Adidas konnte sich in der Vergangenheit auf den Drive bei Originals verlassen. Jetzt dreht sich der Wind.
Adidas verliert im Heimatmarkt. Grund: Der Wachstumsmotor Originals stottert.
Originals wird künftig an Dynamik verlieren. Dessen sind wir uns bewusst und haben dies in unsere Umsatzerwartung für 2018 einkalkuliert.” Das sagte der erfolgsverwöhnte Adidas-Chef Kasper Rorsted im März, als er die Zahlen für 2017 präsentierte.
Nun zeigt sich: Er war zu optimistisch. Das geplante Umsatzwachstum von 10% wurde nach Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal nach unten korrigiert. Adidas geht jetzt davon aus, den währungsbereinigten Umsatz 2018 zwischen 8 und 9% steigern zu können. Der Grund:
Adidas steht vor allem im Heimatmarkt unter Druck. Im dritten Quartal verbuchte der Konzern in Westeuropa ein Umsatzminus von 1%, in Euro betrug der Rückgang sogar 2%.
Wachstumsmarkt Europa? Für Adidas aktuell nicht
Nike- Gesamtumsatz: 24,2 Mrd. Euro*, 27% davon in der Region EMEA (6,4 Mrd.,
plus 18%)
Adidas- Gesamtumsatz: 15,1 Mrd. Euro*, 36% davon in der Region EMEA (5,4 Mrd.,
minus 2%)
Puma- Gesamtumsatz: 3,4 Mrd. Euro*, 42% davon in der Region EMEA (1,4 Mrd. Euro,
plus 10%)
Under Armour- Gesamtumsatz: 3,3 Mrd. Euro*, 11% davon in der Region EMEA (0,4 Mrd. Euro,
plus 23%)
* Gesamtumsatz in den ersten neun Monaten 2018¹ und in der Region EMEA². Bei Adidas und Nike werden die Umsätze der Marken Adidas und Nike betrachtet (ohne Reebok und Converse).
¹ Bei Nike wird der Zeitraum vom 1.12.2017 bis 31.8.2018 betrachtet.
² Adidas weist die Region EMEA nicht separat aus. Hier sind die Umsätze in Westeuropa, Russland/GUS und Emerging Markets zusammengefasst.
Dies wird den zweitgrößten Sportartikelhersteller der Welt umso mehr schmerzen, da die Konkurrenz hier kräftig zulegen konnte. In der Region EMEA, die neben Europa auch den Nahen Osten und Afrika einschließt, konnten sowohl Branchenprimus
Nike als auch die direkten Mitbewerber
Puma und
Under Armour zweistellige Zuwächse verzeichnen. Von jährlichen Zuwachsraten von durchschnittlich 15% in Westeuropa, wie sie der Konzern von 2015 bis 2017 verbuchen konnte, ist Adidas derzeit weit entfernt. Befeuert wurde dieses Wachstum bislang von Originals. Doch nun ist gerade Originals schuld an den leicht rückläufigen Umsätzen in den vergangenen zwei Quartalen.
Zwar wächst global die Sparte Sport Inspired, zu der neben Originals das zählt, was früher Neo hieß, mit 11% noch immer stärker als Sport Performance (+ 8%). Speziell in Westeuropa können jedoch die Zuwächse mit Sport Performance die Sport Inspired-Rückgänge nicht kompensieren. Die Gründe dafür wurden beim Analysten-Call anlässlich der Präsentation der Quartalsergebnisse von Rorsted und Finanzchef Harm Ohlmeyer benannt. Und Maßnahmen skizziert, die bereits ergriffen wurden:
Zu starker Fokus auf Originals
Das hohe Wachstum von Originals führte dazu, dass die Abhängigkeit von der Sport Inspired-Sparte wuchs. Das Sport Performance-Geschäft wurde hingegen nicht genügend in Schwung gebracht. Dieses Verhältnis soll in den kommenden Saisons durch einen ganzheitlicheren Segmentierungsansatz „gesünder” werden.
Enttäuschende Releases
Die Umsätze mit den langjährigen Topsellern Stan Smith und Superstar wurden in den vergangenen Quartalen gezielt heruntergefahren. Gleichzeitig konnten neue Modelle, wie etwa der
Deerupt, dessen Einführung mit hohen Erwartungen verbunden war, diese geplanten Rückgänge noch nicht kompensieren. Aber es gibt mit dem Continental 80 sowie mit den Bulky-Silhouetten Falcon und Yung-1 auch erfolgreiche neue Produkte mit reichlich Potenzial durch immer neue Colorways.
Nicht nah genug an den Konsumenten
Das neue Management-Team für Westeuropa soll die Strukturen auf dem Heimatmarkt vereinfachen. Adidas-Urgestein Arthur Hoeld steht seit Sommer an der Spitze dieses Teams. Er leitete von 2011 bis 2017 die Originals-Sparte. Speziell für die Key-Accounts wurde ein maßgeschneiderter Investitionsplan entwickelt, um in den vergangenen Monaten verlorene Fläche zurückzugewinnen.
Zu hohe Preise
Nicht zuletzt wird der aggressive Wettbewerb auf dem hiesigen Markt hervorgehoben und damit verbunden eine „etwas zu ambitionierte Preispolitik”. Konzernweit betrachtet stimme die Balance zwischen Margenverbesserung und der Gewinnung von Marktanteilen. Speziell in Westeuropa sei dies in den letzten Quartalen allerdings etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Hier wurde die Bruttomarge auch in diesem schwierigen Quartal um 340 Basispunkte verbessert und liegt jetzt bei 48,8%. Solche Steigerungsraten seien nicht mehr zu erwarten. Konzernweit betrachtet konnte die Bruttomarge um „nur” 140 Basispunkte auf 51,8% gesteigert werden. Jedoch betont Ohlmeyer, dass es keine generelle Preisanpassung in Europa geben werde, sondern vereinzelte Korrekturen.
Eine Originals-Erfolgsstory bleibt Rorsted zufolge der Yeezy. Nicht nur mit neuen, extrem selektiven Produkten, die den Hype um die Kanye West-Sneaker weiter befeuern sollen. Denn: „Wir demokratisieren den Yeezy.” In diesem Herbst, genauer am 21. September, wurde das erste Yeezy-Modell in „großen Mengen” zum VK-Preis von 220 Euro auf den Markt gebracht. Zu Stückzahlen schweigt der Konzern, Rorsted spricht aber vom „größten digitalen Release in der Konzerngeschichte”. Denn dieser Schuh war nur online zu haben, mit Ausnahme von China. Sicherlich ein Grund für das exponentielle E-Commerce-Wachstum in diesem Quartal. Nach Zuwächsen um 27% bzw. 26% im ersten und zweiten Quartal schoss der E-Com-Umsatz von Juli bis September um 76% in die Höhe. Dieser wird nicht separat ausgewiesen, ist in den eigenen Einzelhandelsumsätzen enthalten. Diese wurden um 24% auf 1,7 Mrd. Euro gesteigert, belaufen sich für die ersten neun Monate auf insgesamt 4,6 Mrd. Euro.
Bis 2020 soll allein das Online-Business rund 4 Mrd. Euro schwer sein. Dazu beitragen wird auch die Adidas-App, die in 17 Ländern live ist und bisher fünf Millionen mal heruntergeladen wurde. In Amerika startete jetzt das neue Membership-Programm Creators Club, das Mitgliedern exklusiven Zugang zu Produkten und Events gewährt und noch in diesem Monat in weiteren Märkten starten soll.
Speziell in Westeuropa steht das laufende Quartal allein schon angesichts einer extrem starken Vorlage unter schwierigen Vorzeichen. Von Oktober bis Dezember 2017 konnte Adidas hier noch um 17% zulegen.