Rückblick 2022

Die Top Store-Eröffnungen

The Square, Foto: Mark Seelen
Aus The Corner wurde 2022 The Square, ein Ort der Begegnung.
Aus The Corner wurde 2022 The Square, ein Ort der Begegnung.

Was bringt Menschen heute noch dazu, in Läden einzukaufen? Diese Frage steht über allen stationären Eröffnungen des Jahres – ganz gleich, ob Luxus-Händler, Fast Fashion-Filialist oder Platzhirsch mit Multilabel-Sortiment. Der Blick auf die Eröffnungen des zu Ende gehenden Jahres zeigt, es ist das physische Erlebnis, das Treffen auf Gleichgesinnte und natürlich das zum Konzept passende architektonische Bild. Fünf Eröffnungen, die für ihr jeweiliges Marktsegment etwas ganz Besonderes sind.

1. Hermès in New York

Mit der Eröffnung des Flagship-Stores in New York schlägt Hermès ein neues Kapitel seiner Retail-Geschichte auf. Mit einer Größe von rund 1880m² auf vier Etagen ist es eine der größten Flächen des Luxus-Modehauses weltweit und die erste, die ein völlig neues Erlebnis bieten soll. Das neue Flaggschiff bringt einen Hauch Pariser Eleganz in die Schnelllebigkeit und Dynamik New Yorks. Neben ihrer beeindruckenden Größe ist die Fläche einladend und lebendig gestaltet. Unter der Leitung von Denis Montel wurden für das Retail-Projekt drei bestehende Gebäude vom Pariser Architekturbüro RDAI miteinander verbunden. Das zentrale Bauwerk, das 1921 im föderalistischen Stil als Außenstelle der Bank of New York fertiggestellt wurde, bildet nun den Mittelpunkt des neuen Standortes. Die angrenzenden ehemaligen Stadthäuser laufen in einer L-Form zusammen und umschließen das historische Bank-Gebäude.

Store to watch: Hermès in New York


Die Innenräume sind von der New Yorker Art déco-Vergangenheit und von den ersten Wolkenkratzern Manhattans inspiriert und in einer antiminimalen Ästhetik gestaltet. Gegensätzliche Konzepte verschmelzen miteinander und schaffen neue visuelle Erlebnisse, die sich etwa in der Mischung von architektonischen Elementen und zeitgenössischem Design oder dem Wechselspiel von strenger, kantiger Geometrie und üppigen, geschwungenen Formen zeigen. Die gesamte Fläche ist in Salons unterteilt, von denen jeder individuell gestaltet ist. Zu den verwendetet Materialien gehören Stuck, Strohintarsien, verschiedene Holzoberflächen, Leder und handgefertigte Tapeten. Farblich geben warme Neutraltöne - Elfenbein, Beige, Hellbraun - mit Einsprengseln kräftiger Farbtöne, die sich von Etage zu Etage intensivieren, den Ton an.

Der Store ist über zwei Eingänge zu betreten. Auf der Seite der ehemaligen Bank führt ein Fliesenboden mit dem für Hermès charakteristischen Mosaik zur ursprünglichen Treppe, die den ersten mit dem zweiten Stock verbindet. Sie wurde aufwendig restauriert. Die Kassettendecke dagegen stammt noch aus dem ursprünglichen Gebäude. Beim Betreten des Stores auf der Seite des Haupthauses findet sich eine kleine Hansom-Kabine, eine Pferdekutsche aus den 1830er Jahren, die aus der Sammlung von Émile Hermès entliehen wurde. Der gesprenkelte Terrazzoboden leitet die Kundinnen und Kunden zum Herzstück des Geschäfts: eine Steintreppe, die bis in den vierten Stock führt. Die Wand dahinter dient als vertikale Galerie für die Kunstsammlung.

2. The Square in Berlin

Luxus in Bewegung: "Das bestehende Konzept war 18 Jahre alt. Es war Zeit für eine neue Vision. Man muss sich einfach immer wieder erneuern", begründet Emmanuel de Bayser Umbau und Rebranding seines Luxusstores in Berlin unweit der Friedrichstraße. Denn nach dreimonatiger Schließung, in der das Geschäft komplett entkernt und neu aufgestellt wurde, hat The Corner unter dem neuen Namen "The Square" eröffnet – mit neuem Sortimentskonzept und komplett neuer Optik.

Store to watch: The Square in Berlin


Die roughe, industrielle, loftartige Anmutung ist einer weicheren, lichteren, leichteren, wohnlichen Handschrift gewichen. Alles ist in helle Offwhite- und Elfenbein-Nuancen getaucht. Eingezogene Arkaden-Bögen verleihen dem Raum eine völlig neue Wahrnehmung. Mehr Weite und Raumtiefe entstehen auch dadurch, dass aus zwei Ebenen eine wurde. Die Raumhöhe beträgt rund sechs Meter. Die bodentiefen Fenster sorgen für viel Helligkeit. Regale und Wandschränke sind in lackiertem, elfenbeinfarbenem Holz mit Travertin-Böden gefertigt. Alles wirkt wie in einem großen Wohnzimmer eines Luxus-Apartments. "Man soll sich willkommen fühlen wie in einem Loft. Die Atmosphäre soll viel individueller und persönlicher sein, sodass die Kunden auch gerne länger bei uns bleiben wollen", sagt de Bayser.

Dieser Anspruch wird nicht nur durch das Interieur, sondern auch die Neuausrichtung des Sortimentes erreicht. So wird der Mode-Part, der nach wie vor die großen internationalen Designermarken wie Celine, Balenciaga, Saint Laurent, Bottega Veneta, Loewe, Dior und viele mehr bündelt, künftig sehr viel stärker von Möbeln, Kunst- und Interior-Objekten arrondiert. Im ganzen Store verteilt sind immer wieder großzügige Sofas, die nicht nur zum Verweilen einladen, sondern wie alle Teile auch zum Verkauf angeboten werden. Auch Skulpturen, Tableware, Kerzenhalter und Glas und Silber aus Venedig sowie ganze Dinner Tables mit entsprechendem Gedeck gehören zum Portfolio.

Die Möbel stammen vor allem von Pierre Augustin Rose, die für das gesamte Interieur-Konzept des Square verantwortlich zeichnen, das von der Berliner Architektin Anna Maske mitentwickelt und umgesetzt wurde. The Square bietet künftig auch komplette Einrichtungskonzepte für Wohnungen an. Alle sechs Monate soll es wechselnde Kunstausstellungen geben.

3. Wöhrl in Nürnberg

Christian Greiner glaubt an lebendige Innenstädte, an persönliche Begegnung, an Läden, in denen sich attraktive, überraschende Produkte und wohlige Atmosphäre verbinden – und er glaubt an Nürnberg. Weil das so ist, hat der Chef des Filialisten Wöhrl das Stammhaus seines Unternehmens in der fränkischen Metropole ausgebaut, umgebaut und um viele neue Sortimentsideen und Services bereichert. Rund 40 Mio. Euro sind geflossen in jetzt rund 20.000 m² Handelsfläche, ein Drittel mehr als zuvor. Mehr als 100 neue Arbeitsplätze sind entstanden.

Runderneuert: Wöhrl in Nürnberg


Was künftige Besucher zu sehen bekommen, ist ein Haus, das überraschen will. Offensichtlichster Hingucker dabei ist die vertikale LED-Wand, die sich im zentralen Luftraum zwischen zwei Rolltreppen befindet. Doch die Überraschungen des neuen Wöhrl gehen noch weiter: mit rund 400m² Beauty-Kompetenz, mit eigenem Eingang und teils exklusiven Marken rund um Aesop, Aveda, Byredo und Diptyque; mit einem an Womenswear anknüpfenden Taschen- und Accessoires-Segment und Labels wie Longchamp, Furla, Coach und Liebeskind; mit ausgesuchten Schreibutensilien der Traditionsfirma Faber-Castell; mit Premium-Secondhand-Produkten von Vite EnVogue als Pop-up-Fläche; mit einem Store-in-Store des Münchner Schuhspezialisten Tretter, „ohne dessen Reputation wir bestimmte Marken allein nicht bekommen hätten“; und mit einer hochmodernen Aldi Süd-Filiale, welche sich aus einem Seitentrakt zu Wöhrl hin öffnet.

Was Gäste des Hauses überdies zu spüren und zu fühlen bekommen, ist ein Ambiente, das umarmen und mit sehr viel Service zum Bleiben motivieren will. Den Wohlfühlanspruch unterstreicht auch die Materialwahl: Inspiriert von der fränkischen Umgebung setzten die Architekten von Schwitzke auf Eiche, Terrakotta und Terrazzo sowie Messing, Gold und geriffeltes Glas. Im Beauty-Bereich ist eine Kombination aus regionalem Sandstein und gebürstetem Edelstahl zu sehen.

4. Zara in Madrid

Self-Checkout, spezielle Kassen für Retouren, Paketautomaten - und eigene "Boutiquen" für Wäsche, Beauty, Sportswear und Schuhe. Zara hat in einem der ikonischsten Gebäude Madrids die weltweit größte Filiale eröffnet. Das Geschäft befindet sich im sogenannten Edificio España, einem der architektonischen Wahrzeichen der spanischen Hauptstadt. Es wurde in den 1950er Jahren errichtet und war zu diesem Zeitpunkt mit 117 Metern das höchste Gebäude Madrids. Der Fast Fashion-Filialist belegt eine Fläche von 7700 m², 3815 m² davon entfallen auf die Verkaufsfläche. Das "bis dato innovativste Geschäft" der Inditex-Starmarke erstreckt sich über insgesamt vier Etagen und wurde vom hauseigenen Studio Zara Architecture entworfen. Die Gestaltung ist extrem hell und clean, "um die Mode in den Vordergrund zu stellen", wie es heißt.

Neues Flaggschiff: Zara in Madrid

Auffällig sind auf den einzelnen Etagen separate Flächen, Zara nennt sie Boutiquen. Dort werden einerseits neue Produktdivisionen wie Kosmetik (Zara Beauty), Performance-Sportswear für Männer (Zara Athleticz) sowie erstmals in einem stationären Geschäft die Wäschelinie für Frauen (Zara Lingerie) präsentiert. Hinzu kommen auf den Etagen für Frauen, Männer und Kinder jeweils eigene Boutique-Bereiche für Schuhe und Accessoires. Die Flächen sind individuell gestaltet, außerdem verfügen sie über direkt angrenzende Lager und Self-Checkout-Terminals.

Zara will mit dem neuen Store ein möglichst integriertes und nahtloses Shopping-Erlebnis schaffen, das es den Kunden erlaubt, zu jeder Zeit, auf jedem Kanal und auf jedem Gerät mit der Marke zu interagieren. Über die App-in-App "Store Mode" in der Zara-App können sie zum Beispiel Produktverfügbarkeiten der Filiale abrufen, Ware bestellen und innerhalb von zwei Stunden abholen oder auch eine Umkleidekabine reservieren. Auch einen Pay&Go-Service gibt es, bei dem Kunden Kleidungsstücke durch Scannen mit ihrem Mobiltelefon kaufen und bezahlen können. Neben der Integration von stationärem und Online-Einkauf legt Zara in seiner innovativsten Filiale besonderen Wert auf Nachhaltigkeit. Dazu gehören die Verwendung umweltfreundlicher Materialien, energieeffiziente Heiz- und Kühlsysteme und natürlich LED-Beleuchtung. Damit qualifiziere man sich für das BREEAM-Siegel, das 1990 in Großbritannien entwickelte, älteste und am weitesten verbreitete Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen.

5. Avart in Lugano

Sinnlichkeit und Eleganz. Das kennzeichnet den Womenswear Store von Alma Veragouth. Das vom Mailänder Architekturbüro Studiopepe entworfene 225m² große Geschäft befindet sich im Herzen von Lugano, unter den Arkaden der Via Cavona. Natürliche Farbtöne und weiche Geometrien treffen auf Materialkontraste und kostbare Texturen, die eine einladende Atmosphäre schaffen, für eine Kundin, die modisch auf der Suche nach einer raffinierten und zeitgenössischen Weiblichkeit ist.

Store to watch: Avart in Lugano

Wände und Boden sind mit einem Putz aus nudefarbenem Mikrosand bedeckt. So wird eine gleichermaßen neutrale wie sinnliche Hülle geschaffen, die Form und Volumen des Raumes perfekt zur Geltung bringt. Eyecatcher sind die große zylindrische Säule aus Rauputz und die Wendeltreppe, die wie ein durchgehendes Band die beiden Ebenen der Boutique verbindet.

Der Innenraum ist durch die fast schon verschwenderisch anmutende Verwendung von Marmor gekennzeichnet, dessen Adern und intensive Farben die ansonsten neutrale Farbpalette ergänzen. Schlichter, grauer Travertin ist an der Eingangsfront und der Inneneinrichtung zu sehen, während raue und unregelmäßige Platten aus grünem Smeraldo Onyx und rosa Marmor die Vorlagetische hervorheben. Zur Warenpräsentation dienen zudem filigrane Kleiderstangen aus Messing, die dank einem unsichtbaren Trägersystem zu schweben scheinen. Wärme kommt ins Design durch die Holzarbeiten des Tessiner Unternehmens Veragouth und Xilema. So findet sich Walnussholz etwa in der Verkleidung der Treppenstufen und in der ovalen Schmucktheke im Zwischengeschoss wieder, zu der die runde Theke mit fünf mit Soft-Touch-Lack lackierten Schubladen und einem rosafarbenen Spiegel ein optisches Gegengewicht bildet.

Beim Sortiment konzentriert sich Avart auf das Angebot ikonischer und aufstrebender internationaler Bekleidungs-, Accessoires- und Duftmarken, darunter zum Beispiel Absolute Cashmere, Amorphose, Apuntob, Barena Venezia, Forte Forte, Grifoni, Pierre Louis Mascia, Phisique du Role und Totême.




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