Best of Store des Tages: Die Top Five

Die Klicksieger: 1. Görtz, 2. Bründl, 3. Koko Selected
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Neue Ideen und eine gehörige Portion Mut – darauf kommt es an, wenn man alles auf die Karte stationärer Modehandel setzt. Die TextilWirtschaft stellt in der Rubrik "Store des Tages" seit einigen Jahren jeweils im Frühjahr und im Herbst, zur Eröffnungssaison, täglich einen neuen Store aus dem Modehandel vor. Mehr als 60 Stores waren es in diesem Herbst. Neueröffnungen und Umbauten. Diese fünf Läden standen dabei ganz oben im Leserinteresse.

Alle Konzepte sind unter dem Eindruck der Corona-Pandemie entwickelt worden. Darunter sind zahlreiche Neugründungen von mutigen Unternehmern, zum Teil erste Schritte in die Selbständigkeit. Aber auch Filialisierungen und Renovierungen. Wir haben uns angeschaut, welche Läden ganz weit oben im Leserinteresse standen. Das Ergebnis ist so vielfältig wie die Handelslandschaft an sich. Görtz mit seinem Storekonzept für die Zukunft ist darunter, Bründl mit seinem neuen Store der Superlative, aber auch Koko Selected, ein Mischkonzept aus Secondhand und Fair Fashion, No Regrets, ein Concept Store mit topmodischem Markenmix und der erste Store der Streetwear-Marke Supreme in Deutschland. Die Top 5 im Überblick:

1. Görtz' Store der Zukunft in Düsseldorf

Im Gebäude-Ensemble Kö-Bogen II in Düsseldorf hat Görtz ein 1200m² großes Flagship eröffnet. Geplant wurde das "Store-Konzept der Zukunft" in der Corona-Krise. Schuhe, Taschen, Accessoires – die findet man natürlich im neuen Görtz-Store. Aber auch Pflanzen, Secondhand-Kleidung, Labels to Watch, Marzipan und ein Café. Der Hamburger Filialist hat sich etliche Partner mit auf die große Fläche geholt, die sich über drei Etagen in dem modernen Düsseldorfer Neubau erstreckt. Pop-up-Flächen für immer wieder neue Produkte und Labels sollen die Online-Marktplatz-Idee stationär umsetzen.

Auch die Ladengestaltung ist komplett neu entwickelt worden (Planung: Ludwig Görtz GmbH; Innenarchitekten: Birgit Dojahn, Heike Busch, Julia Schick; Ladenbau: Hoffmann Ladenbau; Beleuchtung: ITAB Lighting Germany GmbH mit Architekturabteilung Ludwig Görtz GmbH). Der Look ist eine Symbiose aus Naturelementen und moderner Tape Art sowie Möbeln aus recycelten Materialien. Der Store besticht zusätzlich mit einer Fensterfassade von über 60 Metern zur Bleichstraße, einer lichtdurchfluteten Galerie und Deckenhöhen von bis zu sechs Metern. Der Treppenbereich bis zum zweiten Obergeschoss ist vom Berliner Künstlerkollektiv Tape That gestaltet.

Im Erdgeschoss befindet sich ein Café von Mr. Ben, Blumen und Pflanzen des Düsseldorfer Floristen Fiori, Niederegger-Marzipan, ein Schuh-Catwalk, ein Schuhbereich sowie Accessoires. Im ersten OG befinden sich die Herren- und Kinderschuhe sowie die bislang zweite Fläche des Berliner Pop-up-Konzeptes Freiraum, das urbanen Online-Labels zu stationärer Präsenz verhelfen will. Hier sind aktuell auf rund 50m² Taschen, Fashion, Beauty und andere Lifestyle-Artikel erhältlich. Im Untergeschoss belegt das Secondhand-Konzept Vintage Revivals 240m²

Schon seinen Vater hätte man für verrückt erklärt, als er 1967 das Grundstück für damals 600.000 Schilling kaufte, erzählt Geschäftsführer Christoph Bründl "Wie kann man so deppert sein?", hätten sich viele Kapruner kopfschüttelnd gefragt. Doch selbst Johann Bründl hätte sich wohl nicht vorstellen können, was für ein Haus auf diesem Grundstück einmal stehen würde. Gebaut in jenen 18 Monaten seit April 2020, die jeden Unternehmer vor große Herausforderungen und noch größere Unwägbarkeiten gestellt haben. Zwei Wochen hat man sich Bedenkzeit gegeben, nachdem der erste Lockdown jäh den geplanten Baustart stoppte.

Dann haben sie weitergemacht. 16 Mio. Euro hat Bründl in dieses Haus investiert. Hat gemeinsam mit Blocher Partners erweitert, angebaut, umgebaut. Und dabei immer wieder umgeplant. Die Verkaufsfläche von 1200m² auf 2500m² verdoppelt. Das Haus vergrößert, die Fassade nach vorne gezogen. Einen Panoramasteg mit spektakulärem Ausblick gebaut. Eine gläserne Ski-Service-Werkstatt installiert, die Ski-Abteilung verdreifacht, eine 15 Meter lange Laufbahn geplant, eine Etagen-übergreifende Riesenrutsche nebst Kids-Boulderwand eingebaut. Mit dem neuen Haus wagt Bründl zudem den Einstieg in die Gastronomie. 100 Plätze gibt es jetzt in der neuen Rooftop-Lounge. Mit 360 Grad-Panorama-Blick. Für den Weitblick, mit dem Firmengründer Johann "Hans" Bründl schon vor fast 70 Jahren den Grundstein für das Unternehmen legte.

Die Geschichte von Koko Selected klingt ein wenig wie ein Mädchentraum, der wahr geworden ist. Pia Landwehr, Karla Schumann und Katrin Nordhaus sind beste Freundinnen seit ihrer gemeinsamen Grundschulzeit in Dortmund. Im Herbst haben sie gemeinsam einen Concept Store in Düsseldorf eröffnet. Vor gut einem Jahr, mitten in der Corona-Krise, reifte die Idee der drei 32-jährigen Frauen, die mittlerweile alle in Düsseldorf leben. "Wir wollten etwas Sinnvolles schaffen, einen Ort, an dem Kund*innen bewusster konsumieren können, an den sie gerne kommen und Secondhand-Ware in einem Ambiente wie in einer schönen Boutique vorfinden", sagt Pia Landwehr. Die Entscheidung für den Einzelhandel sei immer ein Risiko, das sei ihnen klar. Um dieses überschaubar zu halten, hat das Trio eine GmbH gegründet, verschuldet hätten sie sich nicht. Alles sei aus Erspartem finanziert. So wurde auch der Laden  mit viel Eigenleistung, ganz ohne Architekten liebevoll selbst gestaltet. Clean und aufgeräumt soll die Atmosphäre sein. Größtenteils Schwarz/Weiß mit korallfarbenen Akzenten. Die Umkleidekabinen sind ein wenig vom eigentlichen Verkaufsraum abgetrennt. Hier gibt es eine Sitzecke und Raum für Kids und Shopping-Begleitung. In Zukunft wollen sie den Kundinnen und Wartenden dort auch einen Kaffee anbieten.

"Nachhaltigkeit soll nicht unser Aushängeschild sein, aber immer der Hintergrund", erklärt Landwehr, wie sie bei der Zusammenstellung des Sortiments vorgegangen sind. Den Anteil der Neuware schätzt sie auf 20 bis 30%. Die Auswahl der Produkte, die außer Womenswear auch Homeware und Schmuck umfasst, sei rechercheintensiv gewesen. Die nachhaltigen Kriterien nicht immer klar offengelegt und nachvollziehbar. Bei Bekleidung sei das noch am einfachsten gewesen. Entschieden haben sich die drei Neu-Unternehmerinnen zum Start für das Label Story of Mine aus Münster. Der zeitlose Style und die hochwertige Qualität passten perfekt zu ihrem Konzept. Dank QR-Codes auf den Etiketten sei die Produktionskette nachvollziehbar. Das gefällt ihnen. "Wir wollen nur Marken anbieten, die fair produzieren und nachvollziehbar sind."

No Regrets – diese Worte sind unübersehbar auf Lena Grohs rechter Hand zu lesen. Viel mehr als nur ein Tattoo, ein Lebensmotto, eine Art Mantra. Und jetzt auch der Name ihres Stores, den die 37-jährige Würzburgerin im August in ihrer unterfränkischen Heimatstadt eröffnet hat. "Das bin ich. Ich möchte nie bereuen müssen, etwas nicht getan zu haben." Und dafür stehe auch ihre Entscheidung, den sicheren Job bei H&M – zuletzt acht Jahre als Storemanagerin in Würzburg – über Bord zu werfen und etwas Eigenes zu wagen. Der Gedanke an einen eigenen Store sei schon lange da gewesen, erzählt sie „Das ist wohl der Lebenstraum vieler Menschen, die Mode lieben.“ Gekündigt hat sie zum Juni 2020, mit einer Idee und einem Business-Plan, aber noch ohne passende Immobilie. „Wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht“, sagt Groh.

Erst im Dezember wird sie fündig. Die rund 140m² große Fläche in der Blasiusgasse passt perfekt zu ihrem Konzept. Eine gut frequentierte 1B-Lage mit großzügigen Schaufensterfronten. Den Zuschlag erhält sie im Februar 2021. Mitten im Lockdown. Innerhalb von zweieinhalb Wochen muss der komplette Einkauf für die Herbst-/Wintersaison erledigt werden. Was sie will, weiß sie genau: "Etwas ganz Neues für Würzburg. Brands, die es am Standort noch nicht gibt. Modisch, hochwertig, besonders. Ein Mix aus Womenswear, Beauty, Accessories und Living."

Showroom-Besuche, Internet-Recherchen, private und professionelle Tipps hätten dazu beigetragen. „Im Sales und Visual Merchandising bin ich Profi, Einkauf war etwas komplett Neues für mich“, sagt Lena Groh. Zum Glück habe es bei den meisten Firmen geklappt hat und das Sortiment stand pünktlich zur Eröffnung Ende August

Es ist der insgesamt 14. Laden weltweit der kultigen Streetwear-Marke. Schon im Sommer kamen Gerüchte auf, dass die zur VF Corporation gehörende Brand auch in Deutschland mit einem eigenen Store an den Start gehen würde. Am Standort Berlin. Erst im Mai dieses Jahres öffnete Supreme in Mailand seine Türen, es war die erste Eröffnung nach der Übernahme durch den US-Konzern. Im November hat die Streetwear-Brand, die im Dezember 2020 für einen Kaufpreis von 2,1 Mrd. Dollar übernommen wurde, in der Torstraße eröffnet. Die neue Location vereint das ganze Sortiment der Streetwear-Marke inklusive Bekleidung, Accessoires und Hardware wie Skateboards unter einem Dach. Die Ladenfläche befindet sich in einem Flachdachgebäude. Der großzügige Eingangsbereich mit zwei großen, offen gestalteten Fenstern bietet direkt einen Blick ins Innere des Stores. Das Design des großen quadratischen Raumes ist schnörkellos und übersichtlich. Klare Linien geben den Ton an: Weiße Wände und ein heller Boden. Besonderes Highlight ist sicherlich die Decke, deren Holzverkleidung für Wohnlichkeit und mit Glaselementen für zusätzliches Licht sorgt. Schwere Eisenträger bilden einen interessanten Kontrast. Weiterer Blickfang: ein Modellbauflugzeug.
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