Es war das Jahr des kreativen Stühlerückens. In den Kreativstuben ging es zu wie im Taubenschlag. Rein und raus, bis man fast den Überblick verlieren konnte. Sicher auch ausgelöst durch den Totalausfall von John Galliano bei Dior im Jahr zuvor. So viele Neubesetzungen strategisch wichtiger Kreativpositionen großer Designhäuser innerhalb eines Jahres suchen schon ihresgleichen. Eine radikale Frischzellenkur für den Designermarkt. Denn die Comebacks und Neuantritte stehen allesamt für eine Hinwendung zu Minimalismus, zu Reduktion, zu mehr Schärfe und Tailoring.
Sicher der spektakulärste Wechsel: Mit dem Comeback des Jahres von Jil Sander in das Haus, das ihren Namen trägt. Und dem damit verbundenen Wechsel von Raf Simons von Jil Sander zu Dior. Erst der tränenreiche Abschied von Simons im Februar bei Jil Sander. Dann das hochgelobte Comeback der Hamburgerin, die es nach acht Jahren Abstinenz geschafft hat, ihren typischen Minimalismus auf den Punkt neu zu beleben. Genauso überzeugend: Simons Debüt bei Dior: scharf, tailored, einfach modern.
Nicolas Ghesquière war der absolute Liebling der Fashion-Crowd und hat Balenciaga über 15 Jahre hinweg in den Olymp der absoluten It-Labels katapultiert. Er hat das Designhaus aus dem Dornröschenschlaf gerissen mit seinen visionären Entwürfen. Entsprechend gehörten seine Kreationen zu den beliebtesten Kopiervorlagen in der Branche. Balenciaga ohne Ghesquière? Kaum vorstellbar. Seine Zukunft ist bislang ungewiss. Seine Stelle nimmt Alexander Wang ein. Der Aufsteiger aus New York muss es jetzt bei Balenciaga richten.
Es war ruhig geworden um die letzten Kollektionen von Stefano Pilati für Yves Saint Laurent. Zunächst gehyped, hat er seine Eleganz, Schärfe und Klarheit in den acht Jahren ein wenig verloren. Die Konsequenz: Er musste gehen. Sein Nachfolger: Hedi Slimane. Nach einem Ausflug in die Kunst und nach L.A. verpasste er Yves Saint Laurent ein komplettes Faclifting. Nicht nur das Logo wurde entschlackt und das Yves gestrichen. Auch der Look wirkt jünger, frischer, rockiger. Stefano Pilati verdingt sich dagegen zukünftig als Designchef bei Ermengildo Zegna.