Schauenpremiere in Paris für zwei Reutlinger Studentinnen

„Ein wirklich unwirkliches Erlebnis”

Martin Veit
Nach der Show: Madeleine Mesam und Annika Klaas
Nach der Show: Madeleine Mesam und Annika Klaas

Zwei Wochen vor der Paris Fashion Week: Das Handy von Annika Klaas klingelt. Das Global Fashion Collective lädt sie und ihre Freundin Madeleine Mesam nach Paris ein. Natürlich zögern die 25 und 28 Jahre alten Studentinnen der Hochschule Reutlingen nicht und zeigen ihre Kollektion „An Archive of the Sunflower“ im Palais de la Découverte. Eine Reise unter Hochdruck.

TextilWirtschaft: Wie fühlt es sich an, eine eigene Kollektion in Paris zu präsentieren?
Madeleine Mesam:
Um ehrlich zu sein, ist es noch ziemlich unwirklich. Es war schon eine sehr große Ehre. Wir verarbeiten das jetzt erst im Nachhinein, während wir uns die Fotos und Videos nochmal anschauen. Auch die Zeit in Paris war sehr unwirklich, weil wir mit den ganzen Vorbereitungen so beschäftigt waren, dass wir selbst gar nicht so viel von der Show mitbekommen haben und immer nur an der Seite reinspicken konnten. Unwirklich trifft es wirklich gut.


Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie in Paris zeigen durften?
Annika Klaas: Das hat eine längere Vorgeschichte. Ich habe im vergangenen Jahr den European Fashion Award gewonnen. Dadurch wurde das Global Fashion Collective auf mich aufmerksam. Ich wurde gefragt, ob ich in Vancouver zeigen möchte. Das habe ich dann im September gemacht. Es lief dann so gut, dass ich im Oktober auch in Tokio zeigen durfte. Vor zwei Wochen haben sie dann ganz kurzfristig angerufen, ob ich nicht mit Madeleine nach Paris auf die Fashion Week kommen möchte.

Eine Last Minute-Aktion also.
Annika Klaas: Ja, genau.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Madeleine Mesam:
Die Idee ist vor einem Jahr entstanden. Wir haben das Bachelor-Studium gemeinsam begonnen. Vor fünf Jahren. Wir haben zwar noch nicht gemeinsam gearbeitet, aber uns schon immer ausgetauscht. Seit einem Jahr arbeiten wir jetzt zusammen. Ich komme ja vom Textildesign, Annika aus dem Bereich Mode und Strick. Das ergänzt sich super. Deshalb machen wir jetzt auch die Kollektion und unsere Master-Thesis zusammen.

Wie sahen die Vorbereitungen für die Schau aus?
Annika Klaas: Alles lief unter Hochdruck, weil wir ja erst kurzfristig davon erfahren haben. Wir haben in den vergangenen zwei Wochen echt durchgepowert. Wir haben gedacht: Okay, jetzt müssen wir diese sieben Outfits zusammenbekommen. Ein paar waren schon fertig, andere wurden immer wieder komplett umgeschmissen. Das letzte Outfit ist tatsächlich erst kurz vor der Show fertig geworden.

Was ist die Idee hinter der Kollektion?
Madeleine Mesam: Es hat eigentlich ganz gut gepasst, das Ganze unter Zeitdruck zu machen, weil die Idee dahinter eine Collage aus alten Arbeiten von uns beiden ist, die sich wie Fragmente zusammenfügen. Deshalb war es auch spannend zu sehen, was unter dem Zeitdruck schnell entstehen kann. Da wir unsere ganzen Sachen mixen, ist auch nichts Neues dabei entstanden. Es wurde wirklich alles recycelt. Textilien, Mode aber auch Ideen.

Annika Klaas: Uns war es auch wirklich wichtig, keine neuen Materialien zu verwenden. Wenn man ehrlich ist, braucht man auch nichts Neues. Jeder hat ja schon genug Klamotten. Als Modedesigner fragt man sich dann immer wieder: Was ist eigentlich der Sinn von dem, was ich hier tue? Wir haben es deswegen als künstlerische Arbeit angesehen.

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Wie ist das bei den Besuchern angekommen?
Madeleine Mesam: Durchweg positiv. Wir waren selbst total überrascht.

Mussten Sie auch selbst in die Kollektion und die Schau investieren?
Annika Klaas: Nein, wir haben verschiedene Sponsoren, die das Ganze finanzieren. Die Hochschule Reutlingen, die Reinhold Beitlich Stiftung, das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim, Erasmus+, Steinbeis, die Kreissparkasse Reutlingen und das Global Fashion Collective haben unsere Schau bezahlt.

Geht die Kollektion tatsächlich in die Produktion?
Madeleine Mesam: Nein, vorerst soll es bei Unikaten bleiben. Vor allem, weil es eher als künstlerische Arbeit gedacht ist. Im Moment kann man die Kollektion auch noch nicht kaufen. Wenn jemand einzelne Stücke erwerben möchte, kann man sicher darüber reden. Aber wir haben da momentan noch keine Anfrage bekommen. In erster Linie geht es wirklich um Mode als Kunst.

Was nehmen Sie aus der Erfahrung mit?
Annika Klaas: Auf jeden Fall super viele Eindrücke. Auch, wie so eine Show abläuft in Paris. Wie viel über Networking passiert. Es war auch super, andere Designer kennenzulernen. Es lohnt sich, weiterzumachen. Wir haben ja schon immer gesagt, dass diese Kollektion ein Zwischenschritt ist. Aber sie wird sich immer weiter verändern. Und man sieht auch, wenn es gut ankommt und dass es sich lohnt, daran zu arbeiten. Für uns ist die Kollektion auch saisonunabhängig. Es ergibt keinen Sinn, etwas an einem Punkt fertigzubekommen, weil es sich für uns immer weiterentwickelt.

Wie geht es jetzt weiter?
Madeleine Mesam: Das ist noch so ein bisschen die große Frage. Wir sind gerade dabei, unser Studium zu beenden. Die Kollektion ist Teil unserer Master-Arbeit. Ende November werden wir wahrscheinlich fertig sein. Was danach passiert, steht noch nicht so ganz fest. Vielleicht ist es auch möglich, dass wir uns zusammen selbstständig machen.
 

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