Die Olympischen Winterspiele sorgen für Sichtbarkeit chinescher Marken: Free-Ski-Star Eileen Gu triumphiert in einer Jacke des Sportartiklers Anta.
Eine Analyse von Bloomberg News zeigt einen schweren Stand für westliche Marken in China. Ihre Strahlkraft wird heute nachhaltiger von politischen Entwicklungen beeinträchtigt als früher. Beispiel Sneaker.
Vor zwei Wochen kannte hierzulande kaum einer die Marke Anta. Obwohl die Chinesen mittlerweile einer der größten Sportartikel-Hersteller der Welt sind, fand ihre Story im Westen bislang kaum Beachtung. Dass seit der
Übernahme von Amer Sports auch Marken wie
Salomon, Peak Performance und Atomic zum Anta-Portfolio gehören, hat außerhalb der Branche auch nicht für große Schlagzeilen gesorgt.
Seit Jahren rangeln Puma, Lululemon, New Balance und Under Armour um Platz Drei der globalen Sportartikelkonzerne. 2020 lag Puma mit 5,2 Mrd. Euro – weit abgeschlagen – hinter Nike und Adidas. Auf Rang Vier hat es mittlerweile still und heimlich allerdings ein ganz anderes Unternehmen geschafft: Anta Sports aus China. Vor allem mit der Marke Anta und dem 2009 übernommenen China-Business der Sportswear-Marke Fila machte der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von 35,5 Chinesischen Yuan (RMB), das entspricht 4,9 Mrd. Euro. Under Armour kam 2020 auf 4,5 Mrd. Dollar, also rund 4 Mrd. Euro, Lululemon auf 4,4 Mrd. Dollar. New Balance lag mit 3,4 Mrd. Dollar auf Rang Sieben der größten Sport-Player der Welt.
Doch der Start der Olympischen Winterspiele hat das schlagartig geändert. Vor allem das mediale Interesse an Anta, dem offiziellen Ausstatter der chinesischen Athleten, ist groß. Tenor:
Adidas und
Nike müssen sich warm anziehen, damit ihnen Anta auf dem Heimatmarkt nicht den Rang abläuft. Ein Markt, der den globalen Brands nicht nur Umsatzpotenzial bietet, sondern vor allem auch einen Margenturbo.
Eine Analyse von Bloomberg News zeigt nun, wie wichtig heimische Marken für chinesische Verbraucherinnen und Verbraucher heute sind. Sie basiert auf Daten, die von dem in Hangzhou ansässigen Analyseunternehmen
Taosj.com zusammengestellt wurden.
Ein entscheidender Wendepunkt sei das Frühjahr 2021 gewesen, als mehrere Unternehmen erklärten, auf die Verwendung von Baumwolle aus Xinjiang zu verzichten. Einen positiven Einfluss auf die Entwicklung heimischer Marken habe auch die Welle des Patriotismus nach den Überschwemmungen in der Provinz Henan im Juli gehabt sowie aktuell die Olympischen Winterspiele. All das habe den Aufstieg heimischer Marken in China befeuert. Und Firmen wie Nike und Adidas abgestraft.
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Trotz Debakel in China
H&M will Umsatz bis 2030 verdoppeln
H&M-Chefin Helena Helmersson sieht den Konzern zurück auf der Erfolgsspur und setzt äußerst ambitionierte Wachstumsziele. Die Ebit-Marge soll wieder dauerhaft zweistellig sein, bis 2030 soll sich der Umsatz verdoppeln. Und das trotz eines beispiellosen Abstiegs in China, dessen Ende nicht absehbar ist.
Dabei sei gerade der Sneaker- und Sportswear-Markt ein guter Indikator, da es in diesem Bereich schon heute gut etablierte chinesische Marken gibt. Allen voran Anta und Li Ning. Gemessen an den Verkaufszahlen auf Tmall haben Anta und Li Ning den beiden größten Sportbrands der Welt, Adidas und Nike, seit Frühjahr 21 den Rang abgelaufen. Seither verkaufen Anta und Li Ning fast durchgehend mehr Sneaker auf Tmall als Adidas und Nike. Die Entdeckung chinesischer Marken ist also offenbar kein kurzfristiger Effekt. Ende Januar 2022 entfielen 28% der Sneaker-Umsätze auf Tmall auf Anta und Li Ning – das sind 12 Prozentpunkte mehr als vor der Abkehr westlicher Marken von Baumwolle aus Xinjiang. Wie aus den Daten hervorgehe, betrug das Umsatzwachstum der führenden chinesischen Schuhmarken in den zwölf Monaten bis zum 31. Januar etwa 17%, während ausländische Marken in Summe einen Rückgang von 24% verzeichnet hätten.
"Chinesische Verbraucher haben immer mehr Vertrauen in chinesische Marken", wird Jonathan Cummings, Asien-Pazifik-Präsident der globalen Markenberatungs- und Designagentur Landor & Fitch, zitiert. Im Gegensatz zu früher würde der Boykott westlicher Marken die Mentalität der Menschen nachhaltiger beeinflussen, "weil sie wissen, dass sie eine Alternative haben".
Adidas' Strategie für ein China-Comeback
Wie sich Adidas im Schlussquartal und damit im Gesamtjahr 2021 in China geschlagen hat, wird sich bei Vorlage der Zahlen am 9. März zeigen.
Im dritten Quartal war die Region Greater China mit einem Umsatzrückgang um 15% Schlusslicht. Im Vergleich zu 2019 beträgt das Minus sogar 19%. Die Abhängigkeit von der Region schmälert die Performance des Konzerns. Der Anteil der China-Erlöse zum Gesamtumsatz sanken von 27% im ersten Quartal auf 20% im dritten.
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Für seinen ersten Flagship-Store in Chengdu, im Südwesten Chinas, hat sich das Unternehmen aus Herzogenaurach ein jahrhundertealtes Hofhaus ausgesucht.
"Greater China ist einer unserer strategischen Wachstumsmärkte, und wir sind weiterhin zuversichtlich, was die langfristigen Chancen angeht", betonte Finanzchef Ohlmeyer im November. "Der Schlüssel dazu wird sein, den Verbrauchern unsere Wertschätzung und unseren Respekt zu zeigen, um ihre Loyalität zu gewinnen und unsere globalen Markenstärken mit einem starken lokalen Bezug und Verständnis zu ergänzen."
Für das Comeback in der strategisch wichtigen Region gibt es einen detaillierten "Action Plan". Ein Punkt: lokale Relevanz. In diesem Jahr hat Adidas ein eigenes Kreativstudio in China eröffnet und bereits mehr als 1000 Storys über Produkte und Partner produziert. Außerdem soll künftig ein Drittel der Produkte auf die Bedürfnisse der chinesischen Verbraucher zugeschnitten sein. Dafür gibt es ein eigenes Kreativzentrum in Shanghai. Ein klarer Strategiewechsel.
Außerdem auf der Agenda ist die Expansion mit Stores, geplant sind mehr als 100 neue Verkaufspunkte. Im Oktober hat der weltweit erste Terrex-Flagship-Store in Shanghai eröffnet.
Made in China, made for China
Auch Nike verliert deutlich.
Der Konzern machte im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (30. November) 20% weniger Umsatz in der Region Greater China. Der Anteil des China-Geschäfts am Gesamtumsatz sank auf 16%. Von November 2020 bis Januar 2021 machte der Weltmarktführer 22% seiner Erlöse in China. Begründet werden diese vor allem im Vergleich zu Nordamerika und Europa schwachen Zahlen offiziell damit, dass Produktionsausfälle sich sowohl in China als auch in der APLA-Region direkt in den Lagerbeständen und verkauften Einheiten niederschlugen. In Europa und Nordamerika konnten Produkte verkauft werden, die aufgrund längerer Lieferzeiten statt im ersten erst im zweiten Quartal eintrafen.
Auch bei Nike sollen Produkte speziell für chinesische Konsumentinnen und Konsumenten für neuen Schwung sorgen. Dafür soll die sogenannte Express Lane weiter ausgebaut werden.