Der Weg zur Plattform ist lang. Viele Player im Sportmarkt treten ihn an.
Das Anbieten von Ware wird in Zukunft nicht reichen, um Kunden an sich zu binden. Die Sportbranche zeigt, wie man mit Erlebnissen zur Plattform werden kann.
Ganz schön sportlich: Jeder dritte Deutsche treibt mehrmals pro Woche Sport. Fast zwei Drittel sind mindestens einmal pro Woche sportlich aktiv. Das geht zumindest aus den Zahlen des Sportreports hervor, den die Intersport jüngst im Rahmen der Ispo Munich
vorgestellt hat, der größten Sportartikelmesse der Welt. Wenn auch dieser Anteil realistisch betrachtet recht hoch erscheint, so gilt: Sportbegeisterte bzw. sportaffine Kunden über ihre jeweiligen Communities ansprechen zu können, ist der große Vorteil, den die Sportbranche anderen voraus hat. Zumal sich immer mehr Menschen, unabhängig davon, wie häufig sie tatsächlich aktiv Sport treiben, einem sportlichen Lifestyle zuwenden. Doch der
Markt ist hart umkämpft. Neue Konzepte müssen her.
„Wir wollen an jedem Kontaktpunkt zum Sport genau das richtige Angebot für unsere Kunden haben“, skizziert der neue
Intersport-Chef
Alexander von Preen die Zukunft des Verbunds. Eine Ansprache des Kunden über die Ladentheke hinaus, und ein Angebot, das – so die Vision – über Laufschuh, Trikot, Tennisschläger und Skischuh hinausgeht. „Wir verfügen mit über 1100 Händlern und mehr als 1800 Anschlusshäusern im Fünf-Länder-Verbund bereits heute über starke regionale Netzwerke“, führt von Preen aus. „Diese werden wir in Zukunft noch stärker miteinander vernetzen.“ Wer sich Skier am Urlaubsort ausleihen will, kann das schon heute problemlos tun – ob online oder beim Intersport-Händler des Vertrauens. Warum sollte dieser Service nicht ausgeweitet werden und Intersport der Partner für die Organisation des ganzen Ski-Urlaubs sein? Unterkunft und Ski-Schule inklusive.
Intersport-Chef Alexander von Preen: "Wir wollen an jedem Kontaktpunkt zum Sport genau das richtige Angebot für unsere Kunden haben."
Alles da. Alles auf einer Plattform. Noch ist das Zukunftsmusik. Und auch nur eine der vorstellbaren Ausgestaltungen auf dem Weg zur „größten Sportplattform Europas“, so das ambitionierte Ziel. Nähere Details zu dieser Vision, die Intersport nun skizziert hat – sicherlich nicht zuletzt, um den Blick von den nicht zufriedenstellenden Zahlen für das abgelaufene Jahr zu lenken – wird es nicht vor der Generalversammlung im März geben. Intensive Diskussionen sind garantiert. Denn so schlüssig die Idee der integrierten Services auch ist, so anspruchsvoll – und teuer – ist ihre Umsetzung.
Bergzeit-Geschäftsführer Martin Stolzenberger: "Uns ermöglichen die Erlebnisse neue Touchpoints zum Kunden und mehr Sichtbarkeit. Letzten Endes geht es darum, unsere Community weiter auszubauen. Natürlich sind sie ein wichtiges Marketing-Tool. Aber wir haben das Feld ganz bewusst als Business Unit mit klaren Umsatz- und Ertragszielen aufgebaut. Wichtig ist, dass wir nur qualitativ hochwertige Erlebnisse anbieten."
Schon sehr viel weiter bei der Umsetzung ist
Bergzeit, ein Multichannel-Händler mit Sitz in Otterfing. Bergzeit ist einer der Gewinner in der sich aktuell massiv konsolidierenden Handelslandschaft. Mit sauberem Profil und klar umrissener Zielgruppe der Bergsportbegeisterten ist das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr, das Ende Februar endet, um gut 20 % gewachsen, und zwar in allen Kategorien. Auf 65 Mio. Euro beläuft sich mittlerweile der Umsatz, der zum größten Teil online, aber auch in zwei Filialen erzielt wird. „Auch für nächstes Jahr planen wir ein gutes zweistelliges Wachstum“, so Geschäftsführer Martin Stolzenberger.
Ein Teil dieses Wachstums wird der Händler künftig mit dem Verkauf von Erlebnissen erzielen. Dieses Feld baut Bergzeit aktuell zu einem eigenen, komplett neuen Geschäftsfeld aus. „Das ist aus unserer Sicht der nächste logische Schritt zur Bergzeit-Plattform“, so Stolzenberger. Der Startschuss für die „Erlebnisse“ fiel im Oktober, zunächst im Rahmen eines Soft Launches. Mit Marketing ist Bergzeit kurz vor Weihnachten gestartet. Mit Erfolg. „Wir hätten mehr Erlebnisse verkaufen können“, so eine erste Zwischenbilanz. „Und wir stellen jetzt schon fest, es könnten mehr Tagesevents sein.“ Etwa 110 Veranstaltungen umfasst das Angebot aktuell, von der geführten Feierabend-Schneeschuh-Tour mit Hütteneinkehr für 25 Euro bis zur 12-tägigen Skisafari in Nordamerikas größtem Skigebiet für mehr als 3000 Euro. Wer nicht die komplette Ausrüstung kaufen möchte, wird mit so genannter Testware der Industrie versorgt.
Bergzeit bietet nicht nur das Equipment, sondern das ganze Event
Bei vielen angebotenen Events ist Bergzeit selbst der Veranstalter. In Bereichen, die nicht zum klassischen Kernbereich gehören, wie etwa Wassersport, arbeitet das Unternehmen mit Agenturen zusammen. Erklärtes Ziel ist es allerdings, immer mehr und möglichst viel selbst zu machen. „Nur so macht Community-Building Sinn“, ist Stolzenberger überzeugt. Und so ist auch bei jedem Event ein Guide dabei, der zwar nicht unbedingt ein Bergzeit-Mitarbeiter sein muss, für die Kunden aber der Bergzeit-Ansprechpartner ist. Für diese Guides wurde im Vorfeld eine eigene App entwickelt, über die sie alle jeweiligen Infos über Tour und Teilnehmer abrufen können. Ein kleiner Baustein beim Aufbau eines neuen Geschäftsfelds.
Die Mühe – und das Invest – ist es Bergzeit wert. Zum einen soll mit den Erlebnissen tatsächlich Geld verdient werden. Zum anderen erhöht das Unternehmen auf diese Weise seine Unabhängigkeit von Suchmaschinen – für Stolzenberger ein ganz zentraler Punkt, um sich nicht auf Preisschlachten im Netz einlassen zu müssen.
Beim Aufbau der neuen Business Unit setzt das Unternehmen auf seine Spezialisierung. „Durch unsere Positionierung, die im Vergleich zu anderen Mitbewerbern sehr spitz ist, kennen wir unsere Kunden sehr genau und erreichen sie über Social Media sehr gut. Und wir genießen ihr Vertrauen“, so der Bergzeit-Chef. Gerade für die Buchung einer Reise ist das ein ganz entscheidender Punkt. Mit 117.000 Followern auf Facebook setzt Bergzeit als spezialisierter Online-Händler eine Benchmark. Zum Vergleich: Globetrotter kommt auf knapp 60.000, der Online-Shop Bergfreunde auf 53.000.
Grundidee der Plattform ist es, den Kunden einen ganzheitlichen Service aus einer Hand anzubieten. Daneben haben sie auch einen ganz konkreten Nutzen: Vergünstigungen im Online-Shop. Bei jeder Buchung gibt es einen Einkaufsgutschein. Welche Höhe und welche Art des Rabatts für welches Erlebnis der richtige ist, das wird jetzt noch austariert. Einen Link zum Online-Shop gibt es bei der empfohlenen Ausrüstung, allerdings erst dann, wenn der Buchungsvorgang abgeschlossen ist. „Bewusst nicht vorher, um den Kunden nicht von der Seite zu lenken.“
Was waren die größten Hürden beim Launch der Erlebnisse, an dem mehr als zwei Jahre gearbeitet wurde? „Die technische Verknüpfung von der Reise zum Shop ist herausfordernd, da der Buchungs- und Bezahlprozess bei der Reisebuchung komplett anders ist. Ebenso herausfordernd ist es natürlich, wie bei jeder Ausweitung oder Veränderung des Geschäfts, alle Mitarbeiter mitzunehmen.“ Drei Mitarbeiter befassen sich mittlerweile ausschließlich mit den Events. Entwickeln die Touren, sind in der Kommunikation mit den Hotels. Darüber hinaus sind natürlich viele der mittlerweile 260 Bergzeit-Mitarbeiter in die Prozesse involviert, im Customer Service ebenso wie in der Logistik. „Was uns momentan am meisten beschäftigt, ist es, die Logistikprozesse auf die Testware für unsere Teilnehmer abzustimmen, die unsere Partner zur Verfügung stellen.“
SportScheck-CEO Markus Rech: "Sport ist heute verstärkt eine Lebenseinstellung und umfasst daher viel mehr als nur die direkte Sportausübung. Das ‚Erlebnis Sport‘ umfasst unter anderem Ernährung, Regeneration, Musik, Medien, Reisen. Dem wollen wir mit unserem Angebot gerecht werden. Perspektivisch werden wir mehr und mehr Angebote für diesen Lebensstil bieten."
Auch in den Reihen der Intersport-Händler wird der Plattform-Gedanke bereits intensiv beackert. Prominentestes – und größtes – Beispiel hierfür ist
SportScheck. Seit seinem Antritt als CEO arbeitet Markus Rech daran, die Otto-Tochter zum „Ökoksystem für einen aktiven und sportlichen Lebensstil“ auszubauen, wie er es nennt. Mit Multichannel-Handel als einem Teil davon. Daran ändert auch die Anfang dieser Woche angekündigte Schließung der Filiale in Braunschweig nichts. Denn dass im Zuge des Restrukturierungsprozesses alle Unternehmensteile auf Wirtschaftlichkeit geprüft werden, ist lange bekannt. Ebenso, dass dabei ein besonderer Augenmerk auf der Rentabilität des Filialgeschäfts liegt.
Ein Beispiel für den Ökosystem-Ansatz, bei dem neben dem klassischen Handelsgeschäft mit Waren auch Services, Events wie
dem jüngst verliehenen Made for More-Award und Content rund um Sport angeboten werden, ist Fitfox, eine 100 %-ige SportScheck-Tochter. „Fitfox bietet als Sporterlebnis-Plattform Fitness-on-Demand an“, so Rech. Also Fitnessstudio-Angebote ohne Vertragsbindung sowie die Möglichkeit, Sportevents zu buchen. Das Ticketing für die deutschlandweit größte Laufserie SportScheck Run läuft ebenso über Fitfox wie Event-Angebote von externen SportScheck-Partnern, wie beispielsweise dem YEZ-Yoga Festival. „Perspektivisch wollen wir Fitfox noch stärker in das Ökosystem integrieren. Das heißt beispielsweise, der Kunde kauft sich die Yoga-Ausrüstung, erhält dazu ein Frei-Ticket für ein Training im Yogastudio und eine Empfehlung für ein Yoga-Event in seiner Nähe. So wird der Produktkauf zum ganzheitlichen Sporterlebnis.“
SportScheck: Made for More Award
Ein weiteres Element der Plattform-Strategie ist die Vermietung von Pop-up-Flächen, wofür sich vor allem die Metropolen-Standorte mit hoher Frequenz – und hohen Mietkosten – anbieten. Premiere feierte das Konzept mit einer BMW-Fläche im Münchner Stammhaus. „Festgelegte Branchengrenzen gibt es keine, solange sie mit dem aktiven und sportlichen Lebensstil in Berührung stehen“, erklärt Rech. „Hier geht es auch um Entertainment, Überraschung und Inspiration für die Konsumenten.“
Fitfox sorgt für den Zugang bei Fitness-Studios ohne Mitgliedschaft
Die Kunden über ihre Community gezielt anzusprechen, daran arbeiten die Big Brands unentwegt. Vor allem in den Key Citys sind die Marken-Botschafter von Nike und Adidas unterwegs. Organisieren Sport-Events und Launch-Partys, sind Teil dieser Communities. Die Unternehmen bieten in ihren eigenen Stores unterschiedlichste Aktionen und Veranstaltungen.
Auch spitzer aufgestellte Labels schaffen es, mit eigenen Veranstaltungen ihre Fan-Base an sich zu binden, von den Speedfit Nights von Dynafit bis zum Team-Skitourenrennen von Maloja, von der Mammut-eigenen Bergschule bis zur Arc’teryx Alpine Academy. Doch alle sind, gerade außerhalb der Key Citys, auf starke Partner im Handel angewiesen, auf deren lokale Verankerung und ihre Netzwerke. Ein rentables Geschäftsmodell kann daraus werden, wenn sie so miteinander vernetzt werden, wie es sich Intersport auf die Agenda geschrieben hat. Nämlich dann, wenn es skalierbar wird.
Mehr zum Thema
Die Wachstumsstrategie des Outdoor-Spezialisten
Globetrotter: Community statt Kältekammer
Retail-Offensive: Drei Jahre nach der Übernahme durch die Fenix-Gruppe ist Globetrotter wieder auf Expansionskurs. 2019 eröffnet der Outdoor-Bekleidungshändler gleich fünf neue City-Stores.
Nicht von ungefähr geht
Globetrotter in diesem Jahr nicht mit einer, sondern gleich fünf neuen City-Filialen in die Expansion. Ein Event-Manager für ein Haus rechnet sich selten, für mehrere Häuser sieht das anders aus. Und so wird auch Bergzeit bei der Vergrößerung des Angebots nicht in die Weite, sondern in die Tiefe gehen, vergleichbare Events an unterschiedlichen Tagen und an unterschiedlichen Orten anbieten, erklärt Stolzenberger. „Wir wollen Erlebnisse skalierbar machen.“
Mehr News und Hintergründe zum Sport-Business