ob jung oder alt, fit oder nicht, das Rad bringt die Leute zusammen. Es ist ein reachable, touchable, accessible Sport. Ob du E-Bike fährst oder ein normales spielt dann auch keine Rolle.
Wie finden Sie die Entwicklung der Rad-Influencer dann generell? Kommen von dort spannende Impulse für den Sport?Es ist auf jeden Fall megaspannend, was da in letzten zwei Jahren abgegangen ist, in der Schweiz, in Deutschland, aber auch weltweit. Wenn diese Akteure keine Passion fürs Radfahren hätten, könnten sie nicht so ein Ding daraus machen. Diejenigen, die nur ein super Marketing machen, überleben nicht. Du musst heute authentisch sein.
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Mit einer Kapselkollektion tastet sich Strellson in den boomenden Bike-Markt vor. Die Styles sollen die DNA des Schweizer Menswear-Labels mit dem Anspruch von Radfahrern kombinieren. Zur Zusammenarbeit wurde niemand geringeres gewonnen als der zweifache Olympia-Goldmedaillengewinner Fabian Cancellara.
Diesen März haben auch Drykorn und Rose Bikes ihre gemeinsame Kollektion auf den Markt gebracht und diese unter anderem auf der Bike Fair im Kolektif Berlin vorgestellt. Wird die Strellson-Kapsel auch bei solchen oder anderen Veranstaltungen zu sehen sein?Edelmann: Fabian macht selbst geniale Rennen unter dem Namen Chasing Cancellara, bei denen Spenden für gute Zwecke gesammelt werden. Da geht's dann zum Beispiel von Zürich nach Zermatt. Unsäglich weit, unsägliche Höhenmeter, zum Teil mit einer Startzeit um zwei Uhr nachts. Er hat ein Megapaket von Sponsoren am Start, unter anderem Mercedes. In dem Rahmen sind wir nun ohnehin vertreten. Nicht nur, weil wir die gemeinsame Kollektion machen, sondern weil wir ihn mit Off-Bike Kleidung ausstatten und seine Partner sind. Das Rennen und der karitative Aspekt stehen klar im Vordergrund, aber wir finden in seiner Welt einfach statt.
Wie hat sich der Style der Radrennfahrer in den vergangenen Jahren eigentlich geändert?Cancellara: Es ist bunter geworden, aber trotzdem noch klassisch geblieben. Im Radsport gibt's ja diese bunten Vögel, aber ich persönlich mag es lieber klassisch. So wie unsere Off Bike-Kollektion nun aussieht, das passt zu mir. Wenn Strellson jetzt mit einem Shirt mit Blumen gekommen wäre, hätte ich schon gesagt, dass das eher weniger mein Stil ist.
Strellson x Fabian Cancellara: Die Präsentation auf der Fläche
Hatten Sie bestimmte Style-Vorlieben während Ihrer Karriere? Oder gab es weitere No-Gos – abgesehen von Blumen?Für mich war es immer am wichtigsten, schnell Rad zu fahren. Wenn du schnell fährst, kannst du anschließend nach dem Look gucken. Aber ein Kumpel von mir, ein Italiener, der meinte schon: "Es ist nicht wichtig, ob Du gewinnst, sondern es ist wichtig, dass Du gut ausschaust, denn daran wirst Du auch gemessen." Aber ich wollte erst schnell sein. Am Look kann man noch arbeiten. Insgesamt ist man durch die Teambekleidung ja nicht ganz frei, aber zu lange Socken waren für mich ein No-Go. Gerade im Sommer war es wichtig, die Socken nach unten zu schieben, damit keine Kanten entstehen, wenn man von der Sonne braun wird.
Edelmann: Der Videodreh war da auch ein toller Moment, weil man gemerkt hat, dass nicht nur wir uns durch die Kollektion in einem anderen Licht zeigen können, sondern Fabian nach seiner Karriere nun auch.
Und das wird nach dieser Kapsel nicht vorbei sein, denn die zweite für Frühjahr 2023 ist bereits in Arbeit. Können Sie uns schon einen Einblick geben?Ein Key-Piece wird auf jeden Fall eine Jacke sein, die mit LED-Panels bestückt ist. Schließt man ein Handy an, leuchtet sie auf Knopfdruck, was höhere Sicherheit beim Fahren im Dunkeln gewährleistet. Das ist auch das Schöne an der Kapsel: Wir können Dinge ausprobieren, spitzere Themen vorantreiben, die bei Erfolg und gutem Feedback Bestandteil der Kollektion werden können. Denn im Jacken-Bereich spielen wir ja bereits eine gute Rolle und bringen viel voran. In der Kapsel sind es wirklich funktionelle Themen, im aktuellen Drop ist es eine Weste, die sich zur Regenjacke umfunktionieren lässt.
Verraten Sie uns zum Schluss noch eines, Herr Cancellara: Lieber bergauf oder bergab?Lieber Berg runter, weil Berg hoch musst Du die Kilos schleppen. Spaß macht es trotzdem, denn man weiß ja, danach geht es wieder runter.