Medien-Check

Adel verpflichtet

Die Titanic geht unter. Und die Welt hat eine neue Lieblingsserie. Dazwischen: Machtspielchen, Heiratsanträge, Intrigen, eine gute Portion Jane Austen, historische Kostüme und eine im Viktorianischen Zeitalter steckengebliebene zynische Großmutter. Seit Weihnachten wird die britische Erfolgsserie Downton Abbey um das gleichnamige englische Landschloss und dessen Bewohner rund um den ersten Weltkrieg auch hierzulande ausgestrahlt.

Gallery: Downton Abbey




Die Mode inspiriert das TV-Spektakel bereits seit geraumer Zeit. Im März zeigten die internationalen Designer in ihren Kollektionen für Herbst/Winter 2012/13 bereits starke Reminiszenzen an die Looks der ausgehenden Belle Époque bis zu den Goldenen Zwanzigern. Tommy Hilfiger, Ralph Lauren und Burberry propagierten einen androgynen, aristokratischen Country-Look mit groben Strickpullovern, Checks, strengen Mänteln und Trilbys. Während der Show von Ralph Lauren lief sogar die Filmmusik. Andere wie Dolce&Gabanna, Donna Karan und Valentino haben sich vor allem auf den mondänen Look der 20er Jahre fokussiert und zeigten lange Abendroben mit Kristallkragen und Federn, schwere Samtteile mit Goldstickereien, viel schwarze Spitze und Perlendekorationen sowie Flapperdresses. Bei Louis Vuitton tuckerte eine alte Lok auf den Laufsteg, aus der Belle Époque-Damen ausstiegen. Mit hochgeschlossenen Mänteln, übergroßen Hüten und Handschuhen, die bis zum Ellenbogen reichen. Auch die flankierende Herbst-Kampagne von Louis Vuitton spielt das Thema: Elegant gekleidete Damen sitzen im Zug, die nostalgischen Hutschachteln gut verstaut und ihr Gepäck fest im Griff.

Louis Vuitton-Kampagne H/W 2012/13
Louis Vuitton-Kampagne H/W 2012/13
Ähnlich wie einst bei Mad Men baut sich ein Hype um die Serie auf und beeinflusst die Mode nachhaltig. Er nährt sich sicherlich davon, dass die Ladys perlenbesetzte Kleider tragen und die Lords einen steifen Frack und weiße Manschettenknöpfe. Vor allem aber, weil es um Liebe geht, Romantik, Träumereien, Sehnsüchte, aber auch Regeln und Rituale. In Downton Abbey gibt es kein Blut, keinen animalischen Sex und keine Hektik. Downton Abbey (Fans sprechen nur von „Downton“) wärmt die Seelen und ist wahrscheinlich deswegen die zurzeit beliebteste Serie der Welt. In unsicheren Zeiten fühlt man sich zu solchen Kostümdramen mit ihren fest reglementierten Gesellschaften hingezogen. Darüber wurde vielerorts bereits viel geschrieben. Bei jedem Start eines Kostümfilms aufs Neue. In Großbritannien und den USA hat die Serie alle Rekorde gebrochen und etliche Preise abgeräumt. In Deutschland schalteten über zwei Millionen Zuschauer die erste Folge ein. Am Tag, als die Titanic unterging. Hier setzt die Handlung der Serie an.

Dann kommt das Telefon und die Moderne hält Einzug in die Gemäuer von Downton Abbey. Die größte Veränderung machen die Frauen im Haus durch: Die jüngste Tochter, Sybil, setzt sich aktiv für das Frauenwahlrecht ein. Sie lässt sich statt eines Kleides eine Pluderhose nähen. Seinerzeit ein Skandal. Ihre Schwester Edith lernt auf eigene Faust Autofahren und arbeitet später als Zeitungskolumnistin. Es geht um starke Frauen. Männer sind Beiwerk. Sie sind im Krieg oder werden als Hochzeitskandidaten gehandelt.

Asos
Asos
Jetzt sickert der Trend auf die High Street durch. Asos zeigt in seiner Rubrik „Currently Trending“ seine Interpretation des Downton Abbey-Looks: bestickte Pullover, opulente Blusen und 20er Jahre inspirierte Partykleider. In der britischen und amerikanischen Vogue sind Fotoshootings im Downton Abbey-Stil zu sehen. Und Love, das neue Magazin von Stylistin Katie Grand, hat die drei Hauptdarstellerinnen auf das Cover gehoben.

In Deutschland verstärkt der ZDF-Dreiteiler Das Adlon die Visualität der Looks aus vergangenen Zeiten. Die Familiensaga über das Berliner Luxushotel, von der Eröffnung in der Kaiserzeit 1907 bis zur Wiedereröffnung 1997, umfasst beinahe ein ganzes Jahrhundert, auch modisch gesehen. Inklusive ausschweifender Feiern während der Goldenen Ära der 20er Jahre. Am Sonntag sicherte sich die erste Folge einen Marktanteil von 22,5% und schlug somit den Tatort.
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