Alberto De Conti sieht die Chemieindustrie nicht nur als Teil des Problems, sondern auch als Teil der Lösung.
Alberto De Conti, Head of Fashion and Marketing des Chemieunternehmens Rudolf Group, ist unter anderem dafür verantwortlich, Marktbedürfnisse zu analysieren und neue Projekte anzustoßen. Zuletzt legte er den Grundstein für Offuel, einer Reihe Chemikalien auf Basis von Erdöl-Alternativen für die Denim-Produktion. Für ihn die auf die steigende Rohstoffknappheit. Ein Problem, dass insbesondere durch die Corona-Pandemie in den Fokus gerückt wurde.
TextilWirtschaft: Herr De Conti, können Bio-Abfälle Erdöl in chemischen Prozessen ersetzen?
Alberto De Conti: Die Umwandlung von Biomasse und Abfällen natürlichen wie auch nicht natürlichen Ursprungs in Stoffe ist in der Tat eine der fortschrittlichsten Entwicklungen der Textilchemie. Bis vor nicht allzu langer Zeit waren Abfälle aufgrund von Konsistenz und Verfügbarkeit ein undenkbarer Rohstoff. Heute bietet die Rudolf Group jedoch genau diese Option an und ist in der Lage, fossile Ressourcen in erheblichem Umfang zu ersetzen.
Das Ergebnis ist Offuel. Welche Treatments ermöglichen diese Chemikalien?
Die Produktreihe ermöglicht alle traditionellen Denim-Verfahren: Stone Washing, Bleaching, Stone Bleaching und Laser- sowie Weichmacherbehandlungen, ohne Abstriche bei der Qualität oder Ästhetik.
Sind die Behandlungen aufwendiger oder teurer als mit üblichen Chemikalien?
Nein, die Komplexität erhöht sich nicht. Allerdings gibt es einen leichten Aufpreis. Auch, weil es sich um einen zunächst begrenzten Markt handelt. Sobald die Nachfrage ansteigt, werden sich Möglichkeiten für Skaleneffekte ergeben.
Die für das Offuel-Sortiment verwendeten Rohstoffe können in fünf verschiedene Familien eingeteilt werden:
- Stoffe pflanzlichen Ursprungs
- Stoffe biologischen Ursprungs oder mit Hilfe von Biotechnologien hergestellte Stoffe
- Salze, Wasser, basische Säuren und Laugen
- Stoffe, die aus Abfällen biologischen Ursprungs recycelt werden
- Stoffe, die aus Kunststoffen, entweder Industrieabfälle oder Post Consumer Waste, recycelt werden
Hat die Krise den Entwicklungsprozess beeinflusst?
Die letzten 19 Monate haben uns gezeigt, wie dramatisch die Folgen des Rohstoffmangels sind. In einigen Fällen haben die Versorgungsengpässe sogar zur Schließung von Produktionsanlagen geführt. Künftig werden sich diese Engpässe noch verschärfen, allen voran bei der endlichen Ressource Erdöl. Das wird erhebliche Auswirkungen auf die Industrie haben. Vor diesem Hintergrund entstand Offuel.
Chemieunternehmen werden bei Umweltfragen oft als Teil des Problems, nicht als Teil der Lösung wahrgenommen. Was sagen Sie dazu?
Tatsächlich wird das Bild, das die Menschen von der chemischen Industrie haben, meist von rauchenden Schornsteinen, düsteren Industriekomplexen und im Fall der Textilindustrie auch von verschmutzten Flüsse überlagert. Und das, obwohl Chemieunternehmen mit letzterem Beispiel wenig zu tun haben. Aber die Leute verstehen auch zunehmend, dass die chemische Industrie ein Innovationsmotor ist, ohne den wir noch immer im Mittelalter leben würden.