Eine Klobürste aus Gold, eine Teekanne als Curling-Stein und eine Zitronenpresse, die wie ein Raumschiff geformt ist: Die Objekte von Alessi sind kleine Kunstwerke, die Heiterkeit in den Alltag bringen. Auf dem Salone del Mobile feiert die Designmarke ihr 100-jähriges Bestehen, blickt aber gleichzeitig nach vorne. Alessi-CEO Daniel Talens über die Kraft der Ironie, das schwierige Verhältnis zur Technologie und die Ideen, die Virgil Abloh der Designmarke hinterlassen hat.
Das Teatro Manzoni in Mailand ist für einige Tage eine Kunstgalerie. Die Designmarke Alessi hat während des Salone del Mobile die Passage des Theaters gemietet und zeigt anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums in den Schaufenstern, was sie in der Vergangenheit alles erschaffen hat. Von Kaffeekannen, Teekochern bis hin zu Nussknackern ist alles dabei.
Allerdings wäre Alessi nicht Alessi, wenn sich die Marke bloß mit einer Retrospektive zufriedengäbe. Stattdessen weist das erste Fenster in die Zukunft. Virgil Abloh, der im vergangenen Jahr verstorben ist, hat für Alessi Besteck entworfen. Messer, Gabel und Löffel, die perforiert sind und mit einer Eisenklammer zusammengehalten werden.
"Wir müssen die Sprache der neuen Generationen sprechen“, sagt Alessi-CEO Daniel Talens. Der frühere Hermès-Manager hat von den Gesellschaftern, zu denen der Private Equity-Fonds Oakley gehört, den Auftrag bekommen, die Marke nach Jahren der Stagnation wieder nach vorne zu bringen. „Alessi kann auf ein reiches Erbe bauen, das wir den Menschen vermitteln müssen."
TextilWirtschaft: Alessi feiert 100-jähriges Bestehen. Warum trägt die Ausstellung im Teatro Manzoni in Mailand den Titel "100-001"? Daniel Talens: Alberto Alessi will nicht einfach nur der Vergangenheit gedenken. Er will auch in die Zukunft schauen. Deshalb stellen wir hier nicht nur aus, was Alessi früher gemacht hat, sondern auch, wie der erste Tag des neuen Jahrhunderts von Alessi angebrochen ist.
Hier kommt Virgil Abloh ins Spiel, richtig?
Genau. Das Projekt mit Virgil ist das erste der nächsten hundert Jahre. Er setzte sich mit uns in Verbindung, weil er unbedingt etwas mit Alessi machen wollte. Virgil hat die Luxuswelt mit Streetwear zusammengeführt und dadurch für einen möglichst großen Kreis an Personen geöffnet. Er hat den Luxus demokratisiert. Für Alessi hat er etwas entworfen, was jeder Mensch braucht: Besteck. Er hat ein Messer, eine Gabel und einen Löffel gestaltet. Wir haben ihm freie Hand gelassen. Die Kreativität muss immer frei sein. Man darf sie nie in einen Kreis oder in ein Quadrat einsperren.
Ein bisschen Ironie muss sein: ein Teekessel als Curling-Stein
Virgil Abloh ist leider im vergangenen Jahr verstorben. Hat er weitere Ideen hinterlassen?Absolut. Wir werden künftig weitere Objekte vorstellen, die Virgil für Alessi entworfen hat. Sein erstes Projekt wird eine limitierte Edition sein. Danach wird es eine permanente Kollektion von ihm geben. Für uns ist das wichtig, denn wir müssen die Sprache der neuen Generationen sprechen.
Früher stellte Alessi während des Salone del Mobile auf dem Messegelände in Rho Fiera aus. Warum haben Sie sich dieses Mal für den Fuorisalone in der Stadt entschieden?Wir sind dabei, die Marke Alessi global nach Jahren der Stagnation wieder nach vorne zu bringen. Wir eröffnen ein neues Büro in Shanghai. Wir haben ein neues Team in den USA aufgesetzt. Wir expandieren mit eigenen Läden in Ländern wie China und Vietnam. Darüber hinaus forcieren wir den E-Commerce. Alessi kann auf ein reiches Erbe bauen, das wir nun den Menschen vermitteln müssen. In der Vergangenheit hielt sich Alessi mit der Kommunikation zurück. Wir sprechen von einer 360 Grad-Transformation, von der nur das Produkt nicht betroffen ist.
War früher bei Hermès: Alessi-CEO Daniel Talens
Sie kommen von Hermès. Werden Sie Alessi näher an die Luxus- und Modewelt führen?2021 stellten wir das erste Co-Branding-Projekt mit
Fendi vor. Es handelte sich um die Bento Box. Das ist eine Box, mit der sich das Essen transportieren lässt. Die Kapsel kam bei den Kundinnen sehr gut an. Wir arbeiten auch mit Marken wie Nespresso zusammen. Luxus und die Mode sind auf jeden Fall ein Feld, das wir bei Alessi besetzen wollen.
Wie ist das Verhältnis zwischen Alessi und der Technologie? Wir alle sind umgeben von Hightech heutzutage. Angefangen vom Handy bis zu Smart Clothes, die mit elektronischen Funktionen ausgestattet sind. Will da Alessi eine Rolle spielen?Das Verhältnis zwischen Alessi und der Technologie ist schwierig. Die Objekte von Alessi überdauern die Zeiten, während die Technologie schnell obsolet wird. Dennoch dürfen wir die Technologie nicht ausblenden, schließlich bestimmt sie den Alltag der Menschen. Wir werden keine Technologiefirma werden, sondern bleiben Designfirma. Ein Handy, das von Alessi hergestellt wird, wird es nicht geben. Denkbar ist aber ein Handy, das von Alessi entworfen wird. Erinnern wir uns an die Gigaset-Telefone von Siemens, die Alessi gestaltet hatte. In der aktuellen Ausstellung zeigen wir eine Teekanne, die mit einer App auf dem Handy bedient werden kann.
Goldenes Geschäft: Toilettenbürste aus Gold
Wie wichtig ist denn Ironie für Alessi? In der Ausstellung zeigen Sie eine Teekanne, die als Curling-Stein verwendet werden kann. Das ist nicht unbedingt nützlich, aber humorvoll.Das größte Paradoxon ist die Klobürste aus Gold von Alessi, die wir ausstellen. Eine sechs Meter hohe Variante ziert den Eingang unserer Fabrik. Es gibt nur ganz wenige Firmen, die es verstehen, ihre Kunden zum Lachen zu bringen. Alessi ist eine von ihnen.