TW-Interview mit Art Director Stefano Fadda

"Wichtigste Trendsetter? Die Hotels"

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"Die Menschen werden entspannter sein", sagt Stefano Fadda.
"Die Menschen werden entspannter sein", sagt Stefano Fadda.

Die Mailänder Messe Milano Unica hat die Stofftrends für das Frühjahr 2023 vorgestellt. Der künstlerische Leiter Stefano Fadda über die Impulse, die von Sternehotels ausgehen, das bevorstehende Ende des Revenge Buying und Recherche in Ländern wie Estland.

Etwas kleiner, aber endlich wieder live. Die Milano Unica meldet sich mit ihrer Tendenze-Präsentation zurück. Schuf die Mailänder Stoffmesse vor der Pandemie in den Hallen der Fabbrica Orobica aufwändige Stilwelten, so beschränkt sie sich dieses Mal im deutlich kleineren Spazio Krizia auf drei Tische mit Mustern, um die Trends für das Frühjahr 2023 zu veranschaulichen.

Drei Kernthemen haben Art Director Stefano Fadda und sein Team ausgemacht. Sie sprechen von "Ecoresort", "Ecoyacht" und "Ecopalace". Alle drei Strömungen haben etwas mit Urlaub zu tun. Grundgedanke ist, dass die Schönheit des Sands, der Muscheln und das Schillern des Meeres, aber auch die Eleganz eines Fünfsternehotels in Stoffe übersetzt wird.

Mode gedacht als Resortwear, die einfach aussieht, sich leicht anfühlt, aber auf den zweiten Blick anspruchsvoll ist. Natürliche Materialien wie Baumwolle, Leinen, Nessel und Hanf werden mit Stickereien, Fransen und speziellen Waschungen in spannende, dreidimensionale Oberflächen verwandelt. Drucke bekommen über Degradé- und Rost-Effekte eine Patina. Große Aufmerksamkeit wird den Verschlüssen geschenkt. Die Knöpfe sind aus Holz, die Zips sind ausgefranst. Wichtig werden Farben wie Sand, Ocker und Lapislazuli, aber auch blasses Gold und Silber.

TextilWirtschaft: Die Milano Unica zeigt wieder Trends. Was ist anders als vor der Pandemie?
Stefano Fadda: Es ist alles aus Budgetgründen etwas kleiner geraten. Es ist wichtiger denn je, die verschiedenen Strömungen auf wenige Kernthemen zu verdichten, die anschaulich und einprägsam sind. Die drei Themen auf drei Tischen erlauben einen schnellen Überblick.


Was unterscheidet denn das Frühjahr 2023 vom Frühjahr 2022?
Wir gehen davon aus, dass das Frühjahr 2023 die erste Saison sein wird, in der wir die Covid-19-Pandemie hinter uns gelassen haben. Die Menschen werden entspannter sein. Sie werden sich zurücklehnen und durchatmen. Das Frühjahr 2022 ist noch angestrengter, ja verbissener. Es gekennzeichnet durch den Nachholbedarf, durch das „Revenge Buying“. Wir gönnen uns das, was uns durch die Coronavirus-Pandemie versagt worden ist. Im Frühjahr 2023 haben wir das nicht mehr nötig und können wieder befreit genießen.
Wie sieht das Frühjahr 2023 aus?
Wir glauben daran, dass es die Saison der Resortwear sein wird. Damit drücken wir aus, dass eine Mode wird, die leicht und unkompliziert daherkommt, aber mit Details aufwartet.

Ist die Trendforschung eine rein ästhetische Übung? Oder auch kommerziell gedacht?
Hinter den Trends, die wir aufzeichnen, stehen klare kommerzielle Interessen. Wir bringen in Erfahrung, was die Kundinnen und Kunden mögen. Die Recherche ist weit angelegt. In meinem Team arbeiten Personen, die weit über den Globus verstreut sind. In Estland, in Lateinamerika.
Von welchem Sektor gehen momentan Impulse für die Mode aus?
Sehr dynamisch ist die Hotellerie. Nachdem wir alle in der Zeit des Lockdown unsere eigene Wohnung schöner gestaltet haben, zieht es uns jetzt wieder in die Ferne. Dementsprechend wird sehr in Hotels und Resorts investiert. Denken wir nur an den weltgrößten Luxuskonzern LVMH, der sich Belmond gekauft und neben dem Department Store La Samaritaine ein Sternehotel eröffnet hat.

Wie macht sich der Einfluss der Hotellerie auf die Mode bemerkbar?
In den Luxushotels verbindet sich die Tradition mit der Moderne. Eine herrschaftliche Architektur trifft auf eine zeitgenössische Einrichtung. Wir gehen davon aus, dass Elemente wie getäfeltes Holz, Kristallleuchter und Wandteppiche Widerhall in der Mode finden werden. Wir werden Jacquards, florale Drucke, Makramee mit Lurexgarnen, kleinen Pailletten, Crêpe und kostbaren Stoffe wie Lampas oder Brokat sehen.

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